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Regionalwahl in Frankreich
Wachsende Spannung vor der zweiten Runde

Die Erfolge des rechtsextremen Front National bei der ersten Runde der Regionalwahlen in Frankreich haben Konservative und Sozialisten schockiert. Sie wollen verhindern, dass der FN in der morgigen zweiten Runde tatsächlich in einer der Regionen an die Macht kommt.

Von Ursula Welter |
    Marine Le Pen, Vorsitzende des Front National, bei einem Wahlkampfauftritt zur zweiten Runde der Regionalwahlen in Frankreich.
    Marine Le Pen, Vorsitzende des Front National, bei einem Wahlkampfauftritt zur zweiten Runde der Regionalwahlen in Frankreich. (imago/PanoramiC)
    Schon der Wahlsieg in nur einer Region Frankreichs wäre für den Front National ein Erfolg. Aber vom Triumph des ersten Durchgangs sehen die Meinungsforscher die Partei Marine le Pens weit entfernt. Jetzt, da es in die zweite, die entscheidende Runde geht. Im Norden muss die Parteichefin selbst um den Sieg bangen, im Süden wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Nichte le Pen mit dem Kandidaten der Konservativen vorhergesagt und im Osten, wo Parteivize Philippot antritt, gibt es noch viele Unbekannte.
    Nach der ersten Runde hatten die Sozialisten in diesen drei Regionen ihre offiziellen Listen zurückgezogen. Dort lagen sie auf verlorenem Posten, Premier und Präsident münzten die Niederlage in eine "republikanische" Haltung um: "Die Linke hat sich in dieser Woche als besonders würdig erwiesen als es darum ging, sich gegen den Front National zu wehren", sagte Manuel Valls. Seine Partei hofft nun, nach dieser republikanischen und wohl kalkulierten Geste die Verluste in den übrigen der 13 Regionen in Grenzen halten zu können.
    Die Konservativen, die nach dem ersten Durchgang in nur vier Regionen führen, rechnen sich nun deutlich bessere Chancen aus – allerdings mit Schützenhilfe der Sozialisten. "Diese Entwicklung, hin zu einem Vorsprung der Konservativen, kommt einzig und allein daher, dass mehr als einer von zwei Wählern der Sozialisten und ein Drittel der Anhänger von Grünen und Linksfront jetzt die konservative Partei 'Die Republikaner' wählen wird, aber sie tun es schweren Herzens", interpretierte Gael Sliman vom Institut ODOXA die aktuellen Umfragen.
    Konservative könnten stärkste Kraft werden
    So haben die Konservativen ein Problem, Parteichef Sarkozy steckt in Erklärungsnot, aber auch die regierenden Sozialisten. Der Appell an die eigenen Anhänger, in den aussichtslosen Wahlkreisen nun rechts zu wählen, sorgt für Verbitterung an der linken Basis. So weigerte sich im Osten, in der Region Elsass, Lothringen, Champagne-Ardenne, der Ex-Minister Jean-Pierre Masseret, das Spiel mitzuspielen. Masseret tritt gegen den Willen seiner Parteifreunde an, allerdings ohne Parteilogo. "Ich gebe unseren Anhängern die Möglichkeit, Männer und Frauen der Linken zu wählen", verteidigte sich Masseret.
    Er hat viel Mut, sagte diese Anhängerin, er gibt uns die Möglichkeit einen Wahlzettel für die Linke abzugeben, statt einen leeren Wahlzettel. Denn andernorts, in der nördlichen Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie und im Süden, der Region Provence-Alpes-Côte-d'Azur, taucht die Linke auf den Wahlzetteln nun nicht mehr auf, die Basis ist entsprechend verbittert: "Wir haben im ersten Wahlgang eine linke Liste vertreten, ist doch klar, dass wir jetzt im zweiten Wahlgang nicht leichten Herzens die Rechte unterstützen."
    Marine le Pen, die FN-Chefin, begleitete die Wahltaktik der anderen Parteien mit der zynischen Bemerkung, die Spitze der Sozialisten habe ihre Anhänger wie eine Sonnentempler-Sekte zum kollektiven Selbstmord aufgerufen. Aber vieles spricht dafür, dass le Pens Partei nach dem morgigen Wahltag die Position der stärksten Kraft an die Konservativen unter Nicolas Sarkozy abgeben muss.
    Immer mehr junge Franzosen wählen den Front National
    Sarkozy hatte entschieden, dem Front National nicht durch Rückzug von eigenen Listen die Stirn zu bieten. Und er warb in den vergangenen Tagen sogar um Verständnis für die Wähler des FN, die er gewinnen möchte. "Eine Stimme für den Front National ist keine Stimme gegen die Republik", versuchte Sarkozy seine Taktik von der Taktik der regierenden Sozialisten zu unterscheiden.
    Die Anhänger des Front National zeigten sich zwischen Wahlgängen treu und weiter überzeugt vom Angebot der Extremisten: "Da, wo uns sonst niemand versteht, gibt es jetzt einen. Calais gehört wieder uns und nicht den Flüchtlingen", sagte diese Frau gegenüber Reportern des Senders France Info.
    Aber jenseits der simplen Antworten zeichneten die Wahlforscher in dieser Woche zwischen den Wahlgängen eine differenziertere Karte der Wählerlandschaft: So fühlen sich immer mehr junge Franzosen vom Front National angezogen und dabei geht es immer häufiger nicht um Protestwahl, sondern um stabile Anhängerschaft. Allerdings entscheiden sich zwei Drittel der jungen, wahlberechtigten Franzosen für Wahlabstinenz. Manuel Valls schrieb seinen Landsleuten deshalb noch einmal in die Kalender. "Gehen Sie nächsten Sonntag wählen."