Im Südwesten der Ukraine leben viele Minderheiten - die größte unter ihnen ist die der Ungarn. 150.000 sind es etwa - und sie sind gut organisiert. Fast jeder dritte ist Mitglied im ungarischen Kulturverein KMKSZ. In der Ukraine ist er der zweitälteste unabhängige Verein überhaupt, entstanden noch in der Sowjetunion. In der Region Berehowe stellen die Ungarn mit über 70 Prozent sogar die große Mehrheit der Bürger. Deshalb stünden ihnen dort besondere Rechte zu – das bleibe aber Theorie , sagt der Vorsitzende des Kulturvereins Laszlo Brenzowytsch.
"Die entsprechenden Gesetze gibt es, sie werden nur nicht angewandt. So sollten wir eigentlich in Regionen, wo vor allem Ungarn leben, die ungarische Sprache auch offiziell verwenden dürfen - im Rathaus, in der Schule, im Krankenhaus. Ein Gesetz über Regionalsprachen wurde noch unter dem ehemaligen Präsident Janukowytsch verabschiedet. Aber bisher hat der Staat kein Geld dafür bereitgestellt, um das auch zu verwirklichen - heute ebenso wenig wie unter Janukowytsch."
Es ist das Gesetz, das der Oberste Rat, das ukrainische Parlament, unmittelbar nach Janukowytschs Flucht nach Russland aufheben wollte. Der damalige Interims-Präsident weigerte sich damals jedoch, den Beschluss des Parlaments zu unterzeichnen. Er reagierte damit auf die Heftige Kritik aus Russland, das für die russische Minderheit eintrat.
Proteste gegen den Zuschnitt der Wahlkreise
Noch viel schwerer wiegt für Laszlo Brenzowytsch aber die Organisation der Regionalwahl am Sonntag. Die Vereine der Ungarn in der Ukraine protestieren dagegen, wie die Wahlkreise in der südwestlichen Ukraine zugeschnitten sind. Die Region Berehowe mit ihrer ungarischen Mehrheit wird dabei künstlich geteilt und drei verschiedenen Wahlkreisen zugeschlagen. Dabei sollte Berehowe ein Wahlkreis sein, sagt Brenzowytsch, denn so würden die ungarischen Parteien deutlich mehr Abgeordnete ins Bezirksparlament und in die Gemeindeparlamente bringen.
"Die Wahlkommission hat die Aufteilung der Wahlkreise absichtlich an einem bestimmten Samstag beschlossen. Ein hinterhältiges Manöver. Der Beschluss wurde so erst am Dienstag darauf veröffentlicht, nachdem die Widerspruchsfrist schon abgelaufen war. Wir hätten trotzdem gegen die Entscheidung klagen können. Aber ein Gericht, das uns Recht gibt, hätte damit die ganze Wahl in unserem Bezirk gekippt. Das nimmt doch kein Richter auf sich."
In der Wahlkommission sind die ukrainischen Parlamentsfraktionen vertreten. Auch der Block von Präsident Petro Poroschenko, für den Brenzowytsch im Parlament sitzt, stimmte für die Aufteilung der Wahlkreise. Aber warum wollen die führenden ukrainischen Parteien den Einfluss der ungarischen Minderheit klein halten? Sie befürchten eine neue, separatistische Bewegung im Südwesten ihres Landes, heißt es in Kiew. Ungarn hat schon knapp 100.000 Pässe an ukrainische Staatsbürger verteilt - so wie an Mitglieder der ungarischen Minderheit auch in anderen Nachbarländern, vor allem in Rumänien.
Orban gießt Feuer ins Öl
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban goss immer wieder Öl ins Feuer. So verlangte er im Mai des vergangenen Jahres einen Autonomiestatus für die ungarisch dominierten Regionen der Ukraine. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine immer weiter eskalierte und Moskau separatistische Bewegungen in der Ostukraine initiierte. Wolodymyr Arjew, Parlamentsabgeordneter des "Block Petro Poroschenko":
"In Transkarpatien ist auch die ungarische Partei Jobbik sehr aktiv. Das sind Ultra-Nationalisten, die von Russland finanziert werden. Außerdem gibt es in der Region eine kleinere Minderheit der Rusinen, von denen viele der Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats angehören. Auch über sie hat der Kreml versucht, eine separatistische Bewegung zu schaffen."
Trotzdem kann Laszlo Brenzowytsch, der Vorsitzende des ungarischen Kulturvereins, die Aufregung in Kiew nicht verstehen. Den allermeisten Ungarn gehe es keineswegs um eine Abspaltung, sagt er. Sie wollten nur ein etwas größeres Maß an Selbstbestimmung - gerade jetzt, da die Ukraine ohnehin plane, den Regionen und Kommunen mehr Eigenständigkeit zu geben.