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Regionalwahlen in Russland
Putins Machtapparat schränkt politische Konkurrenz ein

Morgen werden in Russland Gouverneure in 22 Regionen gewählt. Auch in der Hauptstadt Moskau mit ihren rund 13 Millionen Einwohnern stehen Bürgermeister-Wahlen an. Die Kremlpartei "Einiges Russland" dürfte nahezu überall und mühelos siegen.

Von Thielko Grieß |
    Wladimir Putin kommt am 18.03.2018 aus der Wahlkabine seines Wahllokals in Moskau, nachdem er seine Stimme für die Präsidentschaftswahl abgegeben hat.
    Er steht diesmal nicht zur Wahl: Dennoch gilt Präsident Putins Partei fast überall als Favorit (AFP / POOL / Yuri Kadobnov)
    Drei Richter des Obersten Gerichts Russlands sitzen auf Stühlen, in deren Rückenlehnen das Staatswappen, der Doppeladler, hineingeschnitzt worden ist. Diese Richter haben über eine Klage Maxim Schewtschenkos zu entscheiden. Er will bei der Wahl am Sonntag für die Kommunistische Partei Russlands im Gebiet Wladimir, das gut drei Autostunden östlich von Moskau liegt, zum Amt des Gouverneurs kandidieren.
    Doch um überhaupt antreten zu dürfen, hätte er den sogenannten "Munizipalfilter" überwinden müssen. Das bedeutet: Er brauchte Abgeordnete kommunaler Parlamente, die ihn mit ihren Unterschriften unterstützen. Aber er hat nicht genügend sammeln können und meint nun, der Machtapparat setze die Abgeordneten unter Druck, damit die nicht für ihn unterschrieben.
    "Viele haben mir gesagt: Wenn wir für Dich abstimmen, wenn wir eine Unterschrift für Dich leisten, wird man uns den Arbeitsplatz wegnehmen oder unsere Unternehmen schließen. Solche Unterschriften hat man uns verboten."
    Ähnliches erklärt eine Zeugin, die von Anrufen aus der örtlichen Verwaltung berichtet. Danach hätten es die meisten Abgeordneten nicht mehr gewagt, sich anders zu verhalten.
    Dieser Fall ist aussagekräftig, weil der Mann, der hier kandidieren will, kein Frontaloppositioneller ist, sondern in vielem Moskaus Politik teilt, etwa die Krim und die Ostukraine betreffend.
    Dass Kandidaten Unterschriften benötigen, gilt seit 2012. Aber selbst die Leiterin der Zentralen Wahlkommission, Ella Pamfilowa, hält dieses Verfahren für eine Verhinderung politischen Wettbewerbs.
    "Krise des politischen Systems"
    Das Hohe Gericht lehnt die Klage nach kurzer Beratung ab. Schewtschenko darf am Sonntag nicht zum Amt des Gouverneurs kandidieren.
    "Dies zeigt im Wesentlichen die Krise des politischen Systems, das Fehlen einheitlicher demokratischer Verfahren im Land. Und das, was in Russland Demokratie genannt wird, ist einfach ein Lügenmärchen."
    Ähnliche Fälle gibt es auch in anderen Regionen Russlands. Das Muster ist bekannt: Vor Wahlen begrenzen der Machtapparat und die Kremlpartei "Einiges Russland" die Konkurrenz, um dem eigenen Kandidaten einen Vorteil zu verschaffen. Gegenkandidaten sind fast immer Mitglieder der Systemopposition, die ihre Rolle meist nur simuliert.
    In der Hauptstadt Moskau gilt die Wiederwahl von Bürgermeister Sergej Sobjanin als sicher. Er kann darauf verweisen, dass die Stadt unter seiner Führung in vielen Bereichen lebenswerter geworden ist. Aber ernsthaftem Wahlkampf muss auch er sich nicht stellen, denn auch in Moskau ist anspruchsvolle Konkurrenz aus dem Rennen ferngehalten worden.
    Putins Popularität gesunken
    Am Sonntag werden landesweit rund 6.000 verschiedene Wahlen durchgeführt: In 22 Regionen geht es um das Amt des Gouverneurs, außerdem sind Parlamente und Vertretungen in anderen kleineren Gebietskörperschaften zu bestimmen. Große Überraschungen sind wegen der Rahmenbedingungen so gut wie ausgeschlossen.
    Dabei findet der Wahltag erstmals seit Langem wieder in einem innenpolitischen Klima statt, das für die Herrschenden nicht nur günstig ist.
    Am vergangenen Sonntag rief die Kommunistische Partei Russlands zu Protesten auf, am Sonntag tut dies Alexej Nawalnyj. Sie alle nutzen den breiten Unmut, den die zurzeit diskutierte Rentenreform auslöst. Das Eintrittsalter soll schrittweise jeweils um fünf Jahre angehoben werden, für Frauen auf 60, für Männer auf 65 Jahre.
    Die Popularität Präsident Putins ist bereits messbar gesunken. Er allerdings hat die Reform verteidigt, argumentiert mit demographischen Zwängen und vorsorgender Finanzplanung. Die Gegner verweisen auf Gelder, die für die Rente eingesetzt werden könnten, wenn sie der Staatskasse nicht durch Korruption verloren gingen.