Letzter Wehrmachtsbericht: "20 Uhr und 3 Minuten. Reichssender Flensburg und die angeschlossenen Sender. Aus dem Hauptquartier des Großadmirals, den 9. Mai 1945: Seit Mitternacht schweigen an allen Fronten die Waffen. Die deutsche Wehrmacht ist am Ende einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen."
"Diese letzte Meldung haben wir zusammen mit der Nachbarfamilie am Radio verfolgt. Und ich erinnere mich noch, wie da die deutsche Nationalhymne noch mal gespielt wurde. Es war eigentlich das Haydnsche Streichquartett, das man da spielte, als Ende und Abschluss des Reiches. Und da erinnere ich mich auch noch, dass die Nachbarin weinte."
Edgar Reitz, am 1. November 1932 geboren, wuchs in dem Hunsrückdorf Morbach auf. Die Eltern - der Vater hatte ein Uhrmachergeschäft, die Mutter war Modistin – beharrten darauf, der NSDAP nicht beizutreten.
"Mein Vater sagte immer, der hat nichts gelernt, und das ist ein Nichtsnutz, und so weiter. Und die sind jetzt alle in der Partei. Die hatten sich da hervorgetan und dicke getan, weil sie sonst eigentlich in diesem Sozialverband dieser Dörfer überhaupt keinen Platz und kein Ansehen sich hätten verschaffen können. Und als Hitlerfunktionäre konnten sie das."
Der Hunsrück lag im sogenannten Westwallgebiet. Als 1940 der Frankreichfeldzug begann, zog die deutsche Wehrmacht mit Panzern und schwerem Gerät durch die Dörfer. Die Offiziere wurden in Privathäusern einquartiert.
"Der Krieg war ja auch voll gefüllt mit so einer verborgenen und zum Teil etwas anarchischen Erotik. Merkwürdigerweise habe ich auch gar nicht Partei ergriffen für die abwesenden Väter, die ja natürlich haufenweise betrogen wurden in dieser Zeit von ihren Frauen. Ein deutscher junger Offizier mit der Uniform der Luftwaffe: Das war das höchste an Sexappeal, was es geben konnte. Und gegen Ende des Krieges, als die deutschen Truppen auf der Verliererseite waren, wandelte sich dieses Bild. Da ging der Sexappeal flöten."
Mit den Luftangriffen der Alliierten kam der Krieg 1942 nach Deutschland.
"Diese letzte Meldung haben wir zusammen mit der Nachbarfamilie am Radio verfolgt. Und ich erinnere mich noch, wie da die deutsche Nationalhymne noch mal gespielt wurde. Es war eigentlich das Haydnsche Streichquartett, das man da spielte, als Ende und Abschluss des Reiches. Und da erinnere ich mich auch noch, dass die Nachbarin weinte."
Edgar Reitz, am 1. November 1932 geboren, wuchs in dem Hunsrückdorf Morbach auf. Die Eltern - der Vater hatte ein Uhrmachergeschäft, die Mutter war Modistin – beharrten darauf, der NSDAP nicht beizutreten.
"Mein Vater sagte immer, der hat nichts gelernt, und das ist ein Nichtsnutz, und so weiter. Und die sind jetzt alle in der Partei. Die hatten sich da hervorgetan und dicke getan, weil sie sonst eigentlich in diesem Sozialverband dieser Dörfer überhaupt keinen Platz und kein Ansehen sich hätten verschaffen können. Und als Hitlerfunktionäre konnten sie das."
Der Hunsrück lag im sogenannten Westwallgebiet. Als 1940 der Frankreichfeldzug begann, zog die deutsche Wehrmacht mit Panzern und schwerem Gerät durch die Dörfer. Die Offiziere wurden in Privathäusern einquartiert.
"Der Krieg war ja auch voll gefüllt mit so einer verborgenen und zum Teil etwas anarchischen Erotik. Merkwürdigerweise habe ich auch gar nicht Partei ergriffen für die abwesenden Väter, die ja natürlich haufenweise betrogen wurden in dieser Zeit von ihren Frauen. Ein deutscher junger Offizier mit der Uniform der Luftwaffe: Das war das höchste an Sexappeal, was es geben konnte. Und gegen Ende des Krieges, als die deutschen Truppen auf der Verliererseite waren, wandelte sich dieses Bild. Da ging der Sexappeal flöten."
Mit den Luftangriffen der Alliierten kam der Krieg 1942 nach Deutschland.
Keine Nacht ohne das Geräusch der Bombengeschwader
"Das drohende Unglück brummte nachts durch den Himmel. Keine Nacht, in der nicht irgendwann das Geräusch der Bombergeschwader über das Dorf zog. Das war ein ganz bestimmter Ton, den man nie im Leben vergisst, weil der auch so was Singendes in sich hatte. Ein Ton mit so harmonischen Obertönen, die sich immer wieder so wellenförmig in so einer Schwebung hielten. Und dieser Geräuschteppich zog über den Nachthimmel, und man ist oft auch, wenn man aufwachte, auf die Straße gegangen, sah manchmal auch die Schatten der Flugzeuge in Mondnächten über den Wolken."
Im April 1945 marschierten amerikanische Truppen in den Hunsrück-Ort Morbach ein. Aus Angst vor Artilleriebeschuss hatten die Dorfbewohner sich drei Tage lang in den Kellern verschanzt.
"Man wartete auf den Krieg. Der Krieg kam aber gar nicht. Und in dieser Stille, an einem Nachmittag, plötzlich fuhr ein amerikanischer Panzer durchs Dorf. Und wie von Geisterhand hing plötzlich eine weiße Fahne am Kirchturm. In wenigen Minuten standen alle Einwohner des Dorfes an der Straße und winkten diesen ankommenden amerikanischen Soldaten zu. Mir wurde dann plötzlich bewusst, dass ich an meiner Mütze noch das HJ-Abzeichen hatte. Und ich rannte wie in Panik in unseren Keller zurück, machte dieses Abzeichen ab von der Mütze und nahm eine Axt und zerschlug es auf dem Boden, bis nichts mehr davon übrig war. Das war mein Abschied auch vom Dritten Reich in diesem Moment."
"Man hatte wirklich damals das Gefühl, die Zeit stünde still. Bis dahin zählte man die Tage und die Wochen, und dann zählte man sie nicht mehr. Das war nicht mehr der soundsovielte Kriegstag, es war nicht mehr... Die Zeitrechnung passte nicht mehr darauf. Es hatte etwas begonnen, von dem es noch keine Zeitrechnung gab."
Im April 1945 marschierten amerikanische Truppen in den Hunsrück-Ort Morbach ein. Aus Angst vor Artilleriebeschuss hatten die Dorfbewohner sich drei Tage lang in den Kellern verschanzt.
"Man wartete auf den Krieg. Der Krieg kam aber gar nicht. Und in dieser Stille, an einem Nachmittag, plötzlich fuhr ein amerikanischer Panzer durchs Dorf. Und wie von Geisterhand hing plötzlich eine weiße Fahne am Kirchturm. In wenigen Minuten standen alle Einwohner des Dorfes an der Straße und winkten diesen ankommenden amerikanischen Soldaten zu. Mir wurde dann plötzlich bewusst, dass ich an meiner Mütze noch das HJ-Abzeichen hatte. Und ich rannte wie in Panik in unseren Keller zurück, machte dieses Abzeichen ab von der Mütze und nahm eine Axt und zerschlug es auf dem Boden, bis nichts mehr davon übrig war. Das war mein Abschied auch vom Dritten Reich in diesem Moment."
"Man hatte wirklich damals das Gefühl, die Zeit stünde still. Bis dahin zählte man die Tage und die Wochen, und dann zählte man sie nicht mehr. Das war nicht mehr der soundsovielte Kriegstag, es war nicht mehr... Die Zeitrechnung passte nicht mehr darauf. Es hatte etwas begonnen, von dem es noch keine Zeitrechnung gab."
Die Amerikaner brachten ein neues Lebensgefühl ins Dorf
Allmählich kehrte der Alltag zurück. Die Amerikaner lebten den Deutschen ein neues Lebensgefühl vor.
"Das waren die Sieger, und diese Sieger hatten natürlich einen gewissen Sexappeal. Man hatte nun plötzlich das Gefühl, mit denen zusammen öffnet sich eine neue Welt. Das war ja nicht nur, was die für Köstlichkeiten zum Essen und zu trinken hatten. Da kam natürlich auch sehr bald die Musik. Aus allen Radios kam nur noch jetzt die amerikanische Musik. Wir waren ganz betört von dem."
Die Begeisterung für das Neue beflügelte die Pläne für die Zukunft. Der Elan, mit dem die Deutschen an den Wiederaufbau ihres Landes gingen, überlagerte bald die Erinnerung an das "Dritte Reich", an Leiden, Schuld und eigenes Versagen. Die seelischen Verletzungen aber blieben – wie eine Wunde, die sich nicht schließt.
"Wir Deutschen haben in unserer Biografie des 20. Jahrhunderts mitten drin eine Lücke. Eine Diskontinuität. Heilen kann man das nicht. Aber man kann es sich bewusst machen. Man kann damit leben lernen."
"Das waren die Sieger, und diese Sieger hatten natürlich einen gewissen Sexappeal. Man hatte nun plötzlich das Gefühl, mit denen zusammen öffnet sich eine neue Welt. Das war ja nicht nur, was die für Köstlichkeiten zum Essen und zu trinken hatten. Da kam natürlich auch sehr bald die Musik. Aus allen Radios kam nur noch jetzt die amerikanische Musik. Wir waren ganz betört von dem."
Die Begeisterung für das Neue beflügelte die Pläne für die Zukunft. Der Elan, mit dem die Deutschen an den Wiederaufbau ihres Landes gingen, überlagerte bald die Erinnerung an das "Dritte Reich", an Leiden, Schuld und eigenes Versagen. Die seelischen Verletzungen aber blieben – wie eine Wunde, die sich nicht schließt.
"Wir Deutschen haben in unserer Biografie des 20. Jahrhunderts mitten drin eine Lücke. Eine Diskontinuität. Heilen kann man das nicht. Aber man kann es sich bewusst machen. Man kann damit leben lernen."