„Also, Herrschaften, das hier ist Emil aus Neustadt. Da drüben sitzt der Schweinehund, der ihm das Geld geklaut hat. Das Geld müssen wir wiederhaben, verstanden?“
Gerhard Lamprechts Adaption von Erich Kästners „Emil und die Detektive“ gilt vielen Kritikern bis heute als beste Verfilmung des Kinderbuch-Klassikers. 1931 kam sie in die Kinos, Billy Wilder schrieb damals das Drehbuch. Lamprechts Interpretation der Abenteuer des zwölfjährigen Emil, dem auf der Zugfahrt nach Berlin die Geldbörse gestohlen wird und dem es mit Hilfe einer Berliner Kinderbande gelingt, den Dieb aufzuspüren, sollte auch international erfolgreich werden:
„Wir nehmen die Verfolgung auf, sobald der Dieb sich rührt. Alle anderen bleiben hier als Bereitschaftsdienst und warten auf weitere Befehle.“
Fast 70 Filme in vier Jahrzehnten
Obwohl Gerhard Lamprecht in mehr als vier Jahrzehnten fast 70 Filme produzierte, zählte er nie zu den ganz Großen seiner Zunft wie Fritz Lang oder Friedrich Wilhelm Murnau. Und er war kein autoritärer, unnahbarer Starregisseur, wie der Filmhistoriker Gero Gandert erfuhr, der ihn in den Sechzigerjahren kennenlernte:
„Ein normaler Regisseur sagt: ‚Bitte Klappe! Kamera läuft!‘ Lamprecht sagte: ‚Bitte das Kläppchen!‘ Er war immer zurückgenommen, immer gedämpft. Er ging sehr auf die Schauspieler ein. Er war beliebt. Also immer, wenn es dazu kam, dass mal ein älterer deutscher Filmstar mit ihm Kontakt hatte, dann merkte man, ‚Lampi‘, so wurde er genannt, wurde geliebt.“
Durchbruch mit der ersten Verfilmung von „Die Buddenbrooks“
Der am 6. Oktober 1897 als Sohn eines Gefängnispastors in Berlin geborene Lamprecht war früh vom Kino fasziniert. Schon als Schüler arbeitete er als Filmvorführer. Mit 16 Jahren verkaufte er sein erstes Filmmanuskript. Mit 22 debütierte er als Regisseur. Sein Durchbruch gelang ihm 1923 mit der ersten Verfilmung von Thomas Manns Roman „Die Buddenbrooks“.
Parallel zu seiner beginnenden Filmkarriere sammelte er alles, was mit Film zu tun hatte. Alte Filmdosen samt Inhalt kaufte er teils kistenweise älteren Schaustellern ab: „Der Film, der drin war, der hatte sich schon zersetzt, die Schicht auf dem Zelluloid. Und ich will es wegwerfen und lese plötzlich auf dem Deckel ‚Le Voyage dans la Lune‘, also ‚Reise nach dem Mond‘. Ich denke, sollte das dieser alte, kostbare Film sein? Ich habe Wochen gearbeitet daran. Also, man kann alte, kaputte Filme absolut retten“, so Lamprecht.
Gero Gandert dazu: „Und er hat ja nicht nur Kopien gesammelt. Er hat Zensurkarten gesammelt, Plakate gesammelt. Er hat diese wunderbaren Kino-Reklame-Dias gesammelt, Architekturskizzen, Standfotos, Werkfotos, Projektoren, Kameras. Eigentlich alles, worin sich Filmgeschichte materialisiert.“
Viele seiner Stummfilme gelten heute als Klassiker
Und er wurde selbst Teil dieser Filmgeschichte. Viele seiner Stummfilme, die Lamprecht im Berlin der Weimarer Republik über den Alltag unterer sozialer Schichten drehte, gelten heute als Klassiker. Er war der erste, der mit Laiendarstellern arbeitete und an authentischen Schauplätzen realistische Milieus – wie etwa die Lebensbedingungen vernachlässigter Kinder – inszenierte.
Während der NS-Zeit wich er zwar auf zeittypische, belanglose Stoffe wie Melodramen oder Musikfilme aus. Doch nach Ende des Krieges gelang Lamprecht 1946 mit dem DEFA-Film „Irgendwo in Berlin“ noch einmal ein künstlerischer Erfolg, der an seine Berliner-Milieu-Filme erinnerte: Er zeigt orientierungslose Kriegskinder, die in den Trümmern der zerbombten Hauptstadt herumstreunen und im kindlichen Spiel versuchen, ihre Traumata zu verarbeiten:
- „Was Besseres fällt Euch wohl nicht ein. Immer nur Krieg und wieder Krieg, Schießen und Kaputtmachen. Was würden denn deine Eltern dazu sagen?“
- „Er weiß nicht, wo seine Eltern geblieben sind.“
- „Er weiß nicht, wo seine Eltern geblieben sind.“
Einzigartige, umfangreiche Sammlung filmgeschichtlicher Artefakte
Die Geschichte der Trümmerkinder traf zwar einen Nerv der Zeit, doch seine letzten sechs Filme fanden immer weniger Interesse. Ab 1955 konzentrierte sich Lamprecht ganz auf seine filmhistorische Arbeit. Seine einzigartige, umfangreiche Sammlung filmgeschichtlicher Artefakte bildete schließlich den Großteil des Grundstocks der Deutschen Kinemathek in Berlin. Gerhard Lamprecht wurde ihr erster Direktor. Zur Eröffnung 1963 warb er in einem RIAS-Interview:
„Wir wollen ja kein totes Archiv sein, sondern wir wollen anregen und belehren. Wir bitten sogar jeden aus dem Publikum, der noch irgendetwas hat, und wenn es das kleinste Programm ist oder Fotos oder so. Das ist uns willkommen, um Lücken zu ergänzen, nicht wahr.“
Gerhard Lamprecht starb 1974 im Alter von 76 Jahren in Berlin. In seinen letzten Lebensjahren hatte er noch ein zehnbändiges Standardwerk zum deutschen Stummfilm vollendet.