Der New Yorker Künstler Julian Schnabel macht sich seit den 90er-Jahren auch immer wieder einen Namen als Regisseur. Er hat Filme über seinen Künstlerkollegen Jean-Michel Basquiat gedreht, über den verfolgten kubanischen Dichter Reinaldo Arenas, über den ehemaligen Chefredakteur der Zeitschrift "Elle", Jean-Dominique Bauby. Er zeigt sie im Moment der Krise, genau wie jetzt Vincent Van Gogh. Er erzählt nicht zum x-ten Mal seine Biografie, sondern versucht zu zeigen, wie van Gogh gedacht, gefühlt, gesehen hat in seinen letzten beiden Lebensjahren in Südfrankreich. Wie schon in seinem Film "Schmetterling und Taucherglocke" setzt er dazu ungewöhnliche, visuelle Mittel ein.
Anders als Van Gogh ist Julian Schnabel als Künstler zu seinen Lebzeiten schon erfolgreich und fördert seit einiger Zeit den künstlerischen Nachwuchs. Letzte Woche hat er in Düsseldorf eine kleine Galerieausstellung kuratiert und nebenbei noch schnell eine eigene Skulptur in der Altstadt aufgestellt. Für das Corsogespräch direkt daneben blieb nicht mehr viel Zeit ...
Junge Künstler unterstützen
Sigrid Fischer: Das ist ja nett, dass Sie junge Künstler wie Denis Adushkin aus Kasachstan mit einer kleinen Ausstellung unterstützen. Hatten Sie als junger Künstler auch Unterstützer?
Julian Schnabel: Nein, als ich jung war, waren die Leute nicht besonders spendabel. Deshalb möchte ich jungen Künstlern eine andere Erfahrung vermitteln, als ich sie gemacht habe. Gut, ich habe ein paar Wochen mit Malcolm Morley gearbeitet. Aber im Allgemeinen haben die Leute einen jungen Künstler 1974 in New York City nicht sehr unterstützt. Aber ich liebe Kunst und bin an der Arbeit von anderen interessiert. Und wenn mich etwas anspricht, auch wenn es meiner eigenen Arbeit gar nicht ähnlich ist, mir aber gefällt und ich etwas dafür tun kann, dann reizt mich das.
Fischer: Aber Sie sind trotzdem erfolgreich geworden, Julian Schnabel, Sie sind ein bekannter Künstler der Gegenwart. Warum hatte Van Gogh zu seinen Lebzeiten kaum Erfolg?
Schnabel: Das war eine ganz andere Zeit. Sie haben den Film ja gesehen, er war offensichtlich nicht gut im Umgang mit Menschen. Außerdem sah das, was er malte, radikal anders aus, als alles, was zu der Zeit entstand. Die Leute haben dem keine große Beachtung geschenkt. Aber: Der Artikel, der über ihn zu seinen Lebzeiten erschienen ist, den haben Toulouse-Lautrec und andere Zeitgenossen gelesen. Also die Leute haben ihn schon wahrgenommen. Außerdem hat sein Bruder ihn ja finanziell unterstützt, er musste also keine Bilder verkaufen. Meine Situation dagegen – es ist lächerlich, das zu vergleichen – aber ich habe damals als Koch und Taxifahrer und alles mögliche gearbeitet, eben weil mich niemand unterstützt hat.
Wer zieht die Strippen?
Fischer: Er war nicht gut im Umgang mit Menschen, sagen Sie. Für viele Künstler ist es schwer, die beiden Seiten zusammenzubringen – die künstlerische und die geschäftliche, sich und seine Kunst vermarkten. Sie kriegen das hin, Julian Schnabel. Liegt das vielleicht an Ihrem familiären Hintergrund? Ihr Vater war Geschäftsmann.
Schnabel: Ich denke, wenn ein Künstler an das glaubt, was er macht und gar nicht anders kann, dann sieht er es als seine Verantwortung an, diese Kunst der Welt zu zeigen. Aber viele Künstler wissen nicht, was sie da draußen erwartet. Also ich hatte keine Ahnung als junger Künstler, welche Dämonen da lauern und wer welche Strippen zieht. Van Gogh sagt im Film: "Ich dachte, ein Künstler muss den anderen beibringen, wie sie die Welt sehen sollen. Aber das denke ich jetzt nicht mehr, jetzt denke ich nur noch über meine Beziehung zur Ewigkeit nach". Was er damit sagt ist, dass es ihm um die Tätigkeit des Malens an sich geht. Und nicht um die Zustimmung von anderen. Das ist das Entscheidende. Man bekommt für das Malen von Bildern keine Oscars, keine Preise. Und die Auszeichnung für einen guten Film ist der Film selbst. Nicht, wie viele Zuschauer er hat. Einige Filme verkaufen ja viele Tickets, so wie McDonalds viele Hamburger verkauft. Aber dann gibt es auch noch das kleine Restaurant, und da ist das Essen gut.
Das Corsogespräch mit Julian Schnabel –
hören Sie hier in englischer Originalversion
Fischer: Mir gefällt Ihr Filmkonzept, dass Sie uns nicht zum x-ten Mal die Biografie von Van Gogh erzählen, sondern dass Sie versuchen, sich in ihn hineinzuversetzen, zu zeigen, was er sieht, und wie er empfindet, was er sieht. Wie sind Sie dahin gekommen, mehr durch seine Bilder oder durch das, was Sie über ihn wissen und gelesen haben?
Eine ganz eigene Dynamik
Schnabel: Meine Beziehung zu Van Gogh ist über seine Arbeit entstanden. Und mit meiner eigenen Erfahrung als Maler kann ich ihn dem Zuschauer näher bringen. Mein Eindruck ist, dass die, die bisher Filme über ihn gedreht haben, sich nicht sehr gut auskannten. Oder sagen wir, Sie hatten einen anderen Blickwinkel als ich. Es ist kein Film über Van Gogh, sondern darüber, wie es ist, Van Gogh zu sein. Man hat das Gefühl, das alles passiert einem selbst, ich habe den Film aus der ersten Person erzählt. Deshalb reden viele Schauspieler direkt in die Kamera, daraus entsteht eine ganz eigene Dynamik. Man kann die Form nicht vom Inhalt trennen. Die Struktur des Films stand vorher fest, aber wir haben nicht geprobt, so dass Dinge auch noch spontan passieren konnten. Das setzt Vertrauen voraus - ein großes Wort. Ich habe Willem Dafoe vertraut und er mir.
Fischer: Willem Dafoe ist die perfekte Besetzung für Van Gogh, ich habe mich gefragt, warum vor Ihnen niemand auf die Idee gekommen ist.
Schnabel: I have no idea.
Fischer: Wenn Sie kaum storyboarden und wenig planen, wie Sie sagen, ist das eine sehr intuitive Art, Filme zu drehen. Ein bißchen wie Malen.
Schnabel: In gewisser Weise ja, sehr sogar. Wenn ich etwas sehe, probiere ich es aus. Zum Beispiel eine gelbe Linse und eine geteilte Diopterblende an der Kamera. Und dann gucke ich, wie das aussieht. Erst dann weiß ich, dass ich es genau so haben wollte. Vorher nicht. Es ist nicht alles vorhersehbar. Man kann einiges planen, aber auf einmal - zum Beispiel, wenn Van Gogh aus der Anstalt raus rennt, die Bäume bewegen sich hin und her, und dann läuft er in seinen eigenen Blickwinkel rein. Das ist nicht unbedingt logisch, aber es drückt seinen Wunsch nach Freiheit und seine Ungeduld aus. Sowas passiert ganz natürlich. Die Leinwand ist wie eine Skulptur, man sitzt da, bereit für diesen Trip, und solche Ideen kommen einem dann. Ich kann es nicht immer erklären, der Zuschauer muss am Ende selbst herausfinden, was das in ihm auslöst.
Scheitern und Zerstörung
Fischer: Van Gogh sagt im Film den Satz: "Zu einem erfolgreichen Bild gehören Scheitern und Zerstörung." Stimmen Sie, der Künstler Julian Schnabel, dem zu? Ist das auch Ihre Erfahrung?
Schnabel: Ja, es gehört viel Scheitern und Zerstörung dazu, um an die Schwelle eines erfolgreichen Bildes zu gelangen. Wie dem auch sei. Es kommt immer drauf an, es ist eine Frage der Bearbeitung. Man probiert etwas aus, das nicht gelingt. Er sagt ja auch, dass Bilder in klarer Gestik gemalt werden müssen, und ich glaube, ein gewisses Tempo ist dabei hilfreich. Aber letztlich geht es ums Sehen. - Wir müssen jetzt wohl aufhören.
Fischer: Okay, eine letzte Frage hätte ich noch: Interessiert sich eigentlich Ihr Präsident für Ihre Kunst oder für die von Ihren Künstlerfreunden? Sieht man ihn mal in Ausstellungen?
Schnabel: Ich habe nichts über ihn zu sagen.
Fischer: Nothing?
Schnabel: I don't want to talk about him.
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