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Reihe: Backstuben fürs "Brot des Lebens"
Gläserne Bäckerei fürs fromme Produkt

Nach katholischem Glauben wird der Leib Christi aufgenommen, wenn den Gottesdienstteilnehmer die Hostien gereicht werden. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Herstellung des sogenannten "Brot des Lebens". Im Wallfahrtsort Kevelaer werden jährlich zehn Millionen Hostien hergestellt.

Von Klaus Lockschen | 23.03.2018
    Eine Frau steht in einem weiß gekachelten Raum an einem Fließband und sortiert Hostien
    Hostienherstellung in Kevelaer (Deutschlandradio / Klaus Lockschen)
    "Hostienbäckereien hat's ungefähr 40, wobei 35 in Klöstern sind. Und dann gibt's fünf oder sechs Familienbetriebe. Das sind also Familien, manche machen das aus Tradition schon über mehrere Generationen hinweg".
    Thomas Held ist einer derjenigen, die das "Ferrum oblatorium", das Hostieneisen, außerhalb von Klostermauern auf Backtemperatur bringen. Das war einmal anders. Als der gläubige Katholik noch mit der Gemeinschaft "Brot des Lebens" im münsterländischen Kloster Vinnenberg zusammenlebte, war es dort seine Aufgabe, Hostien zu backen. 2005 verließen allerdings die letzten Benediktinerinnen altersbedingt ihr Kloster, und damit stand auch für den heute Mittfünfziger nebst Familie eine Neuorientierung an.
    "Unser Anliegen war damals, das, was in den Klöstern verborgen geschieht - das machen die ja nicht freiwillig, dass sie das verbergen, aber weil man da halt nicht reinkommt, weil das ihr eigener Arbeits- und Lebensbereich ist der Schwestern - wir haben uns gesagt, wir wollen das nach außen bringen zu den Leuten, damit die Leute, die da Interesse haben, das mal angucken können".
    "Uns war es wichtig, dass wir nah am Wallfahrtszentrum sind"
    Eine gläserne Hostienbäckerei sollte entstehen. Backen und Bestaunen. Auch wenn der Besuch in einer Hostienbackstube nicht zu vergleichen ist mit einer Werksbesichtigung bei Bahlsen. Die Angebotspaletten sind einfach zu unterschiedlich.
    Wohin? Die Entscheidung fiel auf den Wallfahrtsort Kevelaer am linken Niederrhein.
    "Uns war es halt wichtig, dass wir nah am Wallfahrtszentrum sind. Wir sind jetzt praktisch 150 Meter von der Gnadenkapelle entfernt. Also offiziell gibt's hier 800.000 Pilger, die hier jedes Jahr nach Kevelaer pilgern".
    Die Banken zu überzeugen, war nicht einfach. Pizzerien oder Cafés zu eröffnen, ja - aber einen Businessplan für dieses spezielle Backwerk aufzustellen? Da mangelt's an Vergleichen. Schließlich gab es doch grünes Licht für die Finanzierung. 500 Quadratmeter inmitten der Innenstadt wurden von Thomas Held, der auch eine Schreinerausbildung hat, saniert.
    Wasser und Mehl - sonst nichts für die Hostie
    Im Oktober 2009 wurde dann die erste Hostienplatte dampfend aus dem Backeisen genommen. Hergestellt auf Maschinen, die schon im Münsterland genutzt worden waren.
    "Das Hostienbacken an sich ist ein relativ - also ich persönlich, finde es - ein schwieriges, ein nervenaufreibendes Geschäft. Würde man nicht meinen. Aber wenn man nur aus Wasser und Mehl ein Produkt herstellen muss ohne Lecithin, ohne andere Zusatzstoffe, das ist nicht einfach".
    Das katholische Kirchenrecht verlangt es aber so. Gebacken wird in mehreren nebeneinanderliegenden Räumen, die zu einem Flur hin mit vom Boden zur Decke reichenden Glaswänden optisch geöffnet sind. Alles makellos weiß - so, als würde es sich um medizinische Behandlungszimmer handeln. Frischer Waffelduft liegt in der Luft.
    "Als erstes haben wir 'nen alten Teigmixer, der ist schon 50 Jahre alt. Der mixt also Wasser und Weizenmehl zu einem dünnflüssigen Teig. Den Teig kann man sich vorstellen wie so einen Pfannkuchenteig, so dünnflüssig".
    200 Liter, halb Wasser, halb Mehl, werden täglich zusammengerührt. In 50 Liter-Rollbehältern geht's damit ans Herzstück der Anlage, die Hostienbackmaschine. 1,50 lang, 1,70 hoch. Darin rotieren langsam zwölf Backeisen auf Schienen. Das Typenschild mit einer dreistelligen Postleitzahl lässt das ungefähre Alter erahnen. Auf der Maschine steht ein Kruzifix.
    "Das erinnert uns daran, dass wir Hostien herstellen, die später in der Messe Leib Christi werden".
    Eine Kolbenpumpe spritzt den Teig auf die Backeisen. Es dampft.
    "Die Backeisen kann man sich vorstellen wie Waffeleisen, mit denen man zuhause Waffeln macht. Die Waffeleisen zuhause sind rund und haben Pyramiden- und Herzchenmuster, bei uns sind sie rechteckig und glattgeschliffen".
    Weniger Kirchgänger, weniger Hostien
    Nach zwei Minuten bei 185 Grad hat die etwa DIN-A4-große Hostienplatte die richtige Farbe erreicht und wird mit Handschuhen entnommen.
    "Schmeckt wie ein Butterkeks ohne Butter und ohne Zucker".
    Die Platte ist für die direkte Weiterverarbeitung noch zu knusprig. Senkrecht in Drahtgestellen gelagert wie Schallplatten in den fünfziger Jahren, geht es für Stunden erst einmal in einen Raum mit tropischer Luftfeuchte.
    "Gehen wir weiter. So, hier, das ist also unser Hostienbohrer. Die kommen jetzt in so einen Holzrahmen rein".
    50 Platten übereinandergelegt werden vom Hohlbohrer ausgebohrt, ähnlich einer geologischen Bohrung. Der Bohrkern sind die Hostien. Die Bohrungen möglichst nah aneinander.
    "So eng kann man nur von Hand bohren. Wenn man das jetzt automatisieren würde, so etwas, dann bräuchte man größere Abstände".
    Zum Schluss das Sortieren.
    "Wir bringen hier die Hostien über so ein Lochblech. Die Krümel und die Stäube fallen durch die Löcher durch, und alle, die kaputt sind, die werden dann von Hand aussortiert".
    Etwa zehn Millionen Stück jährlich stellt Thomas Held mit seiner vierköpfigen Belegschaft her. Aber das fromme Geschäft ist tendenziell vom Niedergang gezeichnet. Kirchenaustritte, Gemeindefusionen lassen die Nachfrage schrumpfen. Und ausländische Konkurrenz produziert oft kostengünstiger. Ohne die jährlich 10.000 Besucher und deren Eintritt wäre die Bäckerei nicht zu halten, so Held, der keine Umsatzangaben machen möchte. Wallfahrer verirren sich zu seinem Leidwesen allerdings kaum hierher.