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Reihe Einheitscheck
Jungunternehmer zwischen Ost und West

Peter Naumann hat zwei Jobs. Nicht wegen des Geldes - ihn treibt die innere Unruhe an, die unternehmerische Leidenschaft. Um diese auszuleben, zog er in den Westen - und fand einen beruflichen Ziehvater, den es nun vielleicht in den Osten zieht.

Von Anke Petermann |
    Es ist Wochenende, aber Peter Naumann hat schon früh am Morgen die Dichtung der Kaffeemaschine im Café Ginkgo erneuert. Das helle, moderne Lokal bringt ungewohnt urbanes Flair ins rheinhessische Worms. Die Wartung der Kaffeemaschine hat sich gelohnt, funktioniert einwandfrei, freut sich der maschinenkundige Gastronom.
    "Ich war nie so der Servicemensch, der das Tablett rausgetragen hat, ich hab immer die Küche geschmissen, das mache ich heute noch. Ich glaube, ich weiß, was ich meinen Mitarbeitern zumuten kann und was nicht."
    Peter Naumann nutzt das Wochenende auch, um sich Bewerber anzuschauen.
    "In der Küche war jemand zum Probearbeiten da. Dann ist 'ne Küchenkraft da, dann bin ich mit da. Und ich guck' über die Schulter, führe nebenbei Gespräche. Ich gucke mir an, wie strukturiert sich jemand in der Küche ... sieht er die Arbeit, da gibt es einige Kriterien, die man bewerten kann am ersten Tag."
    "Das Unternehmertum im Blut"
    Was den Mittzwanziger antreibt, neben seiner Vollzeitstelle als Ingenieur und Testfahrer bei Opel Rüsselsheim Personalgespräche mit Küchenkräften zu führen, in seiner Freizeit? "Ich hab' das Unternehmertum im Blut", sagt Peter Naumann. Er sieht Arbeit, wo sie sich bietet, das steht fest. In Jeans und gebügeltem Hemd, mit dunkelrandiger Brille wirkt er älter als 25. Von wem er das Manager-Gen hat? Naumann zuckt die Schultern. Von seinen Eltern auch finanziell unabhängig zu sein, war ihm schon als Teenager wichtig, dem Spross aus christlich-konservativem Haus.
    Die Mutter kommt aus einer Pfarrersfamilie. Mit 15 betrieb Naumann Akquise für sein Online-Portal und schaffte es, einen Termin mit drei Führungskräften der Thüringer Burger King-Holding zu bekommen. Großer Auftritt in der Weimarer Filiale.
    "Ich kam von der Schule und hatte meinen C&A-Nadelstreifen-Anzug an und meine Nicht-Echtleder-Tasche, unterm Arm und den Laptop und wollte Werbung verkaufen. Die Herren saßen da zu dritt im Besprechungsraum, der Geschäftsführer, der Marketingleiter und der Leiter der Filiale in Weimar waren zugegen, und sie sagten, ja, dann fangen Sie mal an."
    Ab in den Westen
    Die Burger-Manager ließen Naumanns Online-Portal durchfallen, drei Jahre später wurden sie Kunden. Doch da war der Abiturient schon im Aufbruch. Aufgewachsen im frisch vereinten Deutschland sah er die Chancen der neuen Republik vor allem im wirtschaftlich prosperierenden Westen. Dass er zum Maschinenbau-Studium ins hessische Gießen zog, daran hatte vielleicht auch ein neuer väterlicher Freund aus dem Westen Anteil. In einer Weimarer Bar hatte der Thüringer Naumann den Niedersachsen Jens Christian Saalfeld kennengelernt. Der Unternehmer erkannte das kaufmännische Talent des 27 Jahre Jüngeren.
    "Als ich ihn kennengelernt hab', da war ich bass erstaunt, ja. Er hat diesen Willen gehabt, sich nach vorne zu bringen, zu verändern, er hat sehr zielstrebig studiert. Und ich denke mal, das sind Charakterzüge. Und diese Charakterzüge hat er natürlich weiterentwickelt. Und er hat Glück und gute Ziehväter gehabt. Das ist der Grundbaustein. Seine jetzige Zielstrebigkeit ist seine Zielstrebigkeit."
    Saalfeld holte den Studenten kurze Zeit später mit in sein Café-Projekt im rheinland-pfälzischen Worms. Das stand damals kurz vorm Scheitern.
    "Da der Peter formuliert hat, das würde mich mal interessieren, da kann ich lernen - da hab' ich mir so überlegt, da kann er vor allem seinen Charakter entwickeln und seine Stärken und sein Wissen – man wird ja nicht dümmer, wenn man etwas tut. - Und dann habe ich mir das überlegt und hab´gedacht, das ist 'n Weg."
    120-Stunden-Woche
    Heute ist Saalfeld als Unternehmer in Bonn tätig, ins Ginkgo kommt er nur sporadisch. Sein Freund und Geschäftspartner Naumann ist also tagsüber Opel-Ingenieur, abends und an Wochenenden Café-Betreiber.
    "Ich sag mal so, wenn die Arbeitswoche 120 Stunden hat, dann teilt sich das wahrscheinlich in etwa durch zwei. Ich will gar nicht sagen, was der Hauptjob ist."
    Was den Jungunternehmer zur Dauerarbeit treibt, ist der Wille, ein Stadtbild mitzuprägen, die Lust an neuen Projekten und vielen Kontakten. So war das damals in Weimar, so ist es heute in Worms. Seine Eltern hat Naumann in diesem Jahr noch nicht besucht. Die alten Freundschaften bröckeln. An manchen Bekannten und Verwandten im Osten stört den Weltenwechsler eine Art Schicksalsergebenheit.
    "Ich weiß nicht, ob das systembedingt ist oder ob das auch dem Hintergrund jeder einzelnen Familie geschuldet ist. Aber wo andere sagen, 'wir probieren mal, wir packen's mal an', höre ich sicherlich auch mal im näheren Familienumfeld: 'Nee, das kannst´e doch nicht machen, das darf man nicht, das ist doch nicht in Ordnung.' Also, ich hab´ schon das Gefühl, dass da noch gewisse Nachwehen vorhanden sind."
    Am nächsten fühlt sich der Emigrant denen, die auch aus Weimar weggegangen sind. Zurückkehren? Keine Option mehr. Weimar bleibt Heimat, Worms ist das neue Zuhause. Kompagnon Saalfeld dagegen denkt allmählich über seinen späteren Alterssitz nach. Und sagt: bloß keine trendige Metropole. Aber die Kulturstadt Weimar – warum nicht?