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Reihe "Fachkräfte auf Wanderschaft"
Australien: Traum- und Albtraumland für Arbeitsmigranten

Eigenwerbung hat Australien nicht nötig: Viele Menschen zieht es auf den fünften Kontinent, auch zum Arbeiten. Besonders gut qualifizierte Fachkräfte sind dort willkommen. Doch trotz guter Voraussetzungen ist längst nicht jede Arbeitsmigration eine Erfolgsgeschichte.

Von Andreas Stummer |
Ein Truck fährt über eine staubige Straße in Australien.
Lastwagenfahrer verdienen in Australien bis zu 80.000 Euro im Jahr (imago images / imagebroker / Paul Mayall )
Ein typischer Freitagnachmittag in der Notaufnahme des Base-Krankenhauses von Port Maquarie, etwa auf halbem Weg zwischen Sydney und Brisbane. Ein Kinderarm muss gegipst werden, eine Rentnerin hat Herzbeschwerden und Klempner Bill Pope hat sich beim Einbau eines Boilers den Rücken mit heißem Wasser verbrüht. Die Patienten sind Einheimische, Frank Pascoe, der Chefarzt aber ist Neuseeländer. Ein Arbeitsmigrant, der vor einem Jahr mit Familie und Hund vom Norden Neuseelands an die australische Ostküste gezogen ist.
"Ich wollte verstärkt im Notaufnahmebereich arbeiten. In Australien gibt es mehr Patienten, mehr Krankenhäuser und die Bezahlung ist besser als in Neuseeland. Man muss allerdings bereit sein, auch auf dem Land zu arbeiten oder kürzer befristete Stellen anzunehmen. Wer flexibel ist, wird dafür auch finanziell entschädigt."
Fast die Hälfte des Gesundheitspersonal kommt aus dem Ausland
Ob Pfleger oder Doktoren: Laut Ärztekammer kommt fast die Hälfte des Personals im australischen Gesundheitswesen aus dem Ausland. Der Anästhesist Doktor Jeremy Ho stammt aus Singapur. Der Lärm, der Verkehr, die Großstadt: seiner jungen Familie fiel dort in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung die Decke auf den Kopf.
Im 45.000 Einwohner kleinen Port Maquarie haben sie ein Haus mit Garten und nur fünf Minuten zum Strand.
"Meine Frau und meine Tochter lieben es hier. Wir gehen wandern, schwimmen im Meer oder machen Ausflüge ins Grüne. In Singapur hätte ich mehr verdient, aber meine Familie hätte nicht diesen Lebensstil. Wir würden es sofort wieder tun und wollen nicht wieder weg."
Eine Pflegekraft misst den Blutdruck eines Patienten. Von beiden sind nur die Hände und Arme zu sehen.
Fachkräfte auf Wanderschaft
Fachkräfte werden mittlerweile in vielen Berufen gesucht und auch gezielt aus dem Ausland angeworben. Doch der Weg in den Arbeitsmarkt ist weder für Hochschul- noch für Berufsabsolventen leicht.


Australien hat eine strikte Migrationspolitik. Wer gebildet ist, qualifiziert, in Mangelberufen von IT über das Ingenieurwesen bis zum Handwerk gebraucht wird und sich zu den freiheitlich-rechtlichen Werten des Landes bekennt, ist willkommen, nicht aber wer nur ins Sozialsystem einwandern will. Eigenwerbung hat Australien nicht nötig, Interessenten gibt es mehr als genug. Trotzdem ist längst nicht jeder Arbeitsmigrant eine Erfolgsgeschichte.
Vom Allgemeinmediziner zum Taxifahrer
Die Taxischlange am Flughafen Sydney. In einem der Wagen wartet Nasir Baig auf seine nächste Fuhre. Nicht gerade die Zukunft, die sich der 52-jährige Allgemeinarzt vorgestellt hat, als er vor drei Jahren seine Praxis in Pakistan zusperrte und eine in Australien eröffnen wollte. Auf seine Zulassung wartet er noch immer, sein Englisch sei zu schlecht, heißt es, seine Ausbildung unzureichend.
"Ich habe alle Auflagen der Ärztebehörde erfüllt – trotzdem muss ich weiter ein Taxi fahren, um meine Familie ernähren zu können."
Ein starker Finanzsektor, Gesundheits- und Sozialfürsorge, ein hohes Lohnniveau und eine stabile Arbeitslosenquote. Australiens Wirtschaft wächst seit 30 Jahren. Damit das auch so bleibt, werden ausländische Fachkräfte gebraucht, aber auch Arbeiter, die bereit sind, im tiefsten Outback mit anzupacken. Vor allem im Bergbau. Angelockt auf internationalen Messen oder durch Industrie-Werbekampagnen.
Die zwei Klassen der Arbeitsmigranten
Kohle, Eisenerz, Gold oder Uran, Kumpel und Lastwagenfahrer, die 80.000 Euro im Jahr verdienen: Der Rohstoff-Boom hat Minenkonzerne und Arbeitsmigranten reich gemacht. In Niedriglohnbereichen aber werden Gastarbeiter in Australien oft ausgenutzt, unterbezahlt und schlecht behandelt.
"Warum bin ich nur hierhergekommen ohne meine Familie?", fragt sich Ming Bao, ein 22-jähriger Erntehelfer aus Hongkong, "Ich bin in Australien, aber ich habe nichts."
Ming pflückt Gurken auf einer riesigen Gemüsefarm in Queensland. Statt umgerechnet zwölf Euro Mindestlohn die Stunde, bekommt er nur sieben. Tausenden, vor allem asiatischen Hilfsarbeitern auf Obst- und Gemüsefarmen oder in Hühnerfabriken, geht es ähnlich.
Für Arbeitsrechtlerin Joanna Howe eine nationale Schande.
"Schuld sind betrügerische Leiharbeiterfirmen, die wehrlose Arbeiter unzählige Überstunden machen lassen und große Teile ihres Lohns einbehalten. Die Betriebe sehen bei dieser Ausbeutung weg. Das ist ein Australien, für das ich mich schäme."
Neue Behörde soll Schlupflöcher für Arbeiterausbeutung schließen
Ohne Arbeitsmigration würde Australien keine schwarzen Zahlen schreiben, doch zwischen A für Arzt und Z für Zeitarbeiter liegen buchstäblich Welten – und jede Menge Schlupflöcher. Die will die Regierung jetzt schließen, eine eigene Behörde soll Lohnniveau, Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsvermittler kontrollieren - vor allem bei niedriger bezahlten Jobs. Denn jede Art von Arbeit sollte sich in Australien auch für jeden lohnen.