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Reihe Isolationsfutter
Einsam in der Masse: Traumjob DJ

Sehnsuchtsort: Club, Traumjob: Plattenauflegen und die Einsamkeit des DJs – Themen, die Hans Nieswandt in seinem Buch "Plus minus acht" verhandelt. Der DJ erzählt von guten Frühstücken, schlechten Nächten und summenden Körpern.

Von Anja Buchmann |
"DJs bei der Arbeit haben ständig etwas zu tun: Sie durchwühlen ihre Platten. Sie drehen Platten scheinbar sinn- wie endlos immer wieder vor und zurück. Vor und zurück. Vor. Und zurück. Kreative Arbeit? Künstlerische Notwendigkeit? Gewiss, gewiss. Aber diese Betriebsamkeit hat noch einen anderen Grund: DJs wünschen, in Ruhe gelassen zu werden." Aus: "Plus minus acht - DJ Tage DJ Nächte" von Hans Nieswandt.
Hans Nieswandt: "Ich bin Hans Nieswandt, ich bin DJ, Plattenproduzent, Autor und habe in all diesen Tätigkeitsfeldern immer wieder sehr viel mit dem Thema Einsamkeit zu tun, auf eine positive Weise, wie auch auf eine sehr negative Weise."
Also beim Schreiben und Musikproduzieren ist das sehr klar, dass man das zurückgezogen macht..."
...wenn man nicht mit einer ganzen Band ins Studio geht, sondern seine Platten und Tracks zuhause produziert.
Hans Nieswandt: "Beim Plattenauflegen ist es ein bisschen paradox, weil es da diese eigenartige Situation der totalen Einsamkeit innerhalb der totalen Geselligkeit gibt."
Gedankliche Isolation
Eigentlich schwer vorstellbar: Der oder die DJ ist doch ein Inbegriff des Partylöwen, steht ständig in Kontakt mit Leuten, wird nach Musikstücken gefragt, wird angeflirtet. Aber es gibt eben auch einen notwendigen Rückzug beim Auflegen und Mixen, so Hans Nieswandt:
"Man fällt einsame Entscheidungen, man befindet sich auch auf eine komische Weise in einem einsamen Gedankenraum, weil man nicht wie alle anderen Leute die Musik hört, die gerade läuft, sondern die Musik, die in einigen Minuten laufen wird. Und natürlich auch die, die gerade läuft. Aber durch diese Gehirnbelastung – eben die aktuelle Jetztzeit und die Zeit in drei Minuten parallel zu bearbeiten – kommt man in so eine gedankliche Isolation."
Und so beschreibt der frühere Spex-Redakteur in "Plus minus acht" die konzentriert-abgeschiedene Arbeit in Clubs, mit all ihren skurrilen und im Rückblick witzigen Erlebnissen und Begegnungen, die nicht nur glamourös sind, etwa wenn man um sein Geld geprellt wird oder doch lieber Kylie Minogue als House-Music erwartet wird.
Einsamkeit als Daunendecke
Ein Einblick in die Arbeit der Menschen, die ein Inbegriff für Hipness zu sein scheinen. Auch wenn das Buch nun schon knapp 20 Jahre alt ist - manche Dinge sind auch heute nicht anders: Etwa die Situation am frühen Morgen, beim Frühstück im Hotel, nach einer Nacht des Auflegens:
"Es ist höchst irreal, wie ein Traum, das hat auch was damit zu tun, dass der ganze Körper ein bisschen summt von der Musik und von dem Stress, von dem man runterkommt. Alles ist gedämpft – ich find es toll, weil in diese Form von Einsamkeit kann man sich wirklich einhüllen wie in eine Daunendecke."
"Das Frühstück im noch menschenleeren Frühstückssaal großer Hotels oder auch in Kleinstadtpensionen mit intimem Flair ist wie ein kleiner Tod und gehört zu den geheimen Momenten des DJ-Lebens."
"Plus minus acht – DJ Tage, DJ Nächte" von Hans Nieswandt, Housemusic-DJ ist gerade in der Zeit der reduzierten sozialen Kontakte ein empfehlenswertes Buch. Denn: Man begibt sich zumindest in der Fantasie wieder in belebte Clubnächte. Und erfährt gleichzeitiges einiges über die Einsamkeit der DJs.
Hans Nieswandt: "Plus minus acht - DJ Tage, DJ Nächte"
KiWi-Verlag Köln, 2002. 224 Seiten, 8,49 Euro (als E-book).
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