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Reihe "La France Littéraire"
Die Literatur-Vorkoster in Paris

Wer entscheidet eigentlich, welche französischen Bücher ins Deutsche übersetzt werden? Eine wichtige Rolle spielen dabei die Pariser Literatur-Scouts. Sie sondieren für ihre deutschen Auftraggeber schon Werke, die in Frankreich noch gar nicht erschienen sind.

Von Christoph Vormweg |
    "Mein Name ist Hella Faust. Ich bin Literatur-Scout in Frankreich. In meinem Fall arbeite ich für Verlage in Deutschland, Italien, Schweden und anderen Ländern. Wir beobachten die französische Literaturszene und versuchen Autoren zu finden, die ins Verlagsprofil unserer ausländischen Kunden passen. Wir sind so zwischen dem Kopfjäger und dem literarischen Berater."
    Ganz oben in Hella Fausts Trophäensammlung thront Goldesel Michel Houellebecq. Sein Romandebüt "Ausweitung der Kampfzone" entdeckte sie damals in der Talentschmiede von Maurice Nadeau für den Dumont Verlag. Heute arbeitet sie für Hanser. Auch da konnte sie 2016 punkten, als sie Christophe Boltanskis ersten, jetzt auf Deutsch erscheinenden Roman "Das Versteck" vermittelte - und zwar bevor er den wichtigen Prix Fémina erhielt. So musste der Hanser Verlag nicht mehr an der Versteigerung der Lizenzrechte teilnehmen, die ihn viel teurer gekommen wäre.
    "Wir fangen in der Regel schon im April/Mai an, diese Titel zu prüfen, manchmal noch früher. Das hängt davon ab, wie zeitig die französischen Verlage die Texte auch herausgeben. Und das ist eben ein Aspekt unserer Arbeit, dass wir halt die Kontakte pflegen zu den französischen Verlagen, sie besuchen gehen oder sie anrufen, unser Netzwerk aufbauen, die Lektoren kennen bzw. die Personen, die in den Lizenzabteilungen arbeiten, und dass wir halt uns auf dem Laufenden halten, was demnächst erscheinen wird und auch versuchen, so schnell wie möglich an die Texte heranzukommen, sie zu prüfen und sie zu beurteilen."
    Herbst ist Jagdsaison
    Der Höhepunkt des Jahres ist die sogenannte "rentrée littéraire" Ende August, wenn die Jagd auf die großen Literaturpreise im Herbst beginnt.
    "Ich heiße Valentine Spinelli und habe nach einigen Jahren im Verlagsgeschäft zusammen mit Pauline Buisson V&P SCOUTING gegründet, eine literarische Scouting-Agentur für den französischen Markt. Wir arbeiten seit September 2015 mit dem Deutschen Taschenbuch Verlag zusammen. Da wir zu zweit sind, können wir uns die Lektüre aufteilen. Aber man muss Prioritäten setzen. Ganz oben stehen die Debüt-Romane, die für das Ausland in Frage kommen, dann die großen Autoren, um die man nicht herum kommt. Zwischen Mai und September schaffen wir es so nach und nach, die 600 Romane in uns hinein zu stopfen."
    600 Romane, die am Ende der Sommerferien auf einen Schlag den französischen Buchmarkt fluten: Die Literatur-Scouts sind hier die Trüffelschweine des internationalen Literaturaustauschs. Wollen sie überleben, brauchen sie einen siebten Sinn für die Chancen oder die Unvermittelbarkeit eines Buchs auf dem ausländischen Markt. Pauline Buisson von V&P Scouting:
    "Das Scouting wird auf eine Art entlohnt, die unsere Neutralität garantiert. Das heißt: Wir arbeiten für jeden Verleger pro Land exklusiv und werden mit einem monatlichen Fixgehalt honoriert. Wir sprechen ein bisschen Deutsch, wir verstehen es. Aber der Austausch findet hauptsächlich auf Französisch statt. Die Mitarbeiter, die bei dtv für den Ankauf französischer Bücher zuständig sind, sprechen zum Glück Französisch. Wir tauschen uns regelmäßig aus. Jedes Mal, wenn wir Vorschläge schicken, kommen Lektüre-Eindrücke zurück. Der Verleger liest, wir diskutieren darüber. Und auf dieser Grundlage können wir unsere Vorschläge verfeinern."
    Persönliche Vorlieben bleiben im Hintergrund
    Neben sexlastigen Skandalautoren wie Michel Houellebecq und Catherine Millet verkaufen sich auch gehobene Unterhaltungsautoren gut, die von den großen Feuilletons meist übergangen werden: zum Beispiel Anna Gavalda oder Guillaume Musso. Immer wichtiger wird auch der zweite Veröffentlichungsschub im Januar jedes Jahres, während der sogenannten "rentrée de janvier". Zu dieser Zeit publizieren viele bereits etablierte Autoren, um bei der zweiten Welle der kleineren Literaturpreise zu punkten. Kommt es bei einem Titel, der gewinnt, zur Versteigerung, sind die Scouts erneut gefragt. Denn nicht hinter jedem Preisträger steht auch ein Buch, das in Deutschland markttauglich wäre. Hella Faust:
    "Es ist dann halt oft eine Gratwanderung auch zwischen persönlichen Vorlieben und dem, was hier offensichtlich Erfolg hat - dann muss man ein gewisses Flair vielleicht auch entwickeln für Titel, die erfolgreich sein könnten, auch wenn man es persönlich vielleicht jetzt nicht so toll findet. Also, das ist so eine Mischung aus allem. Meine Richtlinie oder mein roter Faden ist das Profil der Verlage."