"Achtung, Achtung, meine Damen und Herren! Sie hören eine Aufnahme der Feierlichkeiten am Verfassungstage der Deutschen Republik, aufgenommen vor dem Reichstagsgebäude." Was Alfred Braun hier stolz verkündete, war keine Selbstverständlichkeit.
Erst seit 1923 war das junge Medium Radio regulär "auf Sendung" und kannte zunächst nur Übertragungen aus geschlossenen Räumen. Der Schauspieler Alfred Braun war schon ein Jahr später angeheuert worden, um eine "Hörbühne" einzurichten, sprich: Theaterstücke für das Radio umzusetzen, was er auch mit großer Begeisterung und einigem Erfolg tat.
Älteste Hörfunkreportage
Richtig populär wurde er jedoch, als er sich unters Volk mischte: "Ich ging also zu meiner Direktion und sagte: Ich möchte mal rausgehen mit dem Mikrofon. Um Gottes Willen, wo wollen Sie denn hin, haben die ganz entsetzt gefragt."
Der technische Fortschritt, sprich: die Erfindung des mobilen Mikrofons, machte es möglich. Alfred Braun brachte den Menschen die Welt in die Wohnstube, sei es vom Fußballplatz aus oder vom Rand des Trauerzuges für Außenminister Gustav Stresemann im Jahr 1929, der ältesten deutschen Hörfunkreportage, die bis heute erhalten geblieben ist.
"Aus der Ferne hören Sie jetzt schon die Trauermusik, die dem Sarg voranschreitet. Die Spitze des Zuges ist nämlich eben von den Linden in die Wilhelm-Straße eingebogen und die ersten voranreitenden Polizisten nähern sich bereits dem Palais des Reichspräsidenten."
"Aus der Ferne hören Sie jetzt schon die Trauermusik, die dem Sarg voranschreitet. Die Spitze des Zuges ist nämlich eben von den Linden in die Wilhelm-Straße eingebogen und die ersten voranreitenden Polizisten nähern sich bereits dem Palais des Reichspräsidenten."
"Gymnastik durchs Mikrofon mit den Hörern"
Alfred Braun konnte beides: staatstragend und launig sein – und erfand so nebenbei auch das Mitmachradio: "Als ich an einem Morgen im Redaktionsbüro erschien und sagte, ich möchte im Sommer Gymnastik durchs Mikrofon mit den Hörern treiben – ein sehr bedenkliches Gesicht – und schließlich sagte man mir: Ja, mein lieber Gott, wenn es nüscht kostet, wenn Sie wollen, bitte."
Am Klavier saß dann für zehn Mark pro Tag der später berühmte Komponist Theo Mackeben. Braun: "Und das war ein solcher Erfolg – ich wusste von Gymnastik nüscht mehr als was ich von der Schule her wusste oder von irgendeinem Kursus – und die Presse nahm gleich sehr lebhaft Notiz davon, weil es ersichtlich war, dass das Publikum sehr darauf ansprach. Und die Presse schickte dann Reporter zu mir ins Studio und war sehr erstaunt, dass ich in einem Clubsessel gemütlich bei einer Tasse Kaffee vor meinem tiefgestellten Mikrofon saß und meine Kommandos gab, während ich die armen geplagten Hörer veranlasste, auf dem Rücken zu liegen und Radfahrbewegungen zu machen."
Verewigung in Liedern
Keine Frage, Alfred Braun war ein Star aus eigenem Recht besungen, wie auch im Lied "Ich sitz' den ganzen Tag an meinem Radio" von Willy Rosen: "Alfred, der Braune, der macht mir stets Laune", heißt es im Lied.
Oder auch sich selbst gesanglich in Szene setzend, wie in Alfred Brauns "Reportage-Couplet":
"Hilfe, Hilfe, tobende Massen,
Sturm auf die Stühle und Sturm auf die Kassen.
Väter brüllen und Mütter flennen,
wieder einmal Sechs-Tage-Rennen.
14 Männer auf 14 Rädern treten,
dass die Gelenke federn
und in der Mitte das Mikrofon.
Was gibt das für Reportage-Sensation.
Achtung, Achtung, Sechs-Tage-Rennen…"
Oder auch sich selbst gesanglich in Szene setzend, wie in Alfred Brauns "Reportage-Couplet":
"Hilfe, Hilfe, tobende Massen,
Sturm auf die Stühle und Sturm auf die Kassen.
Väter brüllen und Mütter flennen,
wieder einmal Sechs-Tage-Rennen.
14 Männer auf 14 Rädern treten,
dass die Gelenke federn
und in der Mitte das Mikrofon.
Was gibt das für Reportage-Sensation.
Achtung, Achtung, Sechs-Tage-Rennen…"
Als Höhepunkt von Brauns Berufskarriere gilt die so genannte Flüsterreportage von 1929: Thomas Mann erhält in Stockholm den Nobelpreis für Literatur.
Alfred Braun berichtet im Geheimen, nur durch einen Vorhang vom Schwedischen König getrennt - so ist es jedenfalls überliefert: "Thomas Mann hat sich erhoben. Seinen Platz auf dem Podium verlassen. Er steigt die Stufen nieder ins Parkett. Thomas Mann steht vor dem Schwedischen König. Händeschütteln. Thomas Mann verbeugt sich tief. (Applaus) Beifallssturm für Thomas Mann!"
Regieassistent beim antisemitischen Hetzfilm "Jud Süß"
Die Zwanziger Jahre, die zumindest für Alfred Braun ganz gewiss goldene waren, sie gehen über in die Katastrophe der Diktatur der Nazis, die nun im "Systemrundfunk", wie sie ihn nennen, aufräumen.
Der Sozialdemokrat Alfred Braun wird 1933 gemeinsam mit anderen Radiomännern der ersten Stunde wie Kurt Magnus festgenommen und kurzzeitig im Konzentrationslager Oranienburg interniert. 1934 emigriert Braun in die Schweiz, von dort in die Türkei. Und dann vollzieht er einen Gesinnungswandel, der bis heute manche Frage aufwirft.
1939 kehrt der Rundfunkpionier nach Deutschland zurück und heuert als Regieassistent bei Veit Harlan an, der gerade seinen antisemitischen Hetzfilm "Jud Süß" dreht. Später firmiert er als Drehbuchmitarbeiter beim Durchhaltestreifen "Kolberg". Und nach Kriegsende macht er von sich Reden, als er im russisch kontrollierten Berliner Rundfunk Kommentare gegen die Luftbrücke der Westalliierten spricht.
1939 kehrt der Rundfunkpionier nach Deutschland zurück und heuert als Regieassistent bei Veit Harlan an, der gerade seinen antisemitischen Hetzfilm "Jud Süß" dreht. Später firmiert er als Drehbuchmitarbeiter beim Durchhaltestreifen "Kolberg". Und nach Kriegsende macht er von sich Reden, als er im russisch kontrollierten Berliner Rundfunk Kommentare gegen die Luftbrücke der Westalliierten spricht.
Doch weder die eine noch die andere Wende schaden ihm nachhaltig. 1954 wird Alfred Braun zum ersten Intendanten des Senders Freies Berlin gewählt.