Die geräumige Kabine einer Gondelbahn schaukelt sanft auf einem Stahlseil an der Haltestelle "Darmstadt - Technische Universität - Lichtwiese". Wenige Augenblicke später schwebt die Gondel, in die zehn Personen und zwei Fahrräder passen, über dichtem Wald. Die nächste Station "Roßdorf" liegt einige Kilometer weiter östlich. Fahrgäste sind vor allem Studierende, die in den Dörfern rundherum günstigen Wohnraum gefunden haben, den es in der Stadt nicht mehr gibt. Sie nutzen jeden Morgen für den bis zu zehn Kilometer weiten Weg vom Wohnort zum Uni-Campus Lichtwiese die neue Seilbahn. In der Theorie zumindest.
Tatsächlich gibt es dieses Verkehrsmittel aber noch nicht – es ist bisher nur eine Idee von Studierenden des Fachbereichs Bauingenieurwesen der Hochschule Darmstadt unter der Leitung von Professor Jürgen Vollmann. Der verschweigt im Hessischen Rundfunk auch nicht die Planungsprobleme, die es für Seilbahnen im Rhein-Main-Ballungsraum grundsätzlich gibt:
"Probleme liegen einmal darin, dass wir wirklich nur gerade Strecken verbinden können. Das wir nicht so viele Halte machen können, wie bei einer S-Bahn oder Straßenbahn. Diese Bahnhöfe sind auch das Teure am Ende, wo man verknüpft. Und natürlich, dass wir auch mal über besiedelte Bereiche fahren müssen mit der Seilbahn. Und dann müssen wir schauen, dass wir die Privatsphäre derjenigen, die darunter wohnen, auch wirklich schützen."
Seilbahn-Projekt steht nicht im Koalitionsvertrag
Die Seilbahn-Projekte, über die in mehreren Orten des Rhein-Main-Gebietes nachgedacht wird, stehen nicht in dem zum Jahreswechsel verabschiedeten Koalitionsvertrag von CDU und Grünen. Doch Jochen Partsch, der grüne Darmstädter Oberbürgermeister, begrüßt die Idee der Seilbahn aus dem östlichen Umland zur Technischen Universität in seiner stark wachsenden Stadt. Langfristig wolle man hier zwar wie die schwarz-grüne Landesregierung eine Schienenverbindung auf dem Erdboden. Doch das Seilbahnprojekt könne eine wichtige Ergänzung sein, so der Darmstädter OB.
Dort, wo in Darmstadt in ein paar Jahren die Seilbahn schweben könnte, verläuft auf dem Boden eine seit langem stillgelegte Bahntrasse. Tarek Al-Wazir ist der hessische Verkehrsminister. Der Grüne würde die Bahn im Darmstädter Osten gerne reaktivieren, aber auf der alten Trasse hat man an bestimmten Stellen inzwischen Häuser gebaut. Dieses Problem hat Al-Wazir auch in anderen Regionen in Hessen:
"Es ist so, manche Bahnstrecken sind für immer verloren. Dann, wenn sie überbaut worden sind oder – auch das gibt es – touristische Radwege angelegt worden sind. Die sind übrigens sehr schön, die kann man nur empfehlen, weil die nämlich in aller Regel kein Gefälle haben, sondern sehr wenig. Aber in manchen Bereichen, gibt es durchaus Möglichkeiten, das zu aktivieren und zu reaktivieren."
So soll nordwestlich von Wiesbaden eine alte Bahn reaktiviert werden, die früher die Kurstadt Bad Schwalbach mit der hessischen Landeshauptstadt verband. Diese alte Trasse soll an die geplante neue "City-Bahn" angebunden werden, die von Mainz und Wiesbaden geplant ist. Für Tarek Al-Wazir, der auch für die Wohnungspolitik in Hessen zuständig ist, böte die Reaktivierung auch dieser Strecke zusätzlich die Chance, den Wohnungsmarkt im teuren Wiesbaden zu entlasten:
Priorität liegt auf Reaktivierung von Bahnstrecken
"Und natürlich ist eine in den letzten Jahrzehnten schrumpfende Kurstadt wie Bad Schwalbach mit einer wachsenden Metropole wie Wiesbaden auf einmal wohnungsmäßig viel attraktiver, wenn da eine Straßenbahn verlässlich hinfährt, im Sommer wie im Winter, in einem guten Takt. Schnell, bequem, verlässlich. Da bin ich mir sehr sicher, das wird auch den Wohnungsmarkt entspannen."
Doch noch gilt es, Widerstände der Anwohnerschaft gegen die geplante neue Citybahn rund um Wiesbaden zu überwinden. Im Koalitionsvertrag versprechen CDU und Grüne in Hessen überdies, einen der größten Engpässe im deutschen Schienennetz aufzulösen: den Schienenknoten Frankfurt am Main. Doch der grüne Verkehrsminister Tarek Al-Wazir weiß - Das geht nicht ohne die Unterstützung der Bundesregierung und der Deutschen Bahn:
"Wenn bei der Bahn die besten Ingenieure – und das nicht zu knapp - ein, wie ich immer noch finde, verkehrspolitisch nicht besonders sinnvolles Loch in Stuttgart graben, dann können die nicht gleichzeitig in Frankfurt dafür sorgen, dass der Knoten hier läuft."
Seilbahn wahrscheinlicher als neue S-Bahn-Strecke
Dabei, so betont der Verkehrsminister, laufen zwei Drittel des bundesdeutschen Fernverkehrs durch Hessen. Neue Schienenstränge schaffen dann auch neue Spielräume für den Nahverkehr. So etwa eine S-Bahn-Anbindung des neuen Terminals 3 am Frankfurter Flughafen. Auch das ist ein Wahlversprechen von Schwarz-Grün in Hessen.
Wie es aber Stand jetzt aussieht, wird eher die Seilbahn zur Technischen Universität Darmstadt schweben, als eine S-Bahn zum neuen Terminal fahren. Denn der Flughafenbetreiber Fraport hält die S-Bahn nicht für nötig. Zehn bis 20 Millionen Euro würde das Darmstädter Seilbahnprojekt kosten. Er könnte bereits in fünf Jahren fertig sein – eine neue S-Bahn-Strecke hat hingegen bis zu 20 Jahre Planungsvorlauf. Die Seilbahn soll im Herbst ein Thema der Verkehrsgespräche der betroffenen Kommunen in Südhessen sein.