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Reihe: Wahlversprechen
Ruhrkonferenz: Zukunftswerkstatt für die Region?

Um den Strukturwandel im Ruhrgebiet voranzubringen, hat die schwarz-gelbe Landesregierung die sogenannte "Ruhrkonferenz" gestartet - eines der zentralen Versprechen im Wahlkampf 2017. Für die Opposition ist die aber nicht mehr als eine teure Showveranstaltung.

Von Moritz Küpper |
Die Silhouette vom Malakowturm der geschlossenen Zeche Prosper-Haniel in Bottrop, aufgenommen bei Sonnenuntergang.
Die stillgelegten Fördertürme der Zechen im Ruhrgebiet erinnern an die Bergbau-Vergangenheit. Die Ruhrkonferenz soll die Zukunft der Region gestalten. (dpa/Julian Stratenschulte)
Armin Laschet kommt von sich aus darauf zu sprechen:
"Letzte Bemerkung, ich bin schon viel zu lang..."
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident von der CDU, sitzt in der Landespressekonferenz im Düsseldorfer Landtag – und zieht Bilanz. Obwohl es eigentlich noch ein paar Monate sind, bis zur Halbzeit seiner Regierungszeit, hat Laschet viel vorgetragen, stolz auf ein paar Punkte verwiesen. Da darf ein Zwischenstand zu einem Kernanliegen seiner Legislaturperiode nicht fehlen: "… zur Ruhrkonferenz. Die geht jetzt in diesen Tagen zu Ende. 20 Themenforen, 50 Veranstaltungen haben stattgefunden mit 4000 Teilnehmern. Im Prinzip waren drei Stufen: Die Phase des Zuhörens, dann die Entscheidungsphase und dann die Handlungsphase. Und diese Entscheidungsphase beginnt jetzt nach Aufbereitung der Projekte über den Sommer. Also, auch das wird uns in den nächsten Wochen beschäftigen…"
Laschet: "Nicht nur eine Frage des Geldes"
Und ist dann noch nicht am Ende: Bei sogenannten Townhall-Meetings soll im September mit Bürgern diskutiert werden, so Laschet, "und Ende Oktober soll dann im Kabinett entschieden werden, welche Projekte, wie und mit welcher Finanzierung kommen, welche neuen Zusammenschlüsse und Kooperationen im Ruhrgebiet möglich werden, denn das ist ja auch Teil, ist ja nicht nur Frage Geld, sondern auch, wie wird man effizienter und ab 2020 beginnt dann die Umsetzung."
Reihe: Wahlversprechen - und was daraus geworden ist
Reihe: Wahlversprechen (Speedskater / Imago)
Laschet will den großen Sprung wagen, allerdings einen mit Anlauf. Der Effekt: Bis sich eines der zentralen Wahlkampfversprechen aus dem Jahr 2017 – ein nachhaltiger Impuls für das wirtschaftlich gebeutelte Ruhrgebiet – überprüfen lässt, dauert es noch. "Rätsel Ruhrkonferenz", so titelte die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", kurz WAZ, kürzlich – und fragte. "Was machen die da eigentlich?" Eine Frage, die die Opposition in Nordrhein-Westfalen auch nach der jüngsten Regierungserklärung stellte. Denn auch – in der Rede von SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty – spielte die Ruhrkonferenz eine Rolle:
"Aber ich sage Ihnen auch, Herr Laschet, wenn sie das jetzt vermasseln, dann wird ihre Ruhrgebietskonferenz als das in Erinnerung bleiben, was sie im Kern schon immer war: Ein Rahmenprogramm für die Betriebsausflüge der Ministerialbürokratie, aber keine Hilfe für die Menschen in diesem Lande."
SPD: Konferenz ist "Etikettenschwindel"
Einen Tag später sitzt Kutschaty, in Essen geboren, in seinem Büro im Landtag – und begründet seine Einschätzung.
"Das ist im Augenblick ein ganz großer Etikettenschwindel. Da ist uns im Koalitionsvertrag angekündigt worden, es gibt eine große Konferenz, wo die Bundesregierung dabei ist, die EU-Kommission kommt, das alles sollte noch in 2018 passieren. Nichts ist passiert im Jahre 2018", so Kutschaty. Stattdessen sei jetzt jeder Minister mit Ideen losgeschickt worden:
"Da steckt kein Ziel hinter, keine Konzeption und das ist ein Aneinanderreihen von Stückwerk, was die Menschen im Ruhrgebiet kein einziges Stück nachvorne bringt."
Viele der insgesamt 53 Kommunen seien hochverschuldet. Um diese wieder handlungsfähig zu machen, brauche es eben einen anderen Ansatz, so Kutschaty, beispielsweise einen Altschuldenfonds. Es ist ein breites Spektrum, das die Landesregierung bearbeiten will:
"Unabhängig, Vielfalt und Qualität lokaler Medien. Um die Frage, wie man den direkten Austausch vor Ort stärken kann und neue Angebote zur Meinungsvielfalt etablieren kann..."
Essen, das Haus der Technik, Mitte Februar. Ein sogenanntes Bar-Camp, eine Art Konferenz, bei der die Teilnehmer das Programm machen und bestimmen, zur Medienvielfalt im Ruhrgebiet. Ein paar Wochen vorher, klang es an gleicher Stelle noch ein wenig anders:
Ein Konferenz - viele Formate und Themen
"Es gilt heute, in dieser Ruhrkonferenz, darum, die Perspektiven aufzuzeigen und wir haben hier die Möglichkeit, auch die Zukunft dieser Region des Ruhrgebiets aktiv zu gestalten."
Frank Richter, Essens Polizeipräsident stand am Podium. Doch anders als beim Barcamp, hatte bei ihm der Begriff Vielfalt eine andere Auswirkung:
"Gewaltbereite Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Gruppen innerhalb von Großfamilien. Die Entstehung und Verfestigung von gesellschaftlichen Parallelstrukturen, kriminelle Clans."
Ein Barcamp zur Medienvielfalt, ein Symposium zur Clankriminalität, dazu noch weitere Veranstaltungen zum Thema Schulunterricht, grüne Infrastruktur oder zum Rechtsstaat. Die monatelange Phase des Zuhörens war vielschichtig:
"Wir wollen Impulse geben, dass die, die an den gleichen Themen arbeiten, gute Ideen haben, gucken, was der Nachbar macht."
Tausende Bürgerinnen und Bürger haben sich beteiligt
Stephan Holthoff-Pförtner, einst Rechtsanwalt, Anteilseigner der Funke-Medien-Gruppe und seit zwei Jahren Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales des Landes Nordrhein-Westfalen, ist im schwarz-gelben Kabinett federführend mit der Ruhrkonferenz beauftragt. Hunderte Projektvorschläge sind bereits eingegangen, tausende Bürgerinnen und Bürger haben sich eingebracht. Zahlen, auf die Holthoff-Pförtner stolz ist:
"Wir wollten bewusst den umgekehrten Weg gehen. Wir wollten nicht mit Verantwortungsbewusstsein oder mit Mitleid hohe Summe bekommen und dann gucken, was wir damit machen. Weil wir glauben, dass gute Ideen Geld erzeugen. Ich habe noch nie erlebt, dass Geld alleine gute Ideen bringt. Deswegen gehen wir gemeinsam genau den anderen Weg."
Ruhrkonferenz mutet wie eine Inszenierung an
Dennoch: Die Opposition bleibt skeptisch, die Landesregierung gaukele den Menschen im Ruhrgebiet nur Hilfe vor, so SPD-Politiker Kutschaty. Und tatsächlich: Mancherorts mutet die Ruhrkonferenz wie eine Inszenierung an, beispielsweise, wenn NRW-Ministerpräsident Laschet die Eröffnung des Emscher Abwasserkanals, unter das Label Ruhrkonferenz stellt. Denn: Mit Hilfe des neuen Kanals soll die Emscher, die über Jahrzehnte ein Abwasserkanal war, renaturisiert werden. Ein Projekt, das seit dem Jahr 1992 läuft. Doch: Auch Holthoff-Pförtner bemüht dieses Beispiel – wenn auch mit anderem Zungenschlag:
"Ich nehme gerne das Beispiel auf, weil es eben nicht von dieser Landesregierung ist, deswegen kann man es wirklich so wunderbar nennen. Das Thema Emscher-Renaturisierung ist ein unglaublich tolles Thema. Und wenn sie sich heute vom Phoenix-See bis demnächst zur Mündung der Emscher das angucken, das ist ein neues Ruhrgebiet. Das ist ein anderes Ruhrgebiet."
Auf dem die Ruhrkonferenz letztendlich aufbauen möchte. Doch, inwieweit das gelingt, ist offen – und wird sich erst noch zeigen müssen.