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Reihe Wald in Not (3/4): Sägewerk van Roje
Wenn aus Wäldern Schadholz wird

Deutschlands Wälder leiden an Trockenheit und Borkenkäfer-Befall. Das Bundeslandwirtschaftsministerium geht von 180.000 Hektar an geschädigtem Wald aus. Buchstäblich viel Holz für die Sägewerke. Die aber sorgen sich trotz viel Arbeit um ihre Zukunft.

Von Mirko Smiljanic |
In einem Sägewerk sind Baumstämme aufeinandergestapelt
Viel Holz, aber trotzdem Schwierigkeiten haben Deutschlands Sägewerke derzeit - denn es ist auch viel "Käferholz" dabei. (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
Der Duft nach frisch gesägtem Holz liegt in der Luft. Ein angenehmer Geruch, der Bilder von Wäldern hervorruft, die allerdings in krassem Widerspruch zur realen Umgebung stehen. Maschinen dröhnen aus allen Richtungen, zwei silbrig-glänzende Zylinder ragen in den Himmel, Gabelstapler transportieren weiß eingeschweißte Ladung, Lkw um Lkw fährt auf den großen Hof. Die Ignatz van Roje & Sohn GmbH & Co. KG ist ein Sägewerk bei Oberhonnefeld-Gierend im Norden von Rheinland-Pfalz. Van Roje verarbeitet Fichte und Douglasie, außerdem produziert der Familienbetrieb Holzpellets, die in den beiden Stahlzylindern zwischengelagert werden.
Fraßgänge im Käferholz
Holz ist der Rohstoff, um den sich hier alles dreht. Sehr viel gutes Holz liefern die Waldbauern verlässlich an, seit geraumer Zeit allerdings auch Mangelware. Oliver Mühmel ist einer von drei Gesellschaftern des Sägewerks van Roje:
"Also, was wir jetzt hier sehen, das ist alles Käferholz, man erkennt das an der abgefallenen Rinde, und unter der Rinde sehen Sie auch die Fraßgänge hier im Holz, wo die Käfer sich zwischen Bast und dem eigentlichen Holz dann durchgefressen haben."
Geschnitten wird trotzdem
Oliver Mühmel steht vor einem mit Fichten beladenen Lkw. Lange Gänge überziehen die Stämme, Bilder, die er seit einem Jahr immer häufiger sieht. Geschnitten wird das Holz aber trotzdem. Vorab durchlaufen die Stämme eine digitale Kontrollstation, erklärt Industriemeister Thomas Rois, der von einem Leitstand aus die über Förderrollen hereinkommenden Fichten immer im Blick hat.
"Der Stamm wird elektronisch vermessen, das heißt, er wird nach Länge und Durchmesser, Volumen und Feuchtigkeit ausgemessen und visuell hier vorne auf meiner Grafik dargestellt. Und dann versuchen wir das Stück Holz, das Stangenholz oder Kurzholz, was immer es auch ist, optimal nach Länge und Durchmesser in das vorgesehene Sortiment und in die Aufträge zu bringen, um so viel Wertschöpfung wie möglich aus dem Stück Holz herauszubekommen."
Stamm um Stamm läuft durch die Anlage von Thomas Rois, wird hin und her gedreht, vermessen und begutachtet und verschwindet schließlich vom Transportband.
"Von hier geht es raus in ein sogenanntes Sortierwerk, dort sind zehn Boxen, dort liegt dann ein Auftrag pro Box an, dort wird es zwischengelagert für die Produktion."
Sägewerke sind starke Energieverbraucher
Computerprogramme steuern jeden Arbeitsschritt, nur in Notfällen werden Baumstämme noch per Hand bewegt. Was auch bedeutet: Sägewerke sind energieträchtige Unternehmen. 2019 verbrauchen die Maschinen und Trocknungsanlagen des Sägewerks van Roje 18 Gigawattstunden elektrische Energie. In den Anfangszeiten, erzählt Oliver Mühmel am Schreibtisch in seinem Büro, sah das ganz anders aus.
"Der Betrieb wurde 1929 von meinem Großvater gegründet, ursprünglich als Grubenholzhandel für die regionalen Ton- und Erzgruben hier im Westerwald, Mitte der 60er-Jahre kam dann ein Sägewerk hinzu, als mein Vater eingestiegen ist, und seither hat sich der Betrieb eigentlich permanent weiterentwickelt. Wir sind 1996 hier an den neuen Standort in Oberhonnefeld gezogen, wir hatten damals 13 Hektar Wiese erworben, ja, und in den letzten 20 Jahren zu dem aufgebaut, was Sie jetzt hier vorfinden."
Pellets als zweites Standbein
Jährlich 400.000 Festmeter Holz, das meiste für den konstruktiven Bereich, produziert das Sägewerk. 70 Prozent gehen in den Export nach Frankreich, Belgien, Großbritannien, Holland und Spanien, ein kleiner Teil wird nach Übersee verschifft. 130 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, Umsatzzahlen gibt van Roje nicht bekannt. Die Geschäfte laufen gut, zumal das Sägewerk sich mit der Pellet-Produktion ein sicheres zweites Standbein geschaffen hat. Aber bleibt das so? Auch Sägewerke spüren mittlerweile, dass der Wald sich in großer Not befindet. Das Angebot von Schadholz, so Oliver Mühmel, wächst beständig.
"Wenn das zeitnah reinkommt und nicht zu lange im Wald steht oder geerntet liegt, können wir das noch halbwegs gut verarbeiten, hat natürlich Qualitätseinschränkungen, insbesondere was die Verfärbung angeht. Käferholz hat oft eine Blaufärbung, die durch Pilze verursacht werden, die der Käfer mitbringt. Dann haben wir das Problem, dass das Holz, weil es halt sehr trocken ist, im Wald dann noch mal gelagert wird, viele Risse hat, und Risse führen generell zu einer Abwertung von den Schnittholzsortimenten, die wir daraus herstellen."
Welche Bäume gibt es morgen?
Immerhin führt das aktuell große Angebot an Schadhölzern zu einer hohen Auslastung der Maschinen. Das ist gut, klar ist aber auch, dass dieser Zustand nicht anhält. Nach und nach, so die mittel- bis langfristigen Planungen, sollen wärmeresistente Baumarten wie Esskastanie die Fichten ablösen.
"Für uns stellt sich natürlich irgendwann die Frage, welche Baumarten folgen, mit Esskastanie oder Haselnuss können wir natürlich relativ wenig anfangen im Sägewerk. Für uns wäre es dann auch wichtig, dass auch Holzarten angepflanzt werden, die hinterher zu Konstruktionshölzern verarbeitet werden können."
Komplett verschwindet die Fichte zwar nicht aus den Wäldern, das Angebot wird in den kommenden Jahren ab sinken. Für das Sägewerk van Roje aus Rheinland-Pfalz sind Umsatzeinbußen wahrscheinlich. Und zwar auch deshalb, weil ein Wechsel zu Laubbäumen aktuell nicht möglich ist. Es fehlen die dafür notwendigen Maschinen, Investitionen in Millionenhöhe wären erforderlich.
"Dem würden wir uns auch nicht verschließen, aber das muss man sehr langfristig sehen. Wir haben bei der Fichte eine Umtriebszeit von 70 Jahren im Mittel bis die erntereif ist und für unsere Zwecke dann verwendbar ist, bei Laubhölzern geht das dann eher Richtung 100 Jahre."
Niemand kennt den Wald der Zukunft
Was nun nicht bedeutet, dass die Folgen veränderter Baumzusammensetzung in den Wäldern für Sägewerke erst in einem knappen Jahrhundert spürbar sind, das passiert sehr viel schneller. Das Problem ist nur: Niemand kennt den Wald der Zukunft.
"Die Forstwirtschaft muss eigentlich für die Zukunft überlegen, was könnte passen und dementsprechend auch im Vorfeld jetzt sehr viel experimentieren."
Damit Sägewerke irgendwann verlässlich wissen, welches Holz sie schneiden.