Der Osten gilt als Problemzone der CDU: Immer wieder gibt es Tendenzen zur Zusammenarbeit mit der AfD. Der CDU-Vorsitz von Annegret Kramp-Karrenbauer wurde in vielen ostdeutschen Landesverbänden als weiterer Beleg für ein westdeutsches Hegemoniestreben gesehen. Weite Teile der CDU haben sich für Friedrich Merz als neuen Vorsitzenden ausgesprochen. Gewählt wurde Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Mit ihm komme ein Vorsitzender ins Amt, der die verschiedenen Flügel einen könne, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU)im Dlf. Man unterschätze Laschet bezüglich seiner Grundwerte. Er sei durchaus wertekonservativ. In einer langfristigen Politik müsse aber auch die Wirtschaftskompetenz von Laschets Konkurrent Friedrich Merz erhalten bleiben.
Silvia Engels: Wir haben gerade den Parlamentarischen Geschäftsführer Ihrer CDU in Sachsen-Anhalt gehört, Markus Kurze. Der wollte Friedrich Merz, mag Armin Laschet offenkundig nicht. Wie enttäuscht ist die CDU Sachsen-Anhalt nun?
Reiner Haseloff: Die CDU Sachsen-Anhalten ist genauso vielfältig wie die CDU Deutschlands. Das ist ganz klar. Wir hatten drei Kandidaten. Es gab klare Präferenzen für verschiedene. Je nachdem wen man dort gesprochen hat, hatte jeder seine entsprechenden Spitzenvorstellungen. Aber jetzt ist die Entscheidung gefallen und wir sind Demokraten und jetzt geht es nach vorne. Das ist das Entscheidende. Wir wollen unsere Landtagswahl und wir wollen die Bundestagswahl gewinnen und mit Armin Laschet, denke ich, ist ein Vorsitzender jetzt ins Amt gekommen, der durchaus auch Erfahrung hat, wie man mit breiten, auch ausdifferenzierten Meinungen umgeht, wie man in einer großen Volkspartei wie der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands entsprechend diese Flügel zusammenbindet.
″Merz repräsentiert Markenkern der CDU″
Engels: Sie wollen nach vorne blicken, setzen auf Einigkeit. Doch Friedrich Merz macht da nicht mit. Er hat vorgestern nicht für ein Spitzenamt in der CDU kandidiert. Stattdessen sagte er dem neuen CDU-Chef Armin Laschet, er wolle Bundeswirtschaftsminister im Kabinett Merkel werden. Die hat das prompt zurückgewiesen. War das klug von Merz?
Haseloff: Das muss Friedrich Merz jetzt selber noch mal für sich analysieren. Entscheidend ist, dass das, was Friedrich Merz natürlich repräsentiert an Wirtschaftskompetenz und ordnungspolitischen Vorstellungen, natürlich auch wesentlicher Markenkern unserer Christlich-Demokratischen Union Deutschlands ist. Das muss auch präsent bleiben in einer langfristigen Politik, auch bei der Bildung einer neuen Bundesregierung, und da hat Friedrich Merz durchaus etwas beizutragen. So wie ich Armin Laschet kenne, wird er versuchen, ihn einzubinden und auch Möglichkeiten zu entwickeln, dass die Ideen von Friedrich Merz auch weiterhin zum Tragen gebracht werden, einschließlich der Signale in Richtung Mittelstand und Wirtschaftsrat.
Engels: Viele in der sachsen-anhaltinischen CDU hatten sich ja von einem Parteichef Friedrich Merz eine konservativere Ausrichtung der CDU versprochen und dadurch bessere Unterstützung im Kampf gegen die AfD, die bei Ihnen ja im Land sehr stark ist. Wenn die CDU nun unter Laschet eher auf einem liberalen Mittekurs bleibt, wird dann Ihr Landtagswahlkampf umso schwieriger?
Haseloff: Ich glaube, man unterschätzt Armin Laschet dahin gehend, dass er nicht nur nicht in der Lage ist, mit Friedrich Merz als Eingebundenem weiterhin umzugehen, sondern man unterschätzt ihn auch bezüglich seiner Grundwerte. Ich habe ihn seit vielen, vielen Jahren als Ministerpräsidenten-Kollege schätzen gelernt und weiß auch, dass er wertekonservativ ist und dass er neben seinen liberalen Grundsätzen und sozialen Grundsätzen auch ein tiefes Wertefundament und auch konservatives Fundament aufweist. Ansonsten würden wir gar keinen Platz finden in der Christlich-Demokratischen Union.
Ich glaube schon, dass Armin Laschet es schaffen kann, sich auch im Osten Respekt zu verschaffen. Er hat mich im Sommer besucht. Wir sind hier an einigen Orten gewesen. Und ich glaube, er hat verstanden, dass er mit uns, die wir hier im Osten auch Verantwortung tragen, wie Michael Kretschmer oder mir, die wir jetzt im Präsidium entsprechend auch mitwirken können, durchaus Politik für ganz Deutschland machen können, und das ist auch ein Zeichen, was wir gemeinsam setzen müssen, dass die deutsche Einheit vollendet wird.
Ich glaube schon, dass Armin Laschet es schaffen kann, sich auch im Osten Respekt zu verschaffen. Er hat mich im Sommer besucht. Wir sind hier an einigen Orten gewesen. Und ich glaube, er hat verstanden, dass er mit uns, die wir hier im Osten auch Verantwortung tragen, wie Michael Kretschmer oder mir, die wir jetzt im Präsidium entsprechend auch mitwirken können, durchaus Politik für ganz Deutschland machen können, und das ist auch ein Zeichen, was wir gemeinsam setzen müssen, dass die deutsche Einheit vollendet wird.
″Zusammenarbeit mit AfD findet nicht statt″
Engels: Herr Laschet, so viel steht fest, steht ganz klar für eine Abgrenzung zur AfD, genauso wie Sie. Das hat ja Armin Laschet auch noch mal nach seiner Wahl deutlich gemacht. Es gehe da nicht darum, in irgendeiner Form Berührungspunkte auch zu den Wählern dort zu suchen. Haben Sie denn aber genügend Rückhalt in Ihrem eigenen CDU-Landesverband, der sich ja in Teilen eine engere Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen kann?
Haseloff: Nein, es geht nicht um die Zusammenarbeit mit der AfD. Die findet nicht statt. Und es ist auch keine Strategie, dass man sich in diese Gedankenkonstrukte versucht hineinzubewegen, sondern hier hilft nur ganz klare Abgrenzung, auch was die politischen Optionen anbelangt, und dafür stehe ich. Das weiß auch die Partei und deswegen hat man mich auch neu angesprochen, als Spitzenkandidat zu kandidieren. Denn mit dieser Position geben wir auch eine klare Position in Richtung der Gesellschaft kund. Auf der anderen Seite muss man auch ganz klar sagen: Wir sind eine Partei der Mitte. Da muss es auch konservative Möglichkeiten der Artikulation geben, aber auch soziale, liberale, all das, was wir bis hin auch zur Frauenpolitik und zur modernen Digitalisierungspolitik auch zu sagen haben. Daran werden wir festgemacht. Wir sind eine moderne Partei. Ich bin froh, dass unsere JU-Vorsitzende Anna Kreye mit in den Bundesvorstand gewählt wurde mit sehr, sehr gutem Ergebnis. Das heißt, die neue Generation steht auch voll mit eingebunden in unserem Wettbewerb. Und ich denke, das ist auch das Zeichen, was wir setzen müssen: auf Altbewährtes, aber auch mit modernen und neuen Ideen. Dahingehend ist, denke ich mal, auch unsere Strategie nicht die, dass man ständig zu den politischen Konkurrenten guckt, sondern dass man mit einer eigenen klaren Botschaft den Wählerinnen und Wählern ein Angebot macht.
″Vor Wahlen klar Flagge zeigen″
Engels: Konservative müssen auch ein Profil kriegen, sagen Sie. Aber bei Ihnen hat ja mit Verlaub ordentlich die Hütte gebrannt. Sie haben Ihren Innenminister Stahlknecht entlassen, weil er sich im Fall eines Koalitionsbruchs in Magdeburg eine CDU-Minderheitsregierung hatte vorstellen können. Das wäre in der Praxis vielfach auf eine Stützung durch die AfD hinausgelaufen. Außerdem haben Sie zwei stellvertretende CDU-Landesfraktionsvizes gehabt, die konnten sich 2019 Koalitionen mit der AfD vorstellen, und die sind weiterhin im Amt. Stehen Sie noch für die Mehrheit Ihrer Fraktion?
Haseloff: Auf jeden Fall! Ansonsten würde ich gar nicht regierungsfähig sein. Gerade aus der Fraktion kamen die ganz klaren Signale, dass man auf mich setzt und dass ich die Spitzenkandidatur entsprechend auch wahrnehmen soll. – Ich glaube, das Thema ist erledigt, weil wir auch gezeigt haben, dass wir mit der ersten Kenia-Koalition, die fünf Jahre lang durchgehalten hat im Juni, es möglich gemacht haben zu zeigen, dass mit einer klaren Abgrenzung nach rechts, aber auch mit entsprechenden Experimenten nach links kein Blumentopf zu gewinnen ist und dass man es durchaus schaffen kann, wenn man sich Mühe gibt, auch als Demokraten in der Mitte, auch mit Koalitionspartnern, wie bei uns mit der SPD und den Grünen, entsprechend auch Regierungsarbeit zu machen und auch eine Schnittmenge zu finden, mit der man viele Projekte auch umsetzen kann. Ich glaube, das muss man auch mal sagen. Wir haben die erste Kenia-Koalition in der deutschen Geschichte auf den Weg gebracht und erfolgreich durchgeführt. Wir haben vieles vorzuweisen und das muss unser Markenzeichen auch für die Zukunft sein, dass wir mit diesem Signal entsprechend aus der Mitte heraus Politik im Osten gestalten wollen und dass alle anderen Experimente und Überlegungen ausfallen. Das kann auch nur die Strategie sein, wenn wir als "Ost-CDU" auch entsprechend wirksam werden wollen in der gesamten deutschen CDU. Das liegt jetzt auch an uns selber, dass wir das mit Armin Laschet, dem neuen Vorstand, mit dem neuen Präsidium und den neuen Führungskräften entsprechend gestalten, denn die nächsten Landtagswahlen sind ja nicht nur in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg, sondern auch dann in Sachsen-Anhalt als letzte Wahl vor der Bundestagswahl und dann auch im Herbst in Mecklenburg-Vorpommern und in anderen Ländern. Das heißt, wir sind ständig in Wahlen drin, und da müssen wir einfach klar Flagge zeigen.
″Momentan keine Möglichkeit der Lockerung″
Engels: Herr Haseloff, wir müssen noch über das andere große Thema dieser Tage sprechen. Sie regieren mit Sachsen-Anhalt ein Bundesland, das stark von der Corona-Pandemie betroffen ist. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner lag für das Bundesland am Samstag bei fast 250, einige Landkreise bei über 300, gar an die 400 heran. Fordern Sie morgen bei den Bund-Länder-Gesprächen härtere bundesweite Einschränkungen?
Haseloff: Es muss ganz klar sein, dass wir jetzt momentan keine Möglichkeit haben der Lockerung, dass wir alle Maßnahmen noch mal auf Wirkung prüfen müssen und gegebenenfalls da, wo wir uns auch eine Wirkung versprechen, auch verschärfen müssen, konsequent noch mal in den nächsten Wochen versuchen, die Zahlen runterzukriegen. Die jetzt sich andeutende Tendenz ist durchaus positiv, aber sie muss nachhaltig gestaltet werden. Wir müssen runter auch wieder in die Nachverfolgbarkeit der Infektionen. Klar ist aber auch, die neuen Mutanten beziehungsweise die neuen Mutationen sind eine neue Gefahr. Wir haben das in Irland gesehen, wir haben das an vielen anderen Stellen in Europa und weltweit inzwischen auch gesehen. Da müssen wir auch reagieren, das müssen wir besprechen. Wir hören uns heute Abend noch mal die Fachleute dazu an, Virologen, Infektiologen, Mediziner insgesamt, und dann müssen wir morgen entscheiden, wie wir weitermachen. Aber ganz klar ist: Es muss an bestimmten Stellen nachgeschärft werden, damit wir das, was wir in anderen Ländern erlebt haben, in Deutschland vermeiden helfen.
Engels: Machen wir es konkret. Sind Sie für die teilweise Schließung von Betrieben, wenn die Zahlen nicht runtergehen, oder auch nächtliche Ausgangssperren?
Haseloff: Ich glaube, wir haben schon vieles beschlossen, was wir noch gar nicht konsequent genug umgesetzt haben. Das fängt bei den Kantinen an, das fängt beim Homeoffice an und auch bei dem Runterfahren von Mobilität an dieser Stelle. Wenn wir das konsequent umsetzen, dann, denke ich mal, haben wir noch enormes Potenzial, um das Infektionsrisiko zu senken. Die Wirtschaft selber runterzufahren, noch weiter, das ist auch eine Frage, wo ich sage, wer soll eigentlich die Basis dafür darstellen, dass das alles bezahlbar bleibt, die Impfungen, all die Maßnahmen, die wir brauchen, dass wir pandemiefest werden. Das sind ja Sachen, die kriegen wir nur mit einer Kernwirtschaft, die funktioniert, hin und deswegen sage ich mal, lassen wir uns erst mal entsprechend die Möglichkeiten offen, dass wir das, was wir schon beschlossen haben, auch konsequent umsetzen, Mobilität runter, Kontakte runter. Da ist noch vieles möglich und dann, denke ich mal, werden wir auch von der Tendenz, die ja nach unten zeigt, was die infektionslage anbelangt, durchaus noch Erfolge haben und dann können wir uns jederzeit auch immer wieder zusammentun, um gegebenenfalls noch notwendige andere Schritte zu besprechen.
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