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Reinfall im Wilden Westen

In "Gold" geht es um eine Gruppe deutscher Auswanderer auf der Suche nach Gold am kanadischen Klondike-River. Wer rauchende Colts erwartet hat, mag von der handlungsarmen Geschichte und der linearen Dramaturgie enttäuscht sein. Wer sich darauf einlässt, wird überrascht.

Von Josef Schnelle |
    "Wir sind hier. Unser Weg wird uns etwa 1500 Kilometer Richtung Norden führen. Über Quanelle, Hazelton, Telegraph Creek. Von Telegraph Creek ist es nicht mehr weit bis zum Teslin Lake. Dort steigen wir in Boote um und lassen uns den Yukon flussabwärts zu unserem Ziel treiben. Und dann ist es nur noch ein Kinderspiel bis nach Dawson und den Goldfeldern am Klondike. Jetzt wo wir vollzählig sind, kann ich alle Teilnehmer unserer Gruppe nur noch mal dazu beglückwünschen, dass Sie sich auf meine Anzeige gemeldet haben. Mit der Entscheidung für die Inlandroute durch Kanada haben Sie die richtige Wahl getroffen. Über alle anderen Wege zum Klondike haben wir schon genug abschreckende Berichte gehört. Sie sind erheblich teurer und sehr hart. Wir dagegen werden eine angenehme Reise haben. Ich gehe davon aus, dass wir in sechs Wochen an unserem Ziel in Dawson sein werden."

    Eine Gruppe deutscher Auswanderer hat sich 1898 überreden lassen, auf dem langen aber angeblich sicheren geradezu bequemen Weg quer durch Kanada zum Goldrausch am Klondike-River aufzubrechen. Dafür haben die sieben Abenteurer ihre letzten Ersparnisse einem zwielichtigen Führer anvertraut, der in Wahrheit nicht so genau weiß, wie er das Ziel erreichen soll. Emily Meyer, bisher am "amerikanischen Traum" an der Ostküste gescheitert, steht im Mittelpunkt der Geschichte. Diese Expedition, die bis zum Rand der Welt in Dawson City durch unwegsames Gelände geht, ist für sie ein und Akt der Emanzipation.

    Regisseur Thomas Arslan hat zur Vorbereitung dieses Films die Tagebücher von deutschen Auswanderinnen studiert und er hat in Kanada gedreht. Entscheidend ist aber dass er die Hauptrolle mit Nina Hoss besetzt hat, die streng, kühl und unnahbar wirken kann. Eine schöne Frau - aber sie ist auch von echtem Schrot und Korn. Wir erfahren nichts über die schrecklichen Enttäuschungen, die Emily Meyer erlebt haben muss und die sie mit einer geheimnisvollen Aura umgeben. Und so überrascht es kaum, dass sich zwischen ihr und dem Cowboy Carl Boehmer, der anderen geheimnisvollen Figur der Gruppe, eine zarte Liebesgeschichte anbahnt.

    "Hier." - "Danke." "Sie sollten auch mal eine Pause machen."
    "Später."- "Brauchen Sie Hilfe mit den Pferden."
    "Ich mache das schon. Werde dafür bezahlt." -
    "Hab’s verstanden. Wollte mich nicht aufdrängen."

    Boehmer ist kein Traumtänzer auf Goldsuche. Er ist vielmehr als Mann fürs Grobe engagiert und wird von den meisten Mitreisenden weitgehend ignoriert. Gegen die Weite der Landschaft - vorzüglich ins Licht gesetzt von Kameramann Patrick Orth - wirken die Figuren oft verloren. Und wer rauchende Colts erwartet hat, mag von der handlungsarmen Geschichte und der linearen Dramaturgie enttäuscht sein. Langsam erst wird deutlich, dass der Regisseur will, dass die Zuschauer sich dem behäbig schaukelnden Rhythmus der Pferde anpassen. Nur dann entfaltet dieser ungewöhnliche deutsche Spätwestern seine ganze Schönheit. Der Weg ist das Ziel. Eine bleierne Stimmung senkt sich über die Figuren. Die Strapazen der Reise werden fühlbar und die unterschiedliche Intensität, mit der die verschiedenen Charaktere sich den Problemen stellen, wird erfahrbar. Immer wieder stellt sich die Frage Aufgeben oder Durchhalten.

    In Vielem gleicht Arslans Film den Arbeiten der Amerikanerin Kelly Reichart, die mit "Meeks Cutoff" 2010 dem Western - übrigens ebenfalls mit der Geschichte eines Trecks - all seine klassische Ikonografie zugunsten empirischer Sachlichkeit auszutreiben versuchte und dafür gefeiert wurde. "Gold" von Thomas Arslan wurde auf der diesjährigen Berlinale eher skeptisch aufgenommen. Aber vielleicht ist der Weg zunächst beschwerlich, wenn man auch ästhetisch eine ungewöhnliche Route nimmt. In "Gold" nehmen die Probleme der Reisenden zu, genau in dem Maße, in dem die Hoffnung schwindet. Nicht alle werden ihr Ziel erreichen und am Ende kommt es doch noch zu einem klassischen Shoot-Out.