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Reinhard Keiser: "Der geliebte Adonis"

Ein Exkurs in die Welt der Barockoper: "Der geliebte Adonis", so heißt die erste vollständig überlieferte Oper von Reinhard Keiser. Auf dem Label cpo erlebte das Werk jetzt seine CD-Premiere: * Musikbeispiel: R. Keiser - Ouvertüre aus: "Der geliebte Adonis" Vielleicht ist es noch verfrüht, von einer Renaissance des Opernkomponisten Reinhard Keiser zu sprechen. Doch gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass das Werk des wichtigsten Vertreters der frühen deutschen Oper wieder ins Bewusstsein rückt und auch auf Tonträger gewürdigt wird. Erst 1999 hatte René Jakobs an der Oper Unter den Linden mit großem Erfolg Keisers "Croesus" herausgebracht und auch die Aufnahme des Werkes machte Furore. Doch schon viel früher lenkte der Bremer Lautenist und Continuo-Spieler Thomas Ihlenfeldt die Aufmerksamkeit auf den Namen Reinhard Keiser. Ihlenfeldt hat seine musikwissenschaftliche Studien ganz der Geschichte der Hamburger Oper und dem Schaffen Reinhard Keisers gewidmet. Bereits vor zehn Jahren brachte er bei cpo Keisers Oper "Masaniello furioso" von 1705 heraus. Mit "Der geliebte Adonis" - sie hörten zu Beginn einige Takte aus der Ouvertüre - folgte jetzt das Werk, mit dem Reinhard Keiser 1697 sein Entreé an der Hamburger Oper am Gänsemarkt gab. Das Libretto stammt aus der Feder von Christian Heinrich Postel, mit dem Keiser eng zusammenarbeitete. Der Stoff der Oper greift ein Thema aus Ovids "Metamorphosen" auf. Schäferwelt und Mythologie sind die Orte des Geschehens und alles dreht sich, wie könnte es anders sein, um Liebe und Leidenschaft. Die Göttin Venus liebt den Jäger Adonis. Alle beneiden das ungleiche Paar um sein Glück, und die Eifersucht der beiden kennt keine Grenzen. Adonis wird ermordet, vom Kriegsgott Mars. Groß ist die Trauer der Venus, und zu guter Letzt erlangt Adonis die ihm vorhergesagte Unsterblichkeit. * Musikbeispiel: R. Keiser - 1. Akt Scene 3, Aria aus: "Der geliebte Adonis" "Komm Adonis. Meine Ruh", Aria der Venus aus der dritten Szene des ersten Aktes. Sie hörten Marietta Zumbült, Sopran, in der Rolle der Venus. Reinhard Keiser gilt als die stärkste schöpferische Begabung der frühen deutschen Oper, sein Schaffen war wegweisend sogar für Händel. 1674 in Teuchern bei Weißenfels geboren, wird er in Leipzig als Thomasschüler erzogen. Seine erste Oper kommt 1694 in Braunschweig heraus. Keiser übersiedelt nach Hamburg und tritt als Kapellmeister an der Oper am Gänsemarkt die Nachfolge von Johann Sigismund Kusser an. In der Welt des Theaters entfaltet sich Keisers Genie, unerschöpflich scheinen seine Phantasie und Produktivität. Er leitet die Hamburger Oper fast zwei Jahrzehnte in repräsentativer Pracht, aber letztlich ohne geschäftlichen Erfolg. Bis 1717 bestimmt er das Hamburger Operngeschehen und bringt pro Jahr bis zu sechs Neuinszenierungen auf die Bühne. Keiser liebt den Luxus und lebt auf großem Fuß. Mehrmals muss er wegen Schulden vor seinen Gläubigern aus Hamburg fliehen. Seine Biographen bescheinigen ihm einen leichtsinnigen Lebensstil, aber auch große künstlerische Zielstrebigkeit. Als das Hamburger Opernunternehmen schließlich bankrott geht, begibt sich Keiser auf Reisen, im Bemühen, anderenorts eine Kapellmeisterstelle zu finden. Als er 1723 nach Hamburg zurückkehrt, hat Georg Philip Telemann den Posten des Operndirektors inne. Gemeinsam mit ihm gestaltet Keiser fortan das Hamburger Musikleben. 1728 wird er als Nachfolger Telemanns Kantor am Hamburger Dom und komponiert bis zu seinem Tod im Jahre 1739 vorwiegend Kirchenmusik. Stets wurde Keisers melodische Erfindungsgabe gerühmt, auch sein Sinn fürs Dramatische. Als Melodiker stellte man ihn direkt in die Nähe Mozarts, wohl auch wegen seiner einschmeichelnden Liebesgesänge. * Musikbeispiel: R. Keiser - 2.Akt: Aria aus: "Der geliebte Adonis" "Schönste, die du ferne bist", Aria des Adonis aus dem 2.Akt, gesungen von Ralf Popken, Altus. Reinhard Keiser war gerade 23 Jahre alt, als er das Singspiel "Der Geliebten Adonis" komponierte. Bezeichnend für den frühen Stil Keisers ist die große Anzahl von Basso Continuo-Arien, wobei sich Gesang und Continuo-Begleitung motivisch unabhängig voneinander bewegen. Thomas Ihlenfeldt stehen im Kreis der Capella Orlandi Bremen genügend unterschiedliche Continuo-Instrumente zur Verfügung, was keine Eintönigkeit in der Begleitung aufkommen lässt. Die Suche nach stilistischen Vorbildern bei Keiser führt nach Frankreich, aber auch nach Italien bis zurück in die Zeit des Madrigals, wie die Aria zu vier Stimmen von Eumene, Adonis, Dryante und Philistus im ersten Akt gut erkennen lässt: * Musikbeispiel: R. Keiser - 1. Akt - Aria à 4 aus: "Der geliebte Adonis" "Wie verwirret führest du", Aria zu vier Stimmen aus dem ersten Akt mit Susanne Rydén als Eumene, Ralf Popken als Adonis, Mona Spägele als Dryante und Jan Kobow in der Rolle des Philistus. Die gesangliche und instrumentale Qualität dieser 1999 entstandenen Live-Einspielung bewegt sich insgesamt auf einem guten Niveau, wobei durchaus Unterschiede in den Einzelleistungen der Sänger auszumachen sind. Als Spezialität der Hamburger Oper taucht auch in Keisers "Adonis" die unvermeidliche "lustige Person" auf, hier in der Gestalt des Hirten Gelon. Wenn Gelon auf den Plan tritt und das Geschehen spitzzüngig kommentiert, darf sich der vom Drama in Atem gehaltene Zuhörer zurücklehnen und entspannen. Die Paraderolle des Gelon wird von Knut Schoch mit Witz und Raffinesse ausgefüllt, sicher eine der besten Gesangsleistungen dieser Aufnahme. * Musikbeispiel: R. Keiser - 3. Akt, Aria des Gelon aus: "Der geliebte Adonis" Das war die CD-Premiere des Singspiels in 3 Akten "Der geliebte Adonis" von Reinhard Keiser. Als Gesangssolisten hörten Sie u.a.: Marietta Zumbült, Sopran als Venus, Ralf Popken, Altus als Adoni und zum Schluss Knut Schoch, Tenor, in der Rolle des Gelon, mit der Aria "Ein Mädgen und ein Orgelwerk" aus dem 3.Akt. Die Capella Orlandi Bremen spielte unter der künstlerischen Gesamtleitung von Thomas Ihlenfeldt.

Norbert Hornig |