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Mehr Barrierefreiheit bei der Deutschen Bahn

Freie Wege für Rollstuhlfahrer im neuen ICE, eine leicht verständliche App und bessere Bedingungen an den Bahnhöfen für Menschen mit Behinderungen: Die Deutsche Bahn stellte in Berlin ihr drittes Programm für Barrierefreiheit vor. Doch es bleibe noch viel zu tun, so die Kritiker.

Von Dieter Nürnberger |
    Das Verwaltungsgebäude der Deutschen Bahn AG, aufgenommen am 27.07.2015 am Potsdamer Platz in Berlin.
    Das dritte Bahnprogramm zur Barrierefreiheit ist eine Selbstverpflichtung des Konzerns. (dpa picture-alliance / Jensen)
    Dieser Bericht ist ein Maßnahmenkatalog, der in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll. Und die Deutsche Bahn knüpft hier natürlich an schon Erreichtes an, hat aber auch einige Neuigkeiten zu bieten. Hierbei geht es natürlich auch um den neuen ICE 4, der vor zwei Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Bahn arbeitet im Bereich Barrierefreiheit regelmäßig mit Behindertenverbänden zusammen - man versucht in einem konstruktiven Dialog Forderungen aufzunehmen und auch umzusetzen. Und beim ICE 4, der noch in diesem Jahr mit dem Probebetrieb beginnen wird, soll nun für behinderte Menschen vieles einfacher werden, sagt Ellen Engel-Kuhn, sie ist Leiterin der Kontaktstelle für Behindertenangelegenheiten bei der Deutschen Bahn.
    "Wir werden vier Rollstuhlstellplätze haben. Auch eine fahrzeuggebundene Einstiegshilfe. Und vor allem ein durchgängiges Leitsystem für Menschen mit Sehbehinderungen: Das geht vom akustischen Türfindungssignal, über Piktogramme bis hin zu Leitschienen mit kontrastreicherer Gestaltung. Das ist umfassend im gesamten Zug zu finden, damit sich ein Sehbehinderter selbstbestimmt bewegen kann."
    Verbesserungen im Reisealltag
    Dieses dritte Bahnprogramm zur Barrierefreiheit ist eine Selbstverpflichtung des Konzerns. Bei der Planung spielten viele Akteure eine Rolle - Vertreter der zuständigen Bundesministerien, das Eisenbundesamt und ebenso rund ein Dutzend Behindertenverbände. So auch der Bundesverband Polio. Hans-Joachim Wöbbeking sitzt beispielsweise seit Jahrzehnten im Rollstuhl. Er reist gerne mit der Bahn - und der neue ICE 4 wird für den 67-Jährigen auch wirklich eine Verbesserung im Reisealltag sein, wie er sagt.
    "Der Weg von der vorgehenden Tür bis zum Rollstuhlplatz - der ist absolut barrierefrei. Den kann man rollen, das gilt auch für den Weg zur Toilette, im ICE 4 auch für den Weg in das Bordbistro. Da gibt es mehr Platz, man hat Rangierfläche, es gibt Tische in der richtigen Höhe. Das ist alles optimal - aber es war natürlich ein langer Prozess."
    Das dritte Programm zur Barrierefreiheit trägt den Titel "Reisen für alle" - eine neutrale Überschrift, die sich deshalb auch nicht nur an Menschen mit Behinderungen richten soll. Die Bahn geht davon aus, dass alle Fahrgäste von den geplanten Maßnahmen profitieren können. Ein Herzstück des neuen Programms ist beispielsweise eine leicht verständliche App, also ein Anwendungsprogramm für Smartphones. Dieses soll allen helfen, die bisher vielleicht schon auf dem Bahnsteig Schwierigkeiten hatten, sich zu orientieren, sagt die Leiterin der Bahnkontaktstelle Ellen Engel-Kuhn.
    "Anfangen werden wir mit den Funktionen Anzeigen in Bahnhöfen und Durchsagen in Zügen. Ein Hörbehinderter hat häufig Probleme mit den Lautsprecherdurchsagen. Entweder er hört es nur leise oder als Gehörloser überhaupt nicht. Sehbehinderte haben mit den Tafelanzeigen Probleme. Diese Informationen werden in Zukunft auch entsprechend auf das Smartphone als Text- oder Sprachnachricht kommen."
    Viele Fortschritte bei der Barrierefreiheit
    Ein erster Prototyp dieser App ist aktuell in der Umsetzung, so die Bahn. Und nach und nach sollen weitere Funktionen hinzukommen. Etwa auch Benachrichtigungen über die Funktionsfähigkeit von Aufzügen. Das ist ja oft ein Ärgernis. Dadurch sollen beispielsweise Rollstuhlfahrer schon rechtzeitig über mögliche Ausfälle von Fahrstühlen und auch über Alternativstrecken im Bahnhof informiert werden können. Hans-Joachim Wöbbeking vom Bundesverband Polio hält auch dies für richtig und wichtig. Denn die Planung einer Reise sei für einen Behinderten doch deutlich umfangreicher, als für Fahrgäste ohne Handicap. Da gebe es auch in Zukunft noch viel zu tun.
    "Über 5.000 Bahnhöfe sind sozusagen nicht über Nacht barrierefrei. Da ist noch viel zu tun. Auch die Infrastruktur muss bessere Bedingungen bieten - ähnlich wie jetzt bald in vielen Zügen. Es geht um die Bahnhöfe, die Vorplätze. Es geht um den Nahverkehr - alles muss miteinander vernetzt werden. Dass man bequem von hier nach dort reisen kann. Das ist noch ein weiter Weg."
    Von den rund 5.400 Bahnhöfen in Deutschland seien derzeit rund 75 Prozent stufenfrei, so die Deutsche Bahn. Rund 100 würden pro Jahr entsprechend modernisiert. Aus Sicht der Behindertenverbände gibt es also künftig viele Fortschritte bei der Barrierefreiheit bei der Bahn - auch wenn hier langfristig noch einiges zu verbessern ist.