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Reiseverband zum Urlaub in Coronazeiten
"Vermutlich wird es im Sommer in Deutschland sehr, sehr voll"

Der Geschäftsführer des Deutschen Reiseverbands Dirk Inger begrüßt eine Aufhebung der weltweiten Reisewarnung. Er habe keine Vorbehalte gegen Sommerreisen nach Südeuropa. Alleine in Bayern gebe es derzeit mehr COVID-19-Infektionen als in den Urlaubsländern Griechenland, Kroatien und Österreich zusammen, sagte er im Dlf.

Dirk Inger im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Strandkörbe stehen an der Promenade von Westerland auf Sylt.
Europas Strände könnten sich in den Sommerferien wieder füllen (dpa / Carsten Rehder )
Kurz vor den Sommerferien will das Kabinett die weltweit geltende Reisewarnung wegen der Corona-Pandemie aufheben - zumindest für die meisten europäischen Länder.
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Positiv sehen diese Entscheidung unter anderem Vertreter der Reisebranche. So auch der Geschäftsführer des Deutschen Reiseverbands Dirk Inger. Er ist sich sicher, dass Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen auch an Stränden in Spanien oder Griechenland funktionieren werden. Im Dlf rät er dazu, die einzelnen Länder differenziert zu betrachten und nicht in Städte und Regionen mit erhöhten Infektionszahlen zu reisen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)

Lesen Sie hier das vollständige Interview:
Jörg Münchenberg: Herr Inger, die Reisewarnung wird wohl fallen. Ist damit das Sommergeschäft gerettet?
Dirk Inger: Es ist ein Einstieg in das Sommergeschäft. Das wird sicherlich ein kompliziertes Reisejahr werden. Aber es ist eine wichtige Voraussetzung, dass das Kabinett sich heute mit dieser Frage beschäftigt und wohl auch dann differenzierte Reisehinweise beschließen wird ab 15. Juni, dass wir zumindest in einem ersten Schritt in die Länder der Europäischen Union und einige andere Staaten reisen können. Aber das sollte nur der Anfang sein.
"Man muss die Länder insgesamt differenzierter betrachten"
Münchenberg: Kommt das nicht trotzdem alles ein bisschen sehr früh? Gerade Italien, Spanien oder auch Frankreich waren ja schwer getroffen von Corona. Großbritannien will zum Beispiel ab kommender Woche auch erst mal eine Quarantäne für Einreisende verhängen.
Inger: Ja, in der Tat. Da gibt es viele Schritte, die das Reisen in diesem Sommer sicherlich noch erschweren werden. Sie sprechen Großbritannien an. Nun ist das nicht das Haupturlaubsland der Deutschen. Ich glaube, man muss die Länder insgesamt sehr differenziert betrachten.
Beispiel Spanien: Ja, es gibt sehr viele Fälle in der Region rund um Madrid, aber es hat in der ganzen Zeit fast gar keine Fälle auf den Balearen gegeben und nur sehr wenige Fälle etwa auf den Kanarischen Inseln. Oder auch in Italien sehr viele Fälle in Norditalien, aber beispielsweise in Kalabrien und Sizilien fast keine Fälle. Ich glaube, wir müssen uns angewöhnen, die Länder sehr differenziert zu betrachten.
Ein Beispiel aus Deutschland: Alleine Bayern hat derzeit mehr Covid-19-Infektionen als die drei Urlaubsländer Griechenland, Kroatien und Österreich zusammen.
Blick auf Strand, Meer und Felsenküste bei Tossa de Mar an der Costa Brava in Spanien.
Eine schwierige Botschaft der Bundesregierung Mit den geplanten neuen Reisehinweisen gibt die Bundesregierung ein ganz bewusstes, aber auch schwieriges Signal, kommentiert Gudula Geuther. Wer zur bloßen Urlaubsreise ermuntere, sei nah beim Aufruf zur Sorglosigkeit.
Münchenberg: Trotzdem sind manche Reiseveranstalter ja nicht so optimistisch. Alltours oder Schauinsland-Reisen, die haben die Flüge bis Ende des Monats erst mal weiterhin gecancelt.
Inger: Das ist richtig und das hängt damit zusammen, dass die Bundesregierung hier relativ spät erst Klarheit schafft. Die Debatte darüber, die Reisehinweise beziehungsweise die weltweite Reisewarnung aufzuheben, läuft ja schon seit vielen Wochen in der Bundesregierung, ist immer wieder vertagt worden, jetzt auf den heutigen Tag der Kabinettssitzung gleich in einer Stunde etwa. Das kommt alles relativ spät. Auch Urlauber brauchen ja Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen, möchte ich verreisen, wohin will ich reisen, und es bedarf einiger organisatorischer Vorbereitungen auch auf Seiten der Reiseveranstalter dafür. Deswegen kommt die Entscheidung der Bundesregierung spät und es braucht ein bisschen Vorlauf, um das vernünftig auch umzusetzen.
"Am Mittelmeer wird es vermutlich an vielen Stellen relativ leer sein"
Münchenberg: Wie ist trotzdem jetzt Ihre Erwartung? Werden nicht viele dann doch eher sagen, nein, dann verzichte ich erst mal auf meine Reise nach Europa und bleibe etwa lieber in Deutschland?
Inger: Sicherlich werden viele in diesem Sommer in Deutschland verreisen, aber viele werden auch eine Auslandsreise machen. Das wird nicht vom Gästevolumen so sein wie beispielsweise im vergangenen Jahr, aber es wird doch ein nennenswerter Anteil von Reisenden sein, die gerne in den Süden fahren. Vermutlich wird es im Sommer in Deutschland sehr, sehr voll werden. Normalerweise finden drei Viertel aller Urlaubsreisen im Sommer nicht in Deutschland, sondern ins europäische Ausland statt, und wenn die, die sonst alle in Europa verreisen, in Deutschland verreisen, wird es wahrscheinlich hierzulande recht voll werden, während es am Mittelmeer vermutlich relativ leer sein wird an vielen Stellen. Das heißt, +überfüllte Sehenswürdigkeiten, überfüllte Strände, dicht gedrängte Restaurants, das werden wir wahrscheinlich in vielen Haupturlaubsländern nicht sehen in diesem Sommer.
Virologe zur Aufhebung der Reisewarnung: "Ein Restrisiko bleibt" Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit hält die Aufhebung der Reisewarnung wegen der Corona-Pandemie für vertretbar. Er rät Reisenden allerdings, sich von ihrem Arzt gut beraten zu lassen. Denn im Fall einer Corona-Erkrankung im Urlaubsland, könne eine Ausreise nach Deutschland schwierig werden.
Münchenberg: Herr Inger, Sie haben ja selber gesagt, es wird alles ein bisschen mühseliger, das Verreisen in diesem Jahr. Die Frage ist ja auch für viele sicherlich, wie kulant geht denn Ihre Branche damit um, wenn zum Beispiel eine Pauschalreise plötzlich gefährdet ist oder sogar ausfallen muss wegen eines Corona-Ausbruchs, oder man ist gerade im Urlaub und dann hat man einen Corona-Ausbruch?
Inger: Reiseveranstalter verhalten sich sehr kulant. Immer dann, wenn es eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gibt oder Empfehlungen des Auswärtigen Amtes dazu, eine Reise abzubrechen, zu beenden, dann kümmern sich Veranstalter um ihre Gäste und lassen entweder eine kostenlose Stornierung zu, oder bringen die Gäste auch sofort nach Hause, wie es ja dann im März der Fall war, als deutsche Reiseveranstalter etwa 190.000 Gäste aus den vielen Urlaubsgebieten der Welt zurückgeholt haben nach Deutschland. Auf Reiseveranstalter können sich die Kunden hier verlassen.
"Die Pauschalurlauber haben die Reiseveranstalter zurückgeholt"
Münchenberg: Auf der anderen Seite hat die Bundesregierung ja auch schon klargestellt: So eine Rückholaktion wird es in der Form nicht mehr geben.
Inger: Das ist richtig. Aber die Bundesregierung muss sich um Gäste der Reiseveranstalter nicht kümmern, denn um die kümmern sich die Reiseveranstalter selber. So war es auch jetzt. Das Auswärtige Amt hat hervorragende Arbeit geleistet und in dieser Zeit etwa 60.000 vor allen Dingen Individualreisende und Residenten, die im Ausland leben, zurückgeholt. Die Pauschalurlauber haben die Reiseveranstalter zurückgeholt, oftmals mit gecharterten Maschinen und vielen anderen Maßnahmen. Das war ein großer Aufwand und hat auch viel Geld gekostet.
"In allen europäischen Ländern gibt es ordentliche Gesundheitssysteme"
Münchenberg: Herr Inger, als wichtige Kennzahl soll ja die Infektionslage gelten: 50 Fälle pro 100.000 Einwohner. Kann man denn überhaupt sicherstellen, dass diese Maßnahme dann in den 31 Ländern, um die es letzten Endes geht, eingehalten wird?
Inger: In allen europäischen Ländern gibt es vernünftige und ordentliche Gesundheitssysteme und auch belastbare Infektionszahlen. Es gibt viele Länder, die sehr gut durch diese Corona-Krise durchgekommen sind, beispielsweise Portugal, wo es fast gar keine Fälle gegeben hat. Griechenland, das jetzt auch zum Juli wieder öffnen wird, ist sehr gut durch diese Krise gekommen. Auf den griechischen Inseln gab es gar keine Fälle, auch durch eine kluge Politik der griechischen Regierung.
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Wir können schon davon ausgehen, dass in sehr vielen Ländern ein sicheres Reisen möglich ist. Es gibt sicherlich auch einige Ecken, die man meiden sollte. Wahrscheinlich werden wir wenig Urlauber in Madrid sehen in diesem Sommer und auch Norditalien muss man sich genau anschauen. Aber im Wesentlichen ist es wie in Deutschland: Wir würden auch nicht in Heinsberg Urlaub machen oder im Moment nach Göttingen fahren. Wir müssen immer dieses regionale Infektionsgeschehen uns sehr genau ansehen und danach unsere Entscheidungen treffen.
"Es gibt eine ganze Reihe an Maßnahmen"
Münchenberg: Trotzdem hat auch das vergangene Wochenende gezeigt, Herr Inger, dass das mit den Auflagen so eine Sache ist. Zum Beispiel an den deutschen Stränden wurden die Auflagen nicht eingehalten. Kann man denn wirklich davon ausgehen, dass das an den Stränden zum Beispiel in Griechenland, Italien und Frankreich einfach so funktioniert?
Inger: Erstens: Ich glaube, wir haben an diesem zurückliegenden Wochenende einen Vorgeschmack darauf bekommen, was passieren kann, wenn wir alle in Deutschland reisen. Das könnte nämlich sehr voll werden. Und zum anderen haben wir gemeinsam mit der Luftverkehrswirtschaft und anderen Verbänden einen Maßnahmenkatalog entwickelt, in dem unsere Unternehmen darlegen, wie sie die Sicherheit während des Reisens gewährleisten wollen. Dazu zählen Maßnahmen schon bei der Buchung im Reisebüro, aber beim Aufenthalt am Flughafen, beim Einsteigen ins Flugzeug, beim Weitertransport in das Hotel. Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die man einhalten muss. Das sind vor allen Dingen Abstands- und Hygienemaßnahmen und das lässt sich auch sehr gut in europäischen Urlaubsländern bewerkstelligen und unsere Unternehmen kümmern sich darum.
"Ich glaube nicht, dass eine Quarantäne droht"
Münchenberg: Aber gehört nicht zur Vollständigkeit auch, das individuelle Risiko für den Sommerurlaub ist unterm Strich schon gestiegen, auch wenn die Infektionszahlen jetzt insgesamt zurückgehen? Aber am Ende kann zum Beispiel auch selbst eine Quarantäne drohen?
Inger: Nein! Ich glaube nicht, dass eine Quarantäne droht. Das haben ja die Länder entschieden, dass die Einreise-Quarantäne auch wieder aufgehoben wird bei der Rückkehr nach Deutschland. Diesen Fall werden wir nicht haben. Wir werden sicherlich sehr genau sehen müssen, in welche Regionen fahren wir. Aber in die vielen Länder, die ganz geringe Covid-Zahlen haben, werden wir auch im Sommer wieder reisen können. Im Übrigen, glaube ich, muss Heiko Maas auch sehr schnell den Blick wieder auf das außereuropäische Ausland richten. Der Maßstab muss ja sein, wo gibt es leistungsfähige Gesundheitssysteme und in welchen Ländern sind die Covid-Zahlen gering. Ich glaube, wir müssen mal wegkommen von dem Punkt, dass wir immer darüber reden, wie wir die Freiheit einschränken, und begründen müssen, warum wir Reisefreiheit wiederherstellen. Ich glaube, dass die Einschränkung begründet werden muss, nicht die Gewährung der Reisefreiheit.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussion nicht zu eigen.