Christiane Knoll: Wir arbeiten hier in einem Turm in Köln mit Blick auf den Rhein. Fangen wir mal damit an: Stand der Pegel hier schon mal niedriger?
Uwe Belz: Das kommt darauf an, worauf Sie den Rekord beziehen. Wenn Sie auf den Abfluss Bezug nehmen, das heißt, das Wasservolumen, was an einem bestimmten Punkt entlang des Flusses durchfließt, ist es kein absolutes Extrem. Wenn wir allerdings auf die Wasserstände gucken, die letztlich ja nicht nur alleine von diesem Wasservolumen, was gerade durchfließt, abhängig sind, sondern auch von der Flussbettgestalt, und die teilweise auch davon betroffen werden, dass Tiefenerosion im Flussbett herrscht und arbeitet, haben wir tatsächlich am Niederrhein absolute Extreme. Wir haben da Niedrigwasserstände, die bisher, teilweise mit Aufzeichnungszeiten von bis zu 150 Jahren, noch niemals verzeichnet wurden. Aber das ist halt ein Produkt sowohl des niedrigen Wasserdargebotes, als auch der Flussbettveränderung, mit Tiefenerosion verknüpft.
"Wir bräuchten einige Wochen ununterbrochenen Niederschlags"
Knoll: Was müsste denn jetzt passieren, damit sich die Lage entspannt? Wie viel Regen brauchen wir, damit sich die Flüsse wieder füllen?
Belz: Wir brauchen gut über eine Milliarde Kubikmeter, zum Beispiel am Pegel Köln, um das wieder auszugleichen, das dauert schon eine Zeit lang, wir sind, je nachdem von der Intensität der Niederschläge, die das verursachen sollten, müssen wir da schon mit einigen Wochen Niederschlags, ununterbrochenen Niederschlags rechnen, was relativ unrealistisch ist.
Knoll: Was ist denn angekündigt?
Belz: Auf die lange Sicht, sprich also in den nächsten vier Wochen, laut den Einordnungen des Deutschen Wetterdienstes mehr oder weniger trockene Verhältnisse ohne große, ergiebige Niederschläge. Und für nächste Woche kann man sagen, dass die Niederschläge, die wir kürzlich erst erleben durften in den letzten Tagen sich natürlich auf die fließende Welle auswirken werden und zunächst gewisse Anstiege, so bis zu 20 Zentimeter, je nach Pegel, verursachen werden. Das wird aber dann schon so in fünf, sechs Tagen wieder bergab gehen.
Knoll: Das heißt, das wäre nur eine kurze Welle, die auch gleich wieder weiter schwimmt Richtung Meer.
Belz: Richtig, eine kurze Welle, die das Gesamtgeschehen eigentlich nicht nachhaltig beeinflusst.
Extremsituation wie 2018 "vorerst eine Ausnahme"
Knoll: Als Grund für die niedrigen Pegel nennen Sie die außergewöhnliche Ausgangslage. Wir hatten einen langen, heißen, trockenen Sommer, der Herbst ist sowieso eher niederschlagsarm, aber diesmal eben auch sehr warm, es verdunstet mehr Wasser als sonst. Wie sehen Ihre Prognosen aus, müssen wir in Zukunft mit einer Häufung solcher Konstellationen rechnen?
Belz: Die Aussagen dazu, zum Beispiel im Rahmen des KLIWAS-Projektes des Bundesverkehrsministeriums, gehen dahin, dass wir in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts tatsächlich insgesamt eine Situation haben werden, wo derartige Niedrigwasserextreme eher die Norm darstellen. Allerdings kann man auch wiederum sagen, dass ein solches Extrem wie dieses Jahr in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts immer noch die Ausnahme darstellen wird. Das heißt also, im Moment ist für die nähere Zukunft Derartiges nicht vorausberechnet.
Wie könnte der Mensch das Problem regulieren?
Knoll: Klingt aber so, als wären wir gut beraten, uns zumindest mittelfristig auf solche Niedrigwasserereignisse einzustellen. Was können wir denn tun, was schlagen Sie vor?
Belz: Ja, es gibt da natürlich eine ganze Reihe von Dingen, die einem da einfallen, ohne dass ich jetzt da quantifizieren könnte, was in welcher Weise wirksam werden würde, wäre das natürlich zum einen, dass einfach die Grundwasserneubildung verbessert wird, dass zum Beispiel Entsiegelungen stattfinden, dass die Versickerungsfähigkeit auch der Ackerflächen verbessert wird, dass zum Beispiel so mäandrierende Bäche auch mäandrieren dürfen und nicht kanalmäßig wie mit der Schnur gezogen ihr Wasser abtransportieren müssen.
Ganz extrem wäre es natürlich, der Gedanke ist mir selber auch nicht sehr wohl, weil ich selber da durchaus ein ökologisches Herz habe, aber man kann sich als Vermeidungsstrategie natürlich auch den Talsperrenbau vorstellen, aber das birgt sehr große Konfliktpotenziale, zumal ökologischer Art.
Knoll: Vor allem, man bräuchte ja dann doch einigermaßen große Seen, um überhaupt irgendwas zu bewirken in den Flüssen. Das fließt ja doch recht schnell wieder ab.
Belz: Richtig. Sie brauchen große Volumina, damit nachhaltige Stützung gewährleistet ist.
Knoll: Schwer vorstellbar, dass so was wirklich nötig sein wird. Ihnen erst mal herzlichen Dank!
Belz: Gerne geschehen!
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