Georg Ehring: Der Hitzesommer 2018 brach viele Rekorde. Bis Oktober war das Jahr so warm wie keines zuvor seit Beginn der systematischen Messungen im 19. Jahrhundert. Dazu kommen Minusrekorde beim Niederschlag und auf den trockenen Sommer folgt jetzt ein trockener Herbst. An vielen Stellen verdorrte im Sommer das Gras, auch viele Bäume sind betroffen, obwohl ihre Wurzeln ja viel tiefer reichen. Gras kommt schnell zurück, wenn es wieder regnet.
Über die Folgen für Bäume und Wälder spreche ich jetzt mit Christoph Rullmann, dem Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Guten Tag, Herr Rullmann!
Christoph Rullmann: Guten Tag.
Ehring: Herr Rullmann, was ist denn in diesem Jahr schlimmer, Hitze oder Trockenheit?
Rullmann: Beides zusammen natürlich. Wenn Sie davon ausgehen, dass ab ungefähr 40 Grad anfangen, die Eiweiß-Moleküle in der pflanzlichen Substanz auszuflocken, und wenn Sie dann sich einen Baumstamm vorstellen, der bei sehr, sehr hohen Temperaturen dann auch der prallen Sonne ausgesetzt ist, dann gibt es da schon entsprechende Schädigungen. Besonders schlimm oder gravierend ist das natürlich, wenn durch fehlendes Wasser dieses nicht ausgeglichen werden kann und von unten ein Kühlsystem in Gang gesetzt werden kann.
"Sehr viele neu gepflanzte Bäume sind vertrocknet"
Ehring: Welche Folgen hat das denn konkret? Sterben Bäume ab und wenn ja welche?
Rullmann: Ganz genau werden wir das natürlich erst im nächsten Jahr wissen. Aber wir können jetzt schon abschätzen, dass sehr, sehr viele Kulturen, sprich neu gepflanzte Bäume, die von den Waldeigentümern und den Forstverwaltungen gepflanzt wurden, um neue Wälder zu begründen, dass die ausgefallen sind, sprich vertrocknet sind.
Man geht davon aus, dass ungefähr 30 Prozent dieser Neuanpflanzungen entsprechend der Dürre zum Opfer gefallen sind. Und was dazukommt ist natürlich diese ganz, ganz starke Massenvermehrung des Borkenkäfers, die dazu geführt hat, dass dann ganz, ganz viele erwachsene Bäume auch geschädigt worden sind und entsprechend gefällt werden mussten, weil sie nicht mehr überlebensfähig waren.
Ehring: Das heißt, der Wanderer im Wald wird es im nächsten Jahr durchaus merken?
Rullmann: Der wird es im nächsten Jahr durchaus merken. Wir müssen jetzt mal gucken, wie entwickelt sich der Winter, was kommt an Wasser von oben und wie ist der Wald in der Lage, sich entsprechend zu regenerieren. Wie gesagt, wir werden erst im nächsten Jahr ganz klar wissen, ob entsprechend tatsächlich die Szenarien so eintreten, wie man jetzt davon ausgeht.
Ehring: Damit sich der Wald wieder erholt, kann man da ein bisschen nachhelfen?
Rullmann: Der Wald ist ja ein Ökosystem. Das steht natürlich immer sehr lange da. Das ist nicht, wie wenn Sie überlegen, ich pflanze dieses Jahr Mais und nächstes Jahr pflanze ich, weil der Standort jetzt zu trocken war, eine andere landwirtschaftliche Frucht, sondern der Wald steht da.
Sprich: Wir müssen jetzt erst mal gucken, wie reagiert der Wald auf diesen Extremsommer. Und vor allen Dingen, was entscheidend ist: Wie werden die nächsten Sommer sein. Ist das jetzt ein einmaliger Ausreißer, oder bestätigt sich der langfristige Wettertrend, dass wir mit einer Verschiebung auch der verschiedenen Standorte zu rechnen haben und so etwas, wie wir das dieses Jahr haben, vielleicht in Zukunft öfters auftritt.
"Bestände möglichst gemischt aufzubauen"
Ehring: Der Klimawandel wird sich ja voraussichtlich weiterentwickeln und solche Hitzesommer dann auch öfter kommen. In welche Richtung kann man denn dann den Wald umbauen, damit er besser mit solchen Verhältnissen klarkommt?
Rullmann: Wenn man guckt, dann sind gerade die Baumarten betroffen, die nicht standortgerecht sind. Sprich: Wenn wir Bäume dort pflanzen, wo sie überhaupt nicht in ihrem Optimum sind und wo sie von Natur aus nicht wachsen würden - das ist ab und zu mal bei der Fichte passiert, das ist bei anderen Baumarten passiert -, dann sind das die Bäume, die dann besonders schnell einem solchen Ereignis zum Opfer fallen.
Deswegen plädieren wir jetzt als Schutzgemeinschaft Deutscher Wald immer dafür, Bestände möglichst gemischt aufzubauen, viele verschiedene Baumarten, und auch immer standortgerechte Baumarten dort zu verwenden, um so einen Wald für alle Eventualitäten zu wappnen.
"Der Mensch muss steuernd eingreifen"
Ehring: Können Sie ein paar Beispiele nennen, welche Bäume besser mit der Trockenheit und der Hitze klarkommen?
Rullmann: Es gibt zum Beispiel Baumarten wie die Buche, die bei uns ja im Prinzip in ihrem absoluten Optimum ist, die auch eine sehr breite Amplitude hat. Die kann mal auf feuchten Standorten, die kann aber auch auf trockenen Standorten vorkommen, und da geht man davon aus, dass gerade diese Baumart besonders viele verschiedenen Nuancen entwickeln kann, wie sie entsprechend damit umgeht.
Aber es gibt zum Beispiel auch Baumarten wie die Kiefer, die ja auch auf trockeneren Standorten sehr gut zurechtkommt, oder die Lerche zum Beispiel. Da gibt es viele verschiedene Baumarten, die wir bei uns im Portfolio haben, die auch mit trockeneren Standorten entsprechend auskommen.
Ehring: Den Wald einfach in Ruhe lassen, damit sich die besten Bäume durchsetzen, ist das eine Alternative?
Rullmann: Sie müssen sich vorstellen, dass eine natürliche Klimaveränderung, wie wir sie ja schon immer hatten mit den verschiedenen Eiszeiten, sehr, sehr langsam vonstattengeht und über viele, viele Jahrtausende sich verändert hat.
Wenn wir jetzt aber davon ausgehen, die ganzen Szenarien sprechen ja innerhalb der nächsten 40, 50 Jahre, dann müssen wir uns natürlich fragen, wie soll der Wald so schnell darauf reagieren. Wie können Baumarten wandern, wie können die sich fortbewegen. Da sieht man eigentlich sehr schnell, dass das gar nicht in dieser Geschwindigkeit geht. Insofern muss der Mensch da auch steuernd eingreifen.
Ehring: Christoph Rullmann, der Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald war das. Herzlichen Dank.
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