Archiv


Rektorwahl stürzt Hochschule Bremen in die Krise

Fast hatte die Hochschule Bremen schon einen neuen Rektor: Hans-Christoph Jahr. Der Wirtschaftsrechtler hatte sich im Februar in einer Kampfabstimmung im Akademischen Senat überraschend gegen Amtsinhaber Elmar Schreiber durchgesetzt. Nun wird aus der Berufung wohl nichts mehr: Weil Jahr bei seiner Bewerbung eine zweieinhalbjährige Haftstrafe verschwiegen hatte, machte der Senat nun eine Kehrtwende.

Von Folkert Lenz |
    Darf jemand, der schon mal im Gefängnis gesessen hat, eine Hochschule leiten? Seit Ende März beschäftigt die Gremien der Hochschule Bremen diese Frage. Nun ist klar: Er dürfte - theoretisch jedenfalls. Aber verschweigen darf er die Tatsache bei seiner Bewerbung nicht. Vor allem deswegen hat sich eine Mehrheit im Akademischen Senat jetzt gegen Hans-Christoph Jahr entschieden. Mit zehn zu acht Stimmen kam der Beschluss: Bremens Bildungssenator wird aufgefordert, die Bestellung des designierten Rektors nicht vorzunehmen.

    1994 war Hans-Christoph Jahr zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte als Amtsrichter in Frankfurt Akten so manipuliert, dass er verjährte Verkehrsordnungswidrigkeiten doch noch verhandeln konnte. Für diese Rechtsbeugung in fünf Fällen musste er 20 Monate ins Gefängnis. Der Rest der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

    Doch diese Jahre blendete der Jurist in seinem Lebenslauf aus. Das durfte er auch, denn er hatte ja gebüßt für seine Verfehlungen. Trotzdem hätte sich der Anwärter - zumindest nach seiner Wahl zum Rektor - offenbaren müssen, fanden die meisten Mitglieder des Akademischen Senats. Doch die Hochschule ist in dieser Frage tief gespalten. Von "Pokerspiel" und "Enttäuschung im Umgang" war im Anschluss an die Sitzung die Rede. Die neuen Kollegen Jahrs fürchteten, dass das Image der Einrichtung Schaden nehmen könnte. Deshalb soll nun nach einem neuen Bewerber für den Chefposten gesucht werden.

    Der heute 54-jährige Jahr war schon als so genannter "Pershing-Richter" bundesweit bekannt geworden. 1983 hatte er - auf dem Höhepunkt der Friedensbewegung - sieben Medizinstudenten vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen, nachdem sie ein US-Militärdepot blockiert hatten. Den Nachrüstungsbeschluss der Bundesregierung hatte der Jurist seinerzeit als "doppelt verfassungswidrig" bezeichnet.

    Nach dem Skandal in Bremen muss Hans-Christoph Jahr offenbar jetzt außerdem um seine Stelle an der Fachhochschule Oldenburg-Ostfriesland-Wilhelmshaven zittern, wo er als Professor für Wirtschaftsrecht arbeitet. Dort soll er - so der Vorwurf - sein Führungszeugnis erst so spät eingereicht haben, dass er als nicht vorbestraft gelten konnte und deshalb angestellt wurde. In der kommenden Woche - so hieß es heute - wolle sich die Hochschulleitung zu dem Fall äußern.