Wer sich zeigt, ist offen.
Wer sich zeigt, ist frei
Wer sich zeigt, hat Mut.
"Es ist etwas Feierliches", sagt Kawthar El Qasem über den Moment, wenn sie das Kopftuch anzieht.
"Wenn wir ein Fest haben und ich mich kleide – und das gehört zu meiner Kleidung – dann ist es etwas Festliches."
Für Kawthar El Qasem ist es ein Gottesdienst, das Kopftuch zu tragen. Seit 30 Jahren tut sie das – über alle Veränderungen ihres Lebens hinweg, über alle Stadien der christlich-muslimischen Beziehungen, alle Wärmegrade von Willkommenskultur bis hitziger Fremdenfeindlichkeit. Am Anfang hatte sie Hoffnung:
"Weil damals das Bild war: die Frauen mit Kopftuch, das sind die Putzfrauen, die haben keine Bildung, die sind "unterdrückt". Und dann haben wir gesagt: Wir werden studieren, wir werden anders sein und dann wird man sehen, dass das nicht so ist."
Kawthar El Qasem war Mädchen als sie begann, morgens ihr Kopftuch zu binden, ihren Haaransatz zu verhüllen. Heute ist sie Mutter von drei Kindern, sie wohnte in Wuppertal, heute in Düsseldorf, war Schülerin und ist jetzt Wissenschaftlerin. Aber all diese Anstrengungen scheinen nicht zu zählen – auf den ersten Blick jedenfalls wird Kawthar el Qasem doch nur als ‚Frau mit dem Kopftuch‘ wahrgenommen.
Aus der unterdrückten Frau wurde die militante Frau
"Die ganze Diskussion hat sich verändert: von: die unterdrückte Frau mit dem Kopftuch ist die militante Frau, die bedrohliche Frau geworden, die politisch motivierte Frau, in der Debatte, nicht in Wirklichkeit."
In den vergangenen Monaten haben sich die Reaktionen wieder verändert: einerseits erfährt die schmale Frau, die sich schnell bewegt und – als wir mit ihr sprechen - ein leuchtend violettes Kopftuch trägt, Mitgefühl. Ihr Trainer beim Sport zum Beispiel erkundigte sich nach den Anschlägen von Paris, ob ihr als erkennbarer Muslimin Hass entgegenschlüge. Andererseits haben sich den vergangene Monaten die Reaktionen wieder verändert.
KawtharEl Qasem sagt: "Das tröstet dann ein bisschen darüber hin, dass die Gesamtatmosphäre so hemmungsloser geworden ist. Besonders nachdem die Pegida-Demonstrationen angefangen haben und die AfD so in Fahrt gekommen. Da merkt man schon: die Hemmschwellen sind gesunken. Leute trauen sich jetzt einfach mehr zu sagen."
Wer sich zeigt, verrät, wo er her kommt.
Niemand muss hinschauen.
Wer sich zeigt, gibt Hinweise, wer er, wer sie ist.
Jeder kann es sehen. Niemand muss hinschauen.
"Ich bin auch in der Öffentlichkeit nicht mehr als jüdisch identifizierbar", sagt Daniel Alter, ehemaliger Rabbiner der liberalen Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er trägt immer eine Kippa. Aber er versteckt sie unter einem Hut oder einer Mütze, seit er im Jahr 2012 im Berliner Stadtteil Friedenau überfallen worden war.
Jugendliche, allem Anschein nach mit arabischem Migrationshintergrund, verletzten Daniel Alter so schwer, dass er mit gebrochenem Jochbein behandelt werden musste.
Die Kippa als Eselsohr für die Seele
Seither verbirgt der 57Jährige seine Religion in der Öffentlichkeit. Das ist für ihn nicht allein eine Demütigung als Jude – zumal als deutscher Jude der Nachkriegs- und Nachholocaust-Generation –, sondern auch als Staatsbürger.
"Das ist ein großes Problem. Das ist natürlich auch schmerzhaft für mich, weil es mich eines Teils meiner Freizügigkeit und meiner demokratischen Grundrechte beraubt", sagt Daniel Alter.
"Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet." Grundgesetz, Artikel vier.
Zur ungestörten Religionsausübung eines jüdischen Mannes gehört es daher, wenn er das Haus verlässt, eine Kippa auf den Kopf zu setzen, ein Zeichen der Demut. Daniel Alter:
"Für mich ist es ein Symbol des Respekts gegenüber Gott. Für mich ist es ein Zeichen, um bildlich zu sprechen, dass Gott über mir thront – es soll mir auch helfen ein bewusstes und möglichst konzentriertes Leben zu führen. Die Ideale, die durch unsere Köpfe geistern sind alle sehr hehr und sehr edel, aber if it gets down to knitty gritty real life, dann ist es oft viel weniger edel. Das ist ganz menschlich. So sind wir – und wir haben ganz hohe Aspirationen, aber so im Alltagsleben vergessen wir das manchmal – und da ist ein Eselsohr, das man sich sozusagen in die eigene Seele macht, gar nicht so schlecht."
Eine fassbare, fühlbare Erinnerung an das, was er glaubt und für richtig hält.
Wer sich zeigt, hat Mut.
Wer sich zeigt, muss mit Urteilen anderer Menschen leben.
Wer sich zeigt, provoziert.
"Normalerweise schweigt man als Atheist, damit man religiöse Gefühle von jemandem nicht verletzt", sagt Ricarda Hinz. Sie engagiert sich in der Giordano-Bruno Stiftung als Atheistin und Humanistin. Auch für Menschen, die – wie sie - bewusst religions-frei leben gibt es ein Erkennungszeichen. "Ein rotes A kann man sich da bestellen und sich ans Revers heften. Ich hab‘ das bestellt, ich hab‘ mich drüber gefreut, aber jetzt liegt es bei mir zu Hause, weil es mir doch nicht so wichtig ist, das immer nach außen zu tragen."
Angepöbelt im Habit
"In jungen Jahren, oder als ich eingetreten bin, habe ich ja mit großem Stolz den Ordenshabit oder die Klerikerkleidung getragen", erzählt Pater Manuel Merten. Er ist seit mehr als 50 Jahren Mönch, jahrelang leitete er das Dominikanerkloster in der Düsseldorfer Altstadt. Heute zeigt er sich – außerhalb seiner Gottesdienste - nicht mehr gerne im Habit. Nicht nur, weil er und seine Mitbrüder immer wieder angepöbelt werden. Er wünscht sich auch, dass er nicht so sehr an seiner Kleidung als vielmehr an seinen Worten und Taten als Christ erkennbar ist.
"Ein Bekenntnis nach außen – jeden Morgen, das muss ich also wirklich sagen, das ist überhaupt nicht in meinem Kopf. Weder auf dem Fahrrad noch beim Skifahren trage ich ein Habit. Das ist einfach auch unpraktisch."
In den christlichen Konfessionen tragen heute fast ausschließlich Geistliche im Gottesdienst religiös begründete Kleidung. Diese allerdings erzählt eine lange Geschichte: Mönche und Nonnen tragen mit ihrem Habit, evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer mit dem Talar und die Priester mit ihren Gewändern – alle weit, kleid-artig und bodenlang - Traditionen aus Rom und Byzanz durch die Jahrhunderte.
Manche Christen tragen allenfalls noch ein Kreuz um den Hals. Den meisten Katholiken oder Protestanten genügt das auch. Was sie bewegt, was sie oder er glaubt, geht niemanden etwas an. Die individualistische Gesellschaft ist skeptisch gegenüber äußeren Zeichen für Glauben und Überzeugung. Wo Menschen ihre Zugehörigkeit zeigen, scheint der Weg nicht weit zu Zwang und Uniform.
Nur samstags ist das anders: da bekennen sich Tausende mit Fanschals zu ihren Fußballclubs – oft ohne jeden Humor. Einmal in der Woche zeigen sie Stärke, feiern Siege, ertragen Niederlagen gemeinsam.
Das religiöse Bekenntnis ist in der säkularen Welt komplizierter. Es wirkt in drei Richtungen. Zu Gott, in den bekennenden Menschen hinein und in die Gesellschaft. Anders gesagt: In den Himmel, in die Seele und auf die Straße. Innere Befriedigung und äußere Gefahr liegen daher nah beieinander. Kawthar el Qasem fühlt sich dennoch mit ihrer Kleidung, die sie als Muslimin sichtbar macht, geschützt: "Wenn ich vielleicht eine schwierige Zeit habe, dann habe ich mehr das Gefühl, dass es eine Schutzhülle ist, die mir Geborgenheit gibt, das ist sehr, sehr unterschiedlich. Was aber bleibt ist dieses Gefühl, dass ich damit Gott näher komme und dass ich damit Gottes Gebot erfülle."
Zeichen innerer Stärke
Wahrhaftigkeit gegenüber Gott ist Kawthar el Qasems innerer Kompass – auch für die Entscheidung, das Kopftuch zu tragen: "Weil aus islamischem Verständnis die Absicht zählt. Vor Gott zählt die Absicht."
Die eigene Absicht. Deshalb würde Kawthar el Qasem ihre 13jährige Tochter nicht überreden, schon gar nicht zwingen, das Kopftuch auch zu tragen. Wer es einem Menschen zuliebe trägt, sagt sie, verstoße sogar gegen Gottes Gebot. Außerdem sei der Widerstand gegen dieses Zeichen des Islams nur auszuhalten, wenn man ganz davon überzeugt sei:
"Dazu braucht man Kraft und muss eine gewisse Stärke auch haben – und diese Stärke hat man nur, wenn man von einer Sache absolut überzeugt ist. Selbst die, die absolut überzeugt sind, für die ist es auch sehr schwer – von daher erübrigt sich der Gedanke, Druck auszuüben."
Wem Religion als Element der Identität fremd ist, findet es – im Gegenteil – schwach, sich mehr über die Religion öffentlich darzustellen als über das eigene Wesen. Ricarda Hinz von der Giordano-Bruno-Stiftung:
"Für mich ist das auch ein Ausdruck von Schwäche, wenn jemand so etwas frönt, dann ist er individuell unsicher. Und das trifft eben meiner Meinung nach auch auf Religiöse zu. Je stärker sie das Bedürfnis haben an eine Konformität, an eine Norm anzulehnen, desto schwächer sind sie eigentlich in ihrer Individualität."
Sie findet es gut, dass heute – im Gegensatz zu früheren Zeiten – die Gesellschaft wenige Forderungen an die Kleidung stellt. Außer bei Jugendlichen, die angesagte Marken brauchen, um in ihrer Gruppe zu bestehen, gibt es nur wenige Vorschriften. Selbst die Mode verlangt nicht mehr das Profil der Saison und Uniformen sind ohnehin auf wenige Berufe beschränkt.
"Diesen geringen Konformitätsdruck der offenen Gesellschaft, den gilt es zu erhalten, dass jeder sich frei ausdrücken kann auch in seiner Kleidung und entsprechend eine große Vielfalt zum Tragen kommt. Und wenn es jetzt aber entsprechend große Kollektive gibt, die ihre Zusammengehörigkeit durch eine gemeinsame Kleidung und entsprechen hohe Konformitätserwartung zum Ausdruck bringen – dann kann man das auch noch tolerieren, aber es wird schon schwierig, das zu akzeptieren", meint Ricarda Hinz.
Eine Frage der Toleranz
Die Humanistin Ricarda Hinz plädiert aber genau dafür: Religiöse Kleidung – solange sie den Menschen nicht verdeckt wie die Burka – zu tolerieren. Was Kawthar es Qasem kürzlich erlebt hat, findet auch Ricarda Hinz unwürdig.
Die muslimische Frau hat sich viel Stärke erarbeitet. Sie hat zunächst Architektur studiert, dann an der Düsseldorfer Kunstakademie einen Abschluss in Baukunst gemacht und inzwischen ihre Doktorarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar eingereicht.
Dennoch: Seit von Muslimen verübte Anschläge die Gesellschaft ängstigen, seit Pegida-Demonstrationen Kritik am Islam in weiten Kreisen der Gesellschaft akzeptabel gemacht haben, seither ist auch eine Frau wie Kawthar el Qasem unverhohlener Ablehnung ausgesetzt.
Etwa als sie eine Tagesmutter für ihren vierjährigen Sohn suchte. Sie erzählt: "Sie hat angefangen Fragen zu stellen, woher ich kommen würde. Ja, ich bin deutsch. Aber das Kopftuch? Ob ich nicht Türkin sei? Nein, ich bin keine Türkin. Aber warum dann das Kopftuch? Dann habe ich erklärt, dass das mit der Religion zu tun hat und nicht mit der Nationalität."
Die Tagesmutter, die el Qasem empfohlen worden war, wartete keine weiteren Erklärungen ab.
"Das wäre jetzt nur Zeitverschwendung. Wenn ich ihr schon gesagt hätte, dass ich ein Kopftuch trage, dann hätte sie mir vorher schon von vornherein gesagt, dass das nicht geht. Das könnte sie nicht vertreten gegenüber anderen Eltern, irgendwelche Professoren und Anwälte, die ihre Kinder bei ihr haben – sie wäre ganz ehrlich, sie würde mir sagen, das mit dem Kopftuch geht gar nicht und ich könnte jetzt gehen."
Mit ihrem kleinen Sohn, der Zeuge des Auftritts wurde. Kawthar el Qasem zog ihm die Jacke an und ging. Eine solche Anfeindung hatte sie bis dahin nie erlebt.
"Mich hat das eigentlich noch mehr motiviert, die Schönheit meiner Religion zu erfahren. Angefangen von Koran-Rezitationen über Gesänge, zusätzliche Gebete – auch diese religiöse, spirituelle Erfahrung noch mehr zu suchen, Diese Erfahrung von Schönem ist ja auch etwas, was die Menschen stärkt. Insofern hat mich das meinem Glauben sogar ein Stück näher gebracht."
Wer sich zeigt, gibt Hinweise, wer sie ist.
Niemand muss hinschauen.
Wer sich zeigt, provoziert.
Niemand muss verstehen.
Es ist anstrengend, sich zu zeigen.
"Auch eine Muslimin möchte nicht in einem Flugzeug sitzen, das explodiert"
Was die Gesellschaft betrifft, so plädiert Kawthar El Qasem seit Jahren dafür, dass sichtbar bekennende Muslime in Deutschland in Polizei und Sicherheitsdiensten tätig sind. Dann hätte sie als Muslimin das Gefühl, dass sie nicht nur zu der Gruppe gehört, die als Bedrohung gilt, sondern auch zu der, die der Gefahr entgegentritt. Muslime in Europa sind schließlich genauso gefährdet, Opfer von Anschlägen zu werden wie Deutsche, Franzosen oder Niederländer.
"Sicherheit ist etwas, was uns alle angeht – auch eine Muslim möchte nicht gerne in einem Flugzeug sitzen, das explodiert. Das ist doch logisch!", sagt sie.
Aber gerade erst im März hat der Europäische Gerichtshof in einem der vielen Verfahren über das Recht, bei der Arbeit ein Kopftuch zu tragen, entschieden. Verhandelt wurden zwei Fälle. In dem einen Fall wollte eine Rezeptionistin das Kopftuch während ihrer Arbeitszeit anbehalten. Ihr wurde gekündigt. In dem anderen Fall hatte sich die Mitarbeiterin eines Softwareunternehmens geweigert, in Kundengesprächen das Kopftuch abzulegen. Auch sie verlor ihre Stelle. Die Kündigung der Rezeptionistin war rechtens, sagt der Europäische Gerichtshof. Das Unternehmen dürfe religiöse Neutralität seiner Mitarbeiter zur Bedingung machen. Die Kündigung der IT-Beraterin wertete das Gericht als Diskriminierung, weil nur das islamische Symbol betroffen war.
Kawthar el Qasem steht beruflich an der Schwelle zu neuen wissenschaftlichen Projekten. Die Ergebnisse ihrer Verhandlungen sind noch offen.
Wer sich zeigt, macht Angst.
Niemand muss hinschauen.
Wer sich zeigt, hat selbst Angst.
Niemand muss verstehen.
Wer sich zeigt, zeigt seine Angst nicht.
Der Berliner Rabbiner Daniel Alter, der heute aber nicht mehr in der liberalen jüdischen Gemeinde in der Oranienburger Straße tätig ist, sondern in internationalen Projekten, gilt als der Erfinder des Wortes "No-go-zone" für jüdische Menschen in Deutschland.
"Das Wort Jude ist ein Schimpfwort auf dem Schulhof"
Berlin Neukölln gilt als ein solches Gebiet und die Reporterin der Wochenzeitung "Die Zeit", die im Februar mit einem orthodoxen jüdischen Rabbiner dort durch die Straßen ging, hörte Pöbeleien und ob der Mensch, der vor ihm ausspuckte, ihn damit meinte oder nur allgemein ungehörig war, ist ihr nicht klar geworden.
Daniel Alter geht solchen Anfeindungen aus dem Weg. Er gibt sich nicht mehr als Jude zu erkennen. Aber er träumt immer noch davon, dass er das wieder könnte:
"Eine gesamtgesellschaftliche Bewegung müsste entstehen. In der deutschen Gesellschaft muss das Bewusstsein entstehen, die Bekämpfung des Antisemitismus, das ist nicht nur ein Kampf für das Bestehen jüdischer Gemeinschaften, das ist ein Kampf für den Erhalt einer demokratischen Zivilgesellschaft."
Der letzte Antisemitismusbericht, von Experten für den Bundestag zusammengestellt, ist schon fünf Jahre alt, der nächste wird noch im April, in diesem Monat, dem Bundestag übergeben und vorgestellt. Der Ergebnis des letzten Berichtes beunruhigt Daniel Alter bis heute: Jeder Dritte Mensch, der in Deutschland lebt, gilt als unterschwellig oder offen antisemitisch. Auch seinen Kindern empfiehlt er, mit ihrer Religion hinter dem Berg zu halten. Gerade seinen Kindern:
"Wir haben an unseren Schulen, vor allem in Berlin, an fast jeder Schule, dass das Wort Jude täglich auf dem Schulhof als Schimpfwort benutzt wird."
Die Situation an den Schulen habe sich, so Alter, seit dem letzten Antisemitismusbericht noch verschärft. Dabei hätten Abgeordnete des Bundestages aufgeschreckt darauf gedrungen, dass an Schulen der Umgang mit judenfeindlichen Äußerungen der Gegenwart durchgenommen wird. Das ist nicht geschehen, bestätigt eine der Autorinnen des alten wie des kommenden Antisemitimusberichts, Juliane Wetzel, vom Zentrum für Antisemitismusforschung.
"Wir haben dafür plädiert, dass an Schulen nicht nur der historische sondern vor allem auch der aktuelle Antisemitismus zum Thema gemacht wird. Aber bisher können wir nicht erkennen, dass das in den Bundesländern, die ja für Schulen zuständig sind, auch getan wird. Es ist weitgehend der Initiative einzelner Lehrerinnen und Lehrer überlassen, über Antisemitismus zu reden", sagt sie.
Daniel Alter wird sarkastisch, wenn er darüber spricht.
"Ah, Antisemitismus gibt es bei uns nicht! Damit will keiner was zu tun haben. Das ist so negativ besetzt und so peinlich und so ein schlimmes Stigma, dass man eben versucht, das zu ignorieren. Vogel-Strauß-mäßig."
Und Juden hätten unter dieser Scham der nicht-jüdischen Mehrheit zu leiden.
Wer sich versteckt, ist vorsichtig.
Wer sich versteckt, passt auf sich auf.
Wer sich versteckt, ist alleine.
Die laute Minderheit der arabischen Judenhasser
Daniel Alter sagt: "Und dann kommt hinzu noch der wesentlich weiter verbreitete Judenhass in der migrantischen, speziell in der islamisch-arabischen Community."
Aber – natürlich – es ist wie immer: Gefährliche Muslime sind die Minderheit – aber eben eine laute Minderheit, die sich zeigt und die Straße für sich in Anspruch nimmt.
"In der islamischen Community gibt es Imame, mit denen kann ich im Rahmen des interreligiösen Dialogs ganz hervorragend zusammen arbeiten, auch was die Bekämpfung von jeder Form von Diskriminierungs- und Ungleichwertigkeits-Ideologie angeht."
Auch Kawthar el Qasem hofft darauf, dass sich Muslime und Juden sich in Deutschland verständigen. Sie sind einander in Vielem näher sind als dem Christentum und könnten eine Solidarität praktizieren, die beide Seiten stärkt:
"Ich glaube, der Weg ist, dass wir uns konzentrieren auf unser Leben hier. Und wenn wir uns begegnen eher nicht darüber sprechen, was mit Israel ist, sondern: was verbindet uns hier? Weil: das ist auch der Raum, den wir uns teilen, also der gesellschaftliche Raum."
Ricarda Hinz sagt: "Da gebe ich mir ja auch Mühe, dass ich so aussehe und wieder zu erkennen bin als die Ricarda und nicht zu verwechseln bin und der Rabbi möchte vielleicht eher so aussehen wie andere Rabbiner, dass man seine Religion erkennt – so lange viele Gruppierungen nebeneinander existieren können und keine für sich beansprucht, alle anderen müssen jetzt auch so aussehen, so lange die Vielfalt gewährleistet ist, lässt sich das alles tolerieren."
Wer sich zeigt, ist offen.
Wer sich zeigt, ist frei.
Wer sich zeigt, hat Mut.