Die große Herz-Jesu-Kathedrale in Delhi ist bis auf den letzten Platz besetzt. Ventilatoren drehen sich an der Decke, doch in der tropischen Hitze verschaffen sie den Gläubigen kaum Kühlung. Das Innere der ältesten katholische Kirche der Hauptstadt ist schlicht gehalten, auf den weißen Wänden wurden lediglich einige geschnitzte Bildnisse mit biblischen Szenen aufgehängt. Es wirkt fast so, als wolle man nicht mit allzu viel Prunk die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die Fürbitte für verfolgte Christen kommt noch vor der für die Hungernden und Kriegsopfer. Dass sie als gläubige Christen nie ganz sicher sein können, ob und wann das nächste Mal eine Welle von Hass auf sie zurollt, verunsichert die Mitglieder der katholischen und evangelischen Gemeinden Indiens. Eine Gottesdienstbesucherin beschreibt die Angst, mit der Christen hier leben:
"Es kommt immer wieder vor, dass wir von radikalen Hindus in Sprechchören angeschrien werden, dass sie Schulen zerstören oder dass Nonnen vergewaltigt werden. Wenn ich daran denke, fühle ich mich schlecht."
Fast täglich kann man von irgendwelchen Übergriffen auf Christen in der Zeitung lesen. Die meisten finden in eher rückständigen Regionen und im Norden und Zentrum des Subkontinentes statt. John Dayal ist der Generalsekretär des All India Christian Council und er beobachtet mit Sorge, wie sich die Lage der religiösen Minderheit im Lande verschlechtert.
"Die letzten 15 Jahre waren für die Christen besonders hart und die letzten vier katastrophal. Vor vier Jahren gab es den großen Gewaltausbruch im ostindischen Bundesstaat Orissa. Da war ein Christ des Mordes an einem Hindu beschuldigt worden. Daraufhin wurden 400 Dörfer angegriffen und alle dort lebenden Christen vertrieben. 65.000 Christen flohen aus Angst um ihr Leben in die Wälder, 5600 Häuser wurden niedergebrannt, ebenso knapp 300 Kirchen. Außerdem wurden rund 100 Menschen getötet. Und bis heute gibt es für diese Menschen keine Gerechtigkeit."
John Dayal und andere hochrangige Kirchenvertreter in Indien kämpfen vier Jahre nach der Gewaltwelle noch immer dafür, dass die Anführer verurteilt werden und die Opfer Ersatz für ihre zerstörten Häuser erhalten. Hinter der großen Gewaltwelle von Orissa und den alltäglichen Einschüchterungen und Übergriffen stehen radikaler Hindus, die Sangh Parivar.
"Ich traf vor einiger Zeit den Premierminister, und der sagte, das ist nur eine Minderheit von einem Prozent der Hindus. Aber ein Prozent von einer Milliarde sind eine Menge Leute. Diese Wahnsinnigen versuchen, in allen Dörfern Schulen zu eröffnen, um ihre radikale Ideologie lehren zu können. Die ist sehr einfach: Wenn Du in Indien leben willst, dann muss Rama Dein Gott sein."
Diese sich verstärkende Bewegung der Sangh Parivar hatte zunächst hauptsächlich Moslems und dann Sikhs im Visier. Christen sind erst seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts in ihren Focus gerückt. Das, so glauben indische Kirchenvertreter, liegt auch daran, dass es einen deutlichen Zustrom von Hindus aus niedrigen Kasten zum Christentum gibt. Auch wenn das Kastenwesen seit 1949 offiziell abgeschafft wurde, werden die Dalits, die Angehörigen der niedrigsten Kaste, in der indischen Gesellschaft noch immer benachteiligt und ausgegrenzt. Sie bekommen die schlechtesten Jobs, ihre Kinder sind in vielen Schulen unerwünscht und so machen sie einen großen Teil der armen Bevölkerungsschicht aus. Um dem Stigma zu entrinnen konvertieren viele zum Christentum.
"Sie suchen nach einer Religion, die alle gleich behandelt, nach einer Weltanschauung, die ihnen Würde gibt."
Cosmon Arokiaraj ist der Beauftragte der indischen katholischen Kirche für christliche Dalits. Von den 23 Millionen Christen, die in Indien leben, stammen mehr als zwei Drittel aus den niedrigen Kasten.
"Wenn ein Dalit zum Christentum konvertiert, dann wächst sein Selbstvertrauen und er wird sich seiner Rechte bewusst. Das ist eine Bedrohung für die Elite der indischen Gesellschaft, die immer noch aus Mitgliedern der hohen Kasten besteht. Sie haben Angst, dass ihre Autorität in Frage gestellt wird."
Viele Millionen arme Dalits, die mit dem neuen Testament in der Hand Gerechtigkeit fordern und die die gesellschaftliche Ordnung in Frage stellen, das ist für kastenbewusste Inder ein Albtraum. Und so wurden inzwischen in acht Bundesstaaten Antikonvertierungsgesetzte erlassen.
"Wenn ein Angehöriger einer niedrigen Kasten zum Christentum übertreten will, muss er dafür zuerst die Erlaubnis der lokalen Regierung einholen. Dabei garantiert die indische Verfassung die freie Religionsausübung. Diese bürokratischen Hindernisse erschweren es den Dalits, sich dem Christentum zuzuwenden."
Mit der Begründung, sie würden Hindus zwangsweise konvertieren, werden häufig Priester und Nonnen, die Dalits taufen, von radikalen Hindus tätlich angegriffen und ihre Kirchen beschädigt. Im Moment ist die Stimmung den Christen gegenüber zwar angespannt aber abgesehen von kleineren Übergriffen weitgehend friedlich. Doch John Dayal befürchtet, dass es wieder einmal zu einer größeren Gewaltwelle kommen wird.
"Der Hass bricht sich irgendwann Bahn. Er ist gegen Muslime, gegen Sikhs, gegen Buddhisten und gegen Christen ausgebrochen, weil sich die Regierung einfach nicht mit den Hasskampagnen der radikalen Hindus auseinandersetzt. Deshalb kann es leicht wieder zu Gewaltausbrüchen kommen."
Die Fürbitte für verfolgte Christen kommt noch vor der für die Hungernden und Kriegsopfer. Dass sie als gläubige Christen nie ganz sicher sein können, ob und wann das nächste Mal eine Welle von Hass auf sie zurollt, verunsichert die Mitglieder der katholischen und evangelischen Gemeinden Indiens. Eine Gottesdienstbesucherin beschreibt die Angst, mit der Christen hier leben:
"Es kommt immer wieder vor, dass wir von radikalen Hindus in Sprechchören angeschrien werden, dass sie Schulen zerstören oder dass Nonnen vergewaltigt werden. Wenn ich daran denke, fühle ich mich schlecht."
Fast täglich kann man von irgendwelchen Übergriffen auf Christen in der Zeitung lesen. Die meisten finden in eher rückständigen Regionen und im Norden und Zentrum des Subkontinentes statt. John Dayal ist der Generalsekretär des All India Christian Council und er beobachtet mit Sorge, wie sich die Lage der religiösen Minderheit im Lande verschlechtert.
"Die letzten 15 Jahre waren für die Christen besonders hart und die letzten vier katastrophal. Vor vier Jahren gab es den großen Gewaltausbruch im ostindischen Bundesstaat Orissa. Da war ein Christ des Mordes an einem Hindu beschuldigt worden. Daraufhin wurden 400 Dörfer angegriffen und alle dort lebenden Christen vertrieben. 65.000 Christen flohen aus Angst um ihr Leben in die Wälder, 5600 Häuser wurden niedergebrannt, ebenso knapp 300 Kirchen. Außerdem wurden rund 100 Menschen getötet. Und bis heute gibt es für diese Menschen keine Gerechtigkeit."
John Dayal und andere hochrangige Kirchenvertreter in Indien kämpfen vier Jahre nach der Gewaltwelle noch immer dafür, dass die Anführer verurteilt werden und die Opfer Ersatz für ihre zerstörten Häuser erhalten. Hinter der großen Gewaltwelle von Orissa und den alltäglichen Einschüchterungen und Übergriffen stehen radikaler Hindus, die Sangh Parivar.
"Ich traf vor einiger Zeit den Premierminister, und der sagte, das ist nur eine Minderheit von einem Prozent der Hindus. Aber ein Prozent von einer Milliarde sind eine Menge Leute. Diese Wahnsinnigen versuchen, in allen Dörfern Schulen zu eröffnen, um ihre radikale Ideologie lehren zu können. Die ist sehr einfach: Wenn Du in Indien leben willst, dann muss Rama Dein Gott sein."
Diese sich verstärkende Bewegung der Sangh Parivar hatte zunächst hauptsächlich Moslems und dann Sikhs im Visier. Christen sind erst seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts in ihren Focus gerückt. Das, so glauben indische Kirchenvertreter, liegt auch daran, dass es einen deutlichen Zustrom von Hindus aus niedrigen Kasten zum Christentum gibt. Auch wenn das Kastenwesen seit 1949 offiziell abgeschafft wurde, werden die Dalits, die Angehörigen der niedrigsten Kaste, in der indischen Gesellschaft noch immer benachteiligt und ausgegrenzt. Sie bekommen die schlechtesten Jobs, ihre Kinder sind in vielen Schulen unerwünscht und so machen sie einen großen Teil der armen Bevölkerungsschicht aus. Um dem Stigma zu entrinnen konvertieren viele zum Christentum.
"Sie suchen nach einer Religion, die alle gleich behandelt, nach einer Weltanschauung, die ihnen Würde gibt."
Cosmon Arokiaraj ist der Beauftragte der indischen katholischen Kirche für christliche Dalits. Von den 23 Millionen Christen, die in Indien leben, stammen mehr als zwei Drittel aus den niedrigen Kasten.
"Wenn ein Dalit zum Christentum konvertiert, dann wächst sein Selbstvertrauen und er wird sich seiner Rechte bewusst. Das ist eine Bedrohung für die Elite der indischen Gesellschaft, die immer noch aus Mitgliedern der hohen Kasten besteht. Sie haben Angst, dass ihre Autorität in Frage gestellt wird."
Viele Millionen arme Dalits, die mit dem neuen Testament in der Hand Gerechtigkeit fordern und die die gesellschaftliche Ordnung in Frage stellen, das ist für kastenbewusste Inder ein Albtraum. Und so wurden inzwischen in acht Bundesstaaten Antikonvertierungsgesetzte erlassen.
"Wenn ein Angehöriger einer niedrigen Kasten zum Christentum übertreten will, muss er dafür zuerst die Erlaubnis der lokalen Regierung einholen. Dabei garantiert die indische Verfassung die freie Religionsausübung. Diese bürokratischen Hindernisse erschweren es den Dalits, sich dem Christentum zuzuwenden."
Mit der Begründung, sie würden Hindus zwangsweise konvertieren, werden häufig Priester und Nonnen, die Dalits taufen, von radikalen Hindus tätlich angegriffen und ihre Kirchen beschädigt. Im Moment ist die Stimmung den Christen gegenüber zwar angespannt aber abgesehen von kleineren Übergriffen weitgehend friedlich. Doch John Dayal befürchtet, dass es wieder einmal zu einer größeren Gewaltwelle kommen wird.
"Der Hass bricht sich irgendwann Bahn. Er ist gegen Muslime, gegen Sikhs, gegen Buddhisten und gegen Christen ausgebrochen, weil sich die Regierung einfach nicht mit den Hasskampagnen der radikalen Hindus auseinandersetzt. Deshalb kann es leicht wieder zu Gewaltausbrüchen kommen."