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Religiöse Spannungen in Indien
"Das Risiko von Gewalt wächst"

1992 zerstörten Hindunationalisten eine Moschee in Indien, weil dort ein Hindu-Tempel gestanden haben soll. Politiker der Regierungspartei BJP werden nun deswegen angeklagt. Die Kontroverse um die zerstörte Moschee sei bis heute virulent in Indien, sagte "Zeit"-Korrespondent Jan Roß im Deutschlandfunk.

Jan Roß im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Jubelnde Hindus auf der Kuppel der eroberten Moschee. Radikale Hindus zerstörten am 6. Dezember 1992 die 1528 erbaute Babri-Moschee in Ayodhya im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, um an deren Stelle zu Ehren des Hindu-Gottes Rama einen Tempel zu errichten. Die dadurch entstandenen Unruhen forderten im ganzen Land rund 1200 Menschenleben. (Bild: picture-alliance / dpa)
    Jubelnde Hindus auf der Kuppel der eroberten Moschee am 6.12.1992. (picture-alliance / dpa)
    Vor 25 Jahren wurde die Babri-Moschee in der indischen Stadt Ayodhya von Hindunationalisten zerstört, ein Gebäude aus dem frühen 16. Jahrhundert. Es folgten tagelange, blutige Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen mit mehr als 2000 Toten. Inzwischen ist das Gelände abgesperrt – und wird es wohl noch lange Zeit bleiben. Denn immer noch ist der religiöse Konflikt um das ehemalige Moschee-Gelände ungelöst. Strenggläubige Hindus sind der Ansicht, dort sei der Gott Rama geboren worden und dort wo einst die Moschee stand, soll in früheren Jahrhunderten ein Hindu-Tempel gestanden haben. Ein indisches Gericht entschied nun, dass gegen führende Politiker der Regierungspartei BJP Anklage erhoben werden soll, wegen krimineller Verschwörung.
    Das Klima hat sich verschärft
    Die BJP habe den Konflikt damals bewusst als Mittel genutzt, um Wähler zu mobilisieren, sagt Jan Roß. Dies sei ein Mechanismus, der in Indien relativ häufig zu finden sei. In dem multireligiösen Land sei das aber gefährlich. Vor der indischen Parlamentswahl 2014 habe man bewusst moderate Töne angeschlagen und den politischen Hinduismus und die Kontroverse um Ayodhya nicht in den Vordergrund gestellt. Damals hatte die BJP die Wahl haushoch gewonnen. Der indische Premierminister Narendra Modi setzte eher auf wirtschaftliche Entwicklung. Aber, meint Roß, da es mit dem ökonomischen und sozialen Fortschritt nicht so wie erhofft vorangehe, sei die Versuchung groß, wieder mehr auf "dem Klavier des politischen Hinduismus zu spielen". Bei der Wahl im Bundesstaat Uttar Pradesh habe die Partei damit einen unerwartet hohen Wahlsieg errungen.
    Seitdem regiert im bevölkerungsreichsten Bundestaat des Landes der Hindu-Priester Yogi Adityanath. Ein Mann, der zuvor vor allem durch Hetzreden gegen Muslime aufgefallen ist – und der bereits vor der Wahl angekündigt hat, den Tempel in Ayodhya wieder aufbauen zu wollen. Sollte dies wirklich geschehen, dann bestünde das Risiko von Gewalt, sagt Jan Roß. Die gesamte Biographie von Yogi Adityanath deute darauf hin, dass es sich um einen religiösen Eiferer mit begrenztem Verantwortungsgefühl handle.