Das hebräische Wort "Karov" bedeutet so viel wie Nähe, Annäherung, das arabische Wort "Quareeb" das Gleiche. "Karov-Quareeb" heißt deshalb der jüdisch-muslimische Thinktank. Annähern wollen sich beide Seiten, in die Gesellschaft hineinwirken, aber auch in die jeweiligen Glaubensgemeinschaften:
"Einer der Gründe, der mich dazu bewegt hat, hier mitzuwirken, ist die aktuelle politische Lage in Deutschland."
"Dass man sich erstmal ohne gesellschaftlichen Erwartungsdruck zusammensetzen kann und Vertrauen bilden kann."
"Es ist wichtig, dass wir uns als Person kennenlernen können, und dass wir uns persönlich öffnen können und Freundschaften entwickeln können. Gegenpositionen einfach auch sichtbar machen."
Wünsche und Motivationen der Mitglieder des jüdisch-muslimischen Thinktanks.
Durch persönliche Begegnungen Vertrauen schaffen und auf dieser Basis auch gegenseitige Vorurteile abbauen. In der Öffentlichkeit sei nur die Rede von muslimischem Antisemitismus, sagt zum Beispiel Rebecca Rogowski. Sie studiert Judaistik und Literaturwissenschaften an der Freien Universität Berlin:
"Ich selber im Gespräch mit anderen Jüdinnen höre oft extrem rassistische Sachen über Muslima und Muslime und möchte auch dagegen etwas tun. Dass wir nicht nur etwas für die Mehrheitsgesellschaft machen, sondern auch innerhalb unserer Communities etwas verändern."
AfD-nahe Stiftung sei "antisemitisch und antimuslimisch"
Dass die beiden Studienwerke sich zusammentun und einen gemeinsamen Thinktank bilden, hat auch mit einer von ihnen empfundenen Bedrohung von außen zu tun. Unsere Räume werden mit jeder Landtagswahl stärker verengt, sagt Jo Frank. Der Geschäftsführer des jüdischen Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks meint damit die zunehmenden Wahlerfolge der AfD und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen:
"In Anbetracht dieser Entwicklung geht es uns als jüdisches Begabtenförderwerk und als muslimisches Begabtenförderwerk darum, die Räume, die wir bereits haben, zu behaupten, und gleichzeitig darum, neue Räume für uns zu eröffnen. Es macht uns Sorge, große Sorge, was die gesamtgesellschaftliche Entwicklung angeht, was die Verschärfung des Diskurses angeht, und das spüren wir auch unter unseren Stipendiaten", ergänzt Hakan Tosuner, Geschäftsführer des muslimischen Avicenna Studienwerks. Beide machen sich Sorgen, die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung könne demnächst ein Studienwerk gründen und politisch rechts und nationalistisch eingestellte Begabte fördern:
"Dass da eine parteinahe Stiftung ist, die eben antisemitisch und antimuslimisch ist. Das ist nicht das Deutschland, das ist nicht die Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen."
Geld vom Bund für politisch rechts eingestellte Studenten?
Die Sorgen der jüdischen und auch der muslimischen Begabtenförderung über eine mögliche AfD-nahe Studienstiftung sind auch deshalb so groß, weil die beiden Geschäftsführer der Studienwerke wissen, welche Bedeutung eine solche Institution haben kann. Die Stipendiaten bilden Netzwerke, nach ihrem Studium machen sie oft Karriere, bekommen einflussreiche Jobs.
Die Studienwerke mit ihren aktuellen und früheren Stipendiaten seien intellektuelle Zentren in ihren jeweiligen Communities, sagt Jo Frank, der Geschäftsführer des jüdischen Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks. Für ein AfD-nahes Studienwerk bedeute dies:
"Man schafft eine Struktur, die jahrzehntelang wirkt. Hier wird dann mit der Möglichkeit eines AfD-nahen Begabtenförderungswerks nationalistisches Gedankengut in Deutschland auf Jahrzehnte gesichert, finanziert von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern."
Momentan erhält die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung kein Geld vom Bund. Dies dürfte sich spätestens nach der nächsten Bundestagswahl ändern - Und dann dürfte die AfD auch ein Studienwerk gründen, um politisch rechts eingestellte Begabte zu fördern.