Dass Paul Knitter heute ein pluralistischer Theologe ist, ein Katholik, der den Dialog mit allen Religionen sucht, das hängt mit seinen Anfängen als Priester zusammen. Denn damals - Mitte der 60er-Jahre - musste er sich als Mitglied der Steyler Missionare intensiv mit anderen Religionen auseinandersetzen:
"Das hat mich zur Einsicht gebracht, dass diese Religionen voll von der Gegenwart Gottes waren, und das war am Anfang eine gewisse Verwirrung: Gott in den anderen Religionen? Ich habe gedacht, dass nur in der katholischen Kirche Gott ist wirklich zu finden."
Zugleich profitierte der junge Priester, der 1966 nach Münster ging, um bei Karl Rahner zu promovieren, von der Aufbruchsstimmung des Zweiten Vaticanums. Das Konzil habe die katholische Tür zu anderen Religionen aufgestoßen. Paul Knitter erkannte damals, dass Religion, dass auch der eigene Glaube nichts Statisches ist:
"Die Theologie wird immer was Neues herausbringen wegen des Gesprächs mit anderen Religionen, mit anderen, die gar nicht religiös sind."
Doch mit dieser Position hat er sich innerhalb seiner Kirche nicht nur Freunde gemacht. Papst Benedikt XVI. warf Knitter Relativismus vor. Andere unterstellen ihm eine Vermischung der Religionen, einen Synkretismus:
"Synkretismus ist ein dirty Wort, ein Schimpfwort, und Synkretismus ist etwas, was alle Religionen prägt: Synkretismus ist gewachsen, hat sich entwickelt durch eine interkulturelle, interreligiöse Auseinandersetzung. Am Anfang war das Christentum hauptsächlich jüdisch, das hat sich dann geändert in einem Streit zwischen Petrus und Paulus. So Synkretismus ist einfach eine Tatsache der Religionsgeschichte."
Die Religionen können voneinander lernen
Heute unterscheidet Paul Knitter verschiedene Modelle der religiösen Vielfalt. Da gebe es den Exklusivismus, der davon ausgehe, dass es nur eine Religion geben könne, und dass nur die eigene Religion die einzige Quelle der Wahrheit sei. Zum Zweiten nennt er den Inklusivismus, der zwar anerkenne, dass es Wahrheiten in vielen Religionen geben könne, aber die endgültige Wahrheit nur in der eigenen Religion. Der Partikularismus verstehe sich als ein harter Realismus: man müsse akzeptieren, dass alle Religionen für sich beanspruchen, die jeweils beste zu sein. Deshalb sei es notwendig, mit partikularen Wahrheitsansprüchen zu leben. Und Paul Knitter spricht als viertes vom Pluralismus: Wahrheit gebe es in vielen Religionen, aber keine von ihnen besitze die endgültige Wahrheit. Eine Konsequenz: Die Religionen können voneinander lernen. Bei dem pluralistischen Ansatz sieht Paul Knitter zwei Varianten. Die einen setzen auf gute Nachbarschaft. Ihre Grundannahme lautet:
"Seid nett zueinander, lasst uns was tun, um uns besser kennenzulernen, aber wir sollten es vermeiden, all zu viel über Religion zu reden. [...] So wie Gespräche über Politik Freundschaften vergiften können, so auch über Religion."
Eine Position, die von bleibenden Differenzen ausgeht und diese auch bewahren will.
"Dialog als gute Nachbarn ist ganz wichtig, ohne Weiteres, wir müssen einander tolerieren, respektieren; obwohl Toleranz wirklich ein begrenzter Begriff ist. Toleranz, da geht es um Sachen, die wir nicht gut finden; wir tolerieren Sachen, die nicht gut sind; aber mit guten Nachbarn versuchen wir miteinander zu arbeiten. [...] Durch solchen Dialog werden Christen und Muslime befreundet, und wenn eine Freundschaft entsteht zwischen Personen von verschiedenen Religionen, dann kommt zwangsläufig ein Gespräch. [...] Freunde wollen voneinander hören und lernen."
Dialog der Suchenden
Doch Paul Knitter geht noch einen Schritt weiter: Er will nicht nur einen Dialog guter Nachbarn, sondern einen Dialog der Suchenden, die nicht Zäune errichten, sondern vielleicht schon in einem gemeinsamen Haus wohnen. Der Hamburger Wolfram Weisse, Direktor der Akademie der Weltreligionen, formuliert es so:
"Von daher glaube ich, dass Paul Knitter jemand ist, der wissenschaftlich solide etwas verkörpert, wonach sich auch andere Menschen sehnen: Eine Beheimatung in der eigenen Religionen, die einem zugewachsen ist, nicht als einen festen Raum zu verstehen, den man nicht überschreiten darf, sondern als einen Raum wahrzunehmen, der einem größeren Haus entspricht, wo man ohne Furcht auch durch andere Räume gehen kann, und wo man mehr auch etwas über Möglichkeiten, die eigene Religion zu verstehen, erfahren kann."
Der intensive Austausch mit anderen Religionen habe aber nichts "mit religiösem Fremdgehen" zu tun, betont Wolfram Weisse:
"Vielleicht als Grundidee die Erfahrung: Wenn ich in anderen Religionen etwas verstehe, dann könnte es sein, dass ich auch eigene Traditionen und Selbstverständnisse in meiner eigenen Religionen neu fassen kann."
Paul Knitter sieht sich jedenfalls ermutigt. Nicht nur von der Hamburger Akademie der Weltreligionen, sondern auch von Papst Franziskus:
"Ich bin katholisch, und es ist sehr schwierig, mir Hoffnung zu geben, aber mit diesem Papst, was er über religiöse Vielfalt und interreligiösen Dialog sagt, ist herrlich. Und er warnt vor einem Absolutheitsanspruch, das ist wirklich etwas ganz Unerwartetes. Sehr anders als das, was Ratzinger in Dominus Jesus behauptet hat. A careful hope, aber Hoffnung habe ich."