Finanzen und Steuern - darüber streiten die Parteien gern in Bundestagswahlkämpfen. Wenn es indes ums Thema Geld und Kirche geht, so herrscht ungewohnte Einigkeit: Die meisten Parteien wollen das derzeitige Modell der Kirchensteuer beibehalten. Nur die Linke fordert, die Kirchen sollten ihre Mitgliedsbeiträge selbst erheben. Ist die Hilfe durch den Staat noch zeitgemäß, oder bevorzugt er die Kirchen gegenüber anderen Religionsgemeinschaften? Kerstin Griese von der SPD erklärt den Hintergrund:
"Meistens wissen die Menschen nicht, dass das kein Privileg der Kirchen ist, sondern ein Recht, das das Grundgesetz allen Religionsgemeinschaften einräumt. Und was auch wenig bekannt ist, ist, dass die Kirchen den Staat dafür bezahlen, mit zwei bis vier Prozent des von ihm erhobenen Steueraufkommens. Das ist also eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Insofern ist die Trennung von Staat und Kirche gewahrt."
Kirchensteuer und Privatsphäre
Deutschland geht im internationalen Vergleich einen Sonderweg. In Frankreich oder den USA etwa leben die Kirchen überwiegend von Spenden; und in Österreich erheben sie ihre Beiträge selbst. Der Steuereinzug durch den Staat beschert den Kirchen in Deutschland ein üppiges Einkommen. Die Grünen haben nichts gegen die Kirchensteuer, wollen aber mehr Privatsphäre in Geld- und Glaubensfragen, sagt Religionspolitiker Volker Beck:
"Es gibt gegenwärtig die Notwendigkeit, dass man seiner Bank, seinem Arbeitgeber immer die Religionszugehörigkeit mitteilen muss - oder mitteilen muss, dass man keine hat. Und wir wollen schauen, ob man das nicht heutzutage vermeiden könnte. Sodass man zwar versteuert, aber nicht zwingend jedem auf die Nase binden muss, in welcher Religionsgemeinschaft nun die einzelnen Arbeitnehmer oder Bankkunden Mitglied sind."
Auch muslimische Verbände könnten Steuern erheben
Sehr viel grundsätzlicher ist die Frage, welche Religionsgemeinschaften überhaupt Steuern von ihren Mitgliedern erheben können. Dafür müssen sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sein. Diesen Körperschaftsstatus haben etwa die christlichen Kirchen, die jüdischen Gemeinden und die Zeugen Jehovas. Schwierig hingegen ist es bei den muslimischen Vereinen und Verbänden. Die meisten von ihnen sind zu wenig organisiert - was fehlt sind transparente Strukturen, Satzungen und Mitgliederlisten. Allerdings baue das Gesetz für Muslime keine unüberwindbaren Hürden auf, meint Stefan Ruppert, im Bundesvorstand der FDP für Religionspolitik zuständig.
"Die Strukturen sind ja nicht so anspruchsvoll, als dass sie sich nicht erfüllen ließen. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts, die unser Religionsverfassungsrecht vorsieht, ist offen für muslimische Verbände. Und wenn sie die Anforderungen, die daran bestehen, teilweise nicht nutzen oder nicht umsetzen wollen, dann ist das eigentlich keine Frage, die der Staat zu verantworten hat. Und es gibt ja etwa die Ahmadiyya, die ganz bewusst den Körperschaftsstatus wählen und damit auch diese Möglichkeit hätten."
"Das passt nicht in den weltanschaulich neutralen Staat"
Trotzdem bleibt die Frage, ob vor dem Gesetz wirklich alle Religionsgemeinschaften gleich sind. In diesem Kontext wird oft ein weiteres Thema genannt: die Staatsleistungen. Aus den Haushalten der Länder fließen Jahr für Jahr etwa 500 Millionen Euro an die Kirchen - für Bischofsgehälter, Ruhestandsversorgung von Geistlichen oder Kirchenglocken. Der Grund dafür liegt 200 Jahre zurück: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schlossen Staat und Kirche Verträge, die die Kirchen für Enteignungen während der Säkularisation entschädigen sollten. Diese Verträge - Stichwort: Reichsdeputationshauptschluss - gelten zum großen Teil bis heute, obwohl sich im Grundgesetz der Auftrag findet, die Staatsleistungen abzulösen. Stefan Ruppert sagt:
"In ein modernes Religionsverfassungsrecht passt vieles herein, was wir heute haben. Aber eines passt eben nicht mehr hinein: Das sind die Zahlungen, die historisch durchaus begründet entstanden sind. Aber es ist an der Zeit, deutlich zu machen, dass der Staat nicht Geld an eine Kirche bezahlt. Und daran haben auch die Kirchen aus meiner Sicht ein Interesse. Wenn sie in den Ruch kommen, privilegiert zu sein, dann passt das eben nicht in den weltanschaulich neutralen Staat."
Ein Ende der Zahlungen ist nur möglich, wenn sich Bund, Länder und die Kirchen auf eine einvernehmliche Lösung einigen. Neben der FDP wollen auch Grüne, Linke und AfD die Staatsleistungen beenden. In den Wahlprogrammen von Union und SPD findet sich dazu nichts. Das Thema habe ein beträchtliches Konfliktpotential, sagt FDP-Mann Ruppert:
"Mein Eindruck ist, dass es eine gewisse Denkfaulheit in den großen Volksparteien gibt, weil man sagt, man rührt an dieses Thema nicht heran. Das hat übrigens auch historische Hintergründe. Immer dann, wenn man an eine Art bestehenden Frieden zwischen Staat und Kirche herangerührt hat - sei es im Kulturkampf, sei es bei den Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik, oder sei es um die konfessionellen Schulen am Anfang der Bundesrepublik - hat das zu erheblichen Verwerfungen geführt."
Kirche und Staat bleiben in Deutschland eng verknüpft
Das Problem ist: Die Bundesländer haben unterschiedliche Verträge mit den Kirchen geschlossen. Es handelt sich um ein kompliziertes Gewirr von Leistungen, und es geht um viel Geld. Wollte der Staat aus den Verträgen herauskommen, müsste er einmalig eine hohe Summe aufbringen. Experten sprechen von einem Betrag 25 Mal so hoch wie die aktuellen jährlichen Zahlungen - das wären mehr als zwölf Milliarden Euro. Die SPD-Politikerin Kerstin Griese glaubt nicht, dass sich das auf einen Schlag bereinigen lässt.
"Die Länder sind diejenigen, die diese Staatsleistungen zahlen, und die haben bisher kein Interesse gezeigt, das zu ändern. Realistisch ist, dass schrittweise einzelne Leistungen abgelöst werden in den Ländern und man durchaus mal zu einer grundsätzlichen Diskussion kommen kann. Auf einmal alle abzulösen halte ich für unrealistisch, weil das die Haushalte der Länder gar nicht mitmachen können."
Staatsleistungen und das Modell der Kirchensteuer zeigen: In Deutschland sind Staat und Kirche eng verknüpft. Die kleinen Parteien sehen hier durchaus Reformbedarf, die großen aber nicht. Also wird sich auf diesen Feldern nach der Wahl, wenn überhaupt, nur wenig ändern.