Volker Münz, kirchenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, nimmt sich mehr als vier Stunden Zeit, um über das Christliche und das Un-Christliche zu reden. Christliches sieht er in seiner Partei, Unchristliches in den Kirchen.
"Die Kirchensteuereinnahmen sprudeln, das Geld wird aus meiner Sicht an vielen Stellen falsch ausgegeben. Eine ganz eklatante Fehlverwendung von Mitteln sehe ich in dem Gender-Institut in Hannover. Das ist ein Skandal eigentlich. Diese Gender-Ideologie ist für mich eine gottlose Ideologie."
Auch ist er gegen die Homosexuellen-Segnung. In seiner evangelischen Heimatgemeinde Uhingen sitzt der Diplom-Ökonom zwar im Gemeindekirchenrat und ist somit Mitglied seiner württembergischen Landeskirche. Mit der EKD aber, also der Evangelischen Kirche in Deutschland, liegt er quer. Dass hohe Kirchenvertreter wie der Berliner Bischof Markus Dröge mit der AfD auf Leitungsebene jetzt - anders als noch im vergangenen Jahr auf dem evangelischen Kirchentag - nicht reden wollen, versteht er nicht. Denn gerade die AfD vertrete doch christliche Werte.
Münz sagt: "Das schmerzt mich schon, weil da wird mir auch das Christsein abgesprochen. Da heißt es: ,Ja die Kirche muss mit der Zeit gehen, wir müssen die Trauung Gleichgeschlechtlicher auch in der Kirche akzeptieren.' Das sind alles so Entwicklungen, wo wir uns dem Zeitgeist anpassen und dann meinen, wir können das aus der Bibel herauslesen, um uns nicht ins Abseits zu stellen."
"Christus für Deutschland"
In der AfD-Bundestagsfraktion sitzen weitere, die das C für sich reklamieren. Waldemar Herdt etwa, der ursprünglich aus Kasachstan stammt. Herdt fühlt sich mit der freikirchlich-pfingstlerischen Gemeinde "Lebensquelle" in Osnabrück verbunden. Die schreckt vor nationalistischen Parolen wie "Christus für Deutschland" nicht zurück. Im Grunde sei er aber einfach nur Christ, meint Waldemar Herdt.
"Ich bin auch Katholik, ich bin auch Lutheraner, ich bin auch orthodox. Ich denke, dass die Trennwände, die die Denominationen aufgebaut haben, die reichen nicht bis zum Himmel. Jeder der den Gott liebt und Jesus im Herz hat, ist mein Bruder."
Und da gehören Christsein und Deutschsein für den AfD-Bundestagsabgeordneten einfach zusammen.
Herdt: "Bist Du bereit für das Deutschsein zu leiden? Bist Du bereit für das Deutschsein zu stehen? Bist Du bereit für das Land auch zu kämpfen? Vielleicht auch zu sterben?"
Und als Christ und AfD-Abgeordneter sei für ihn auch klar: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Denn: Der Islam sei gar keine Glaubensrichtung.
Herdt sagt: "Islam ist gar keine Religion, das ist eine Ideologie! Das müssen Sie mal lesen, da kommen Sie auch selbst drauf. Weil Islam ist eigentlich feindlich eingestellt gegen alle andere Religionen. Wie können wir eine Ideologie schützen, die andere Religionen verachtet und bei der Mehrheit auch vernichtet?"
Natürlich achte die AfD die Religionsfreiheit. Aber der Islam sei eine "politische Ideologie". Daher müsse man den Islam auch nicht grundgesetzlich schützen. Ähnlich sieht das Beatrix von Storch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag. Sie ist zwar noch Mitglied der evangelischen Kirche, geht aber lieber in eine katholische Gemeinde, sagt sie. Und zwar in eine streng konservative, in der die alte römische Liturgie gelesen wird und in der man sich mehr dem I. Vatikanum verpflichtet fühlt. Von der im II. Vatikanum formulierten Offenheit auch gegenüber dem Islam hält Beatrix von Storch wenig.
Sie sagt: "Ich glaube, dass die Zukunft und das Schicksal dieses Landes an der Frage entschieden wird: Wie gehen wir mit dem Islam um? Das entscheidet über unsere Zivilisation. Wir leben in der Neuzeit und wenn wir mit der Steinzeit anfangen Kompromisse zu machen, landen wir im Mittelalter. Wir sind für die Religionsfreiheit, selbstverständlich, jeder möge seinen Glauben leben, aber der Islam hat eben noch einen anderen Anspruch, das ist der, in der Gesellschaft das Recht zu regeln. Das ist nicht erfasst von unserer Religionsfreiheit. Wer unter der Scharia leben will, der kann das gerne tun, der muss dann nur unser schönes Land verlassen."
"Das sind rote Linien überschritten"
Und wie gehen die Kirchen damit um? Als Leiter des Katholischen Büros in Berlin ist Prälat Karl Jüsten auch für die Seelsorge an christlichen Bundestagsabgeordneten zuständig. Auch für die in der AfD. Er widerspricht in Sachen Islam nicht nur ihnen. Nicht nur die katholische Theologie, sondern die Kultur überhaupt habe dem Islam viel zu verdanken.
Jüsten sagt: "Egal, wer immer behauptet, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, muss aber doch zur Kenntnis nehmen, dass islamische Einflüsse in unserer Kulturgeschichte nicht wegzudenken sind. Nehmen Sie etwa die Wiederentdeckung des Naturrechts durch Albertus Magnus und Thomas von Aquin, das wäre, ohne dass die Muslime diesen damals wieder mit nach Spanien mit brachten, nie in die katholische Theologie eingeflossen. Da kann man gar nicht davon absehen, wie bedeutsam der Islam ist."
Erst muslimische Theologen erinnerten im Mittelalter an das Naturrecht der antiken Philosophen: Es gibt unveräußerliche Rechte, letztlich Menschenrechte, unabhängig von Geschlecht, Nationalität oder Religionszugehörigkeit. Wenn Christen in der AfD ihren Glauben bedroht sehen, sollten sie sich mehr für ihn in der evangelischen oder katholischen Kirche einsetzen, meint Prälat Karl Jüsten:
"Wenn die, die sich jetzt auf das christliche Abendland beziehen, alle brav zur Kirche gehen würden, am Leben in der Kirche teilnehmen würden und ihren Glauben praktizieren würden, würde ich mir über den Glauben in Deutschland überhaupt keine Sorgen machen. Dann können wir ganz munter ertragen, dass viele Millionen muslimische Gläubige in diesem Land leben und da muss ich auch keine Angst vor Überfremdung haben."
Ähnlich sieht das auch der evangelische Prälat Martin Dutzmann, der sich mit Jüsten oft abstimmt. Dutzmann ist Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland. Die christlichen AfD-Abgeordneten gehörten genauso wie die Christen der anderen Fraktionen zu seiner Bundestags-Gemeinde, sagt er. Er fühlt sich daher zum Gespräch verpflichtet. Also bemühe er sich, die AfD-Christen ins rechte Gebet zu nehmen.
Dutzmann sagt: "Inakzeptabel ist die viel zitierte Äußerung eines Herrn Höcke, der die Erinnerungskultur, das Holocaust-Denkmal Mahnmal der Schande genannt hat und sich davon nicht wirklich distanziert hat. Inakzeptabel ist auch eine Äußerung des Herrn Gauland, der sagte, man müsse Frau Özoguz in Anatolien entsorgen. Inakzeptabel ist eine Äußerung eines Herrn Poggenburg, der Migranten als Kümmelhändler und Kameltreiber verunglimpft. Das sind überschrittene rote Linien!"
Natürlich schließe er die AfD-Abgeordneten nicht von Andachten aus. Damit erteile man aber deren Denken in keiner Weise einen kirchlichen Segen.
Dazu Dutzmann: "Zunächst habe ich vorauszusetzen, dass uns etwas verbindet, das ist die Gemeinschaft im Glauben oder die durch Christus hergestellte Gemeinschaft. Die habe ich nicht in Frage zu stellen: dass der christliche Glaube eine universale Weite hat und sich nicht auf das Nationale beschränken lässt und wir keinen Nationalgott und keine Nationalreligion im Christentum haben", sagt Dutzmann.
Das AfD-Problem mit der Nächstenliebe
Auch wenn es einige wenige Übereinstimmungen im AfD-Programm mit der katholischen Kirche gebe, etwa: Keine Werbung für Abtreibung oder die Stärkung der Familie. Prälat Karl Jüsten findet in den Grundzügen der alternativen Partei für Deutschland im Grunde nichts Christliches.
Jüsten sagt: "Das christliche Menschenbild bedeutet, dass alle Menschen gleich sind und weil alle Menschen gleich sind, kann ich sie nicht unterscheiden zwischen nationalen oder völkischen Herkünften. So kommt die AfD in allen Punkten immer wieder dazu, sich völkisch abzugrenzen, etwa im Bereich der Zuwanderung, wenn es um den Familiennachzug geht. Wir können nicht wollen, dass Familien, wenn sie auf der Flucht sind, auseinandergerissen werden und dass dann die von uns allen gleichermaßen wertgeschätzte Familie auseinander brechen darf."
Volker Münz aber von der AfD versteht die Haltung der Kirchen nicht mehr. Jesus Christus habe doch von Nächstenliebe gesprochen, nicht aber von Islam- oder Fremdenliebe.
Er sagt: "Es heißt ja nicht allgemein Menschenliebe, sondern bewusst Nächstenliebe. Wem können wir und wem müssen wir helfen? Erst mal meiner Familie muss ich helfen, dann in meinem Umfeld auch meiner Verwandtschaft und dann, je weiter es weg ist, desto schwieriger wird es natürlich."
Karl Jüsten hält aber genau diese Sichtweise für falsch. Für die christliche Caritas gebe es keine Abstufungen nach Religion, Herkunft oder Hautfarbe:
"Wer behauptet die Nächstenliebe würde sich nur auf den personennahen Bereich beziehen, hat Johannes Paul II. nicht gelesen, der in "Centesimus annus" sehr wesentlich herausgearbeitet hat, dass es eine Nächstenliebe gibt im unmittelbaren Bereich, dass es eine Fernenliebe gibt, darunter versteht er den Bereich der Menschen eines Landes. Und dass es eine Fernstenliebe gibt und darunter versteht er die Menschen in der einen Welt. Wer behauptet, Nächstenliebe bezieht sich nur auf den engsten Bereich, liegt nicht nur falsch, sondern ich halte das für dumm."