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Religion und Kitsch
Buddha im Baumarkt

Es gibt sie für Garten, Wohnzimmer und Bad, für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel: Buddha-Figuren. Ist ihre erfolgreiche Vermarktung Ausdruck eines religiös-spirituellen Wandels in Deutschland – oder machen sie lediglich den heimischen Gartenzwergen Konkurrenz?

Von Christian Röther |
    Wächter über Thymian und Schnittlauch - eine Buddhafigur in einem Hochbeet.
    Wächter über Thymian und Schnittlauch - eine Buddhafigur in einem Hochbeet. (Deutschlandradio / Christian Röther)
    Vor ungefähr zweieinhalb Jahrtausenden soll Buddha die Erleuchtung erlangt haben, als er in Nordindien unter einer Pappelfeige meditierte. Heute meditieren Tausende kleine Buddhas unter Zierpflanzen in Gartenabteilungen. Meist werden sie aus künstlichem Stein hergestellt. Natürliche Farben, verschiedene Größen. Der Kunde kann fünf Euro ausgeben oder 500. Eine erstaunliche Karriere hat Buddha hingelegt in Deutschlands Baumärkten. Allerdings: Mehrere große Baumarkt-Ketten lehnen Interview-Anfragen dazu ab.
    Also Ortswechsel, die Räume eines buddhistischen Vereins in Dresden. Ulrike Aurig-Böttcher, Thomas Reis und Markus Rudolf Domula beugen sich über einen Bildschirm. Sie schauen sich die Online-Shops von Baumärkten an. Suchbegriff "Buddha". 20 Treffer, oder sogar 30 oder 40 – und spontanes Lachen.
    "Altmodisch würde man Frevel sagen"
    Markus Rudolf Domula: "Ich hab gelacht, weil mir dieses Maß an – vielleicht altmodisch würde man Frevel sagen – oder Respektlosigkeit einfach, weil mich das schon irgendwo schockiert."
    Ulrike Aurig-Böttcher: "So mein erster spontaner Impuls ist: nicht schlecht. Vor allen Dingen erinnert es mich auch an Länder, in denen ich war, in Nepal, in Tibet, in Indien. Der Alltag ist durchzogen davon."
    Markus Rudolf Domula: "So ein Buddha im Garten, das ist in Ordnung. Daran habe ich mich gewöhnt. Aber ein Buddha als Duschrückwand – das hat so was wie Buddha-Köpfe auf Klopapier oder Buddha auf Servietten und das finde ich schon irgendwie befremdlich."
    "Ein Symbol für Entspannung"
    Der deutsche Buddha-Boom kommt bei den Buddhisten in Dresden also unterschiedlich gut an. Auch in den Räumen ihres Vereins Samten Shenpen Ling, da stehen zwei Buddhas. Allerdings nicht aus einer Gartenabteilung, sondern direkt aus Tibet und aus Laos. Thomas Reis glaubt, dass Buddha-Figuren in Deutschland verkauft und gekauft werden, weil sie ein spirituelles Bedürfnis befriedigen:
    "Ich würde vermuten, dass es einfach mit dem Rückzug der abendländischen Religion zu tun hat. Und auf der anderen Seite vielleicht auch mit der Verdichtung vom Arbeitsalltag. Dass die Leute gestresst sind, ausgepowert sind und vielleicht meinen, durch die Buddha-Figur – dass es wie so ein Symbol für Entspannung ist, für Heilung ist und..."
    "...dass sich das sehr leicht mit einer Fokussierung auf dieses angeblich dicke gemütliche Buddha-Bild assoziiert. Dass da sehr viel mehr und sehr viel anderes dahinter steht, ist nicht so vordergründig für viele Menschen."
    "Ausdruck davon, dass Menschen sich nach etwas sehnen"
    Diese Beobachtung von Ulrike Aurig-Böttcher kann Edith Franke bestätigen. Sie ist Professorin für Religionswissenschaft an der Uni Marburg.
    "Ich denke, dass dann diese Buddhas tatsächlich in den Wohnzimmern, in den Gärten landen, hat auch meiner Ansicht nach damit zu tun, dass es Ausdruck davon ist, dass Menschen schon sich nach etwas sehnen, was drüber hinausweist über den eigenen kleinen zum Teil ja sehr materiellen Alltag. Und da transportieren diese Buddha-Figuren die Idee von etwas, was mehr ist, ohne dabei dogmatisch festzulegen. Und ich glaube, deshalb sind die unglaublich beliebt."
    Buddha - Der neue König des Kitschs?
    Buddha - Der neue König des Kitschs? (Deutschlandradio / Christian Röther)
    Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Buddhismus in Deutschland ausgesprochen populär geworden ist. Buchhandlungen führen diverse Ratgeber über Achtsamkeit. In Städten, Dörfern, Klöstern werden Meditationskurse angeboten, oft nach buddhistischer Tradition.
    "Buddhismus gilt als wenig dogmatisch"
    Edith Franke: "Der Buddhismus ist ja auch eine Religion – oder die Religion, denke ich, die in unserer Kultur am positivsten gesehen wird. Also er gilt als friedliche Religion, er gilt als wenig dogmatisch. Sodass man auch sehen muss, dass wenn Menschen, die eher säkular sind oder sich von den traditionellen Religionen abwenden, dass der Buddhismus dann immer das ist, wo es doch noch eine große Sympathie gibt."
    Religion im öffentlichen Raum – das gibt es nicht erst, seit Buddha sich auf den Weg in die Gärten gemacht hat. Einige katholische Regionen in Deutschland sind noch immer geprägt von Jesus, Maria und anderen christlichen Heiligen. Sie hängen an Hausfassaden oder wachen an Wegkreuzungen. Macht ihnen Buddha nun Konkurrenz? Nein, sagt Religionswissenschaftlerin Edith Franke. Zumindest nicht in den Augen derjenigen, die die Buddhas aufstellen.
    "Ansonsten zeichnet sich gerade Interesse am Buddhismus – oder der Buddhismus dadurch aus, dass er von den Menschen, die sich jetzt diese Buddhas holen, als sehr integrativ und nicht konkurrierend wahrgenommen wird. Sondern etwas, was zusätzlich ein Ausdruck von Religiosität oder Spiritualität ist, die dann einfach hinzugenommen wird."
    "Religion ist nicht vor Kitsch gefeit"
    Das führt teils zu skurrilen Kombinationen. In so manchem Vorgarten lebt Buddha neben Bambi und Trollen, Drachen, Erdmännchen.
    Edith Franke: "Ich glaube, es gibt kaum einen Bereich auch der Religion, der nicht vor Kitsch gefeit ist. Und Kitsch heißt ja aber auch im positiven Sinne immer eine breite und populäre Rezeption der Religion. Das ist vielleicht etwas Neues, dass man das jetzt auch munterer und diverser nebeneinander kombiniert. Und dann gerät da nicht nur die Maria neben den Buddha, sondern vielleicht auch der Gartenzwerg oder der Frosch daneben."