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Religionspolitik in Hamburg
Buddhisten brauchen Geduld

Hamburgs Buddhisten möchten Religionslehrerinnen und -lehrer ausbilden, auch eigene Gefängnisseelsorger hätten sie gern. Dafür sollte ein Staatsvertrag mit der Stadt geschlossen werden wie ihn auch andere Religionsgemeinschaften haben. Das komplizierte Verfahren strapaziert selbst Langmütige.

Von Mechthild Klein | 01.02.2019
    Buddhistische Mönche gehen am 22.08.2014 in Hamburg nach der Ankunft des Dalai Lama, dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter, auf einem Fußweg zum CCH.
    Buddhistische Mönche in einem Park in Hamburg (Christian Charisius/ dpa)
    Die buddhistische Nonne und Professorin für Buddhismus an der Universität Hamburg, Carola Roloff ist verstimmt:
    "Es gibt keine buddhistische Lehramtsausbildung. Also Buddhisten können keine Religionslehrer werden. Religionslehrerinnen und Lehrer können nur diejenigen werden, deren Religionen auch offiziell anerkannt sind, die so einen Staatsvertrag haben. Das sind eben nur Fünf: die evangelische Kirche, die katholische Kirche, die jüdische Gemeinde Hamburg und eben die Muslime: drei Verbände, zu denen auch die Ditib gehört und die Schura - und dann eben die Alevitische Gemeinde. Und darauf wird jetzt anscheinend alles reduziert, hat man den Eindruck."
    Heute leben rund 20.000 Buddhisten in Dutzenden Vereinen mit eigenen Tempeln in Hamburg, darunter viele mit Migrationshintergrund aus Asien. Doch die Stadt Hamburg will die Buddhisten und ihren Dachverband offenbar nicht als Religionsgemeinschaft anerkennen und einen Staatsvertrag mit ihnen abschließen. Drei muslimische Dachverbände hingegen sowie die Alevitische Gemeinde erhielten im Jahre 2012 dieses Privileg: einen Staatsvertrag mit der Hansestadt Hamburg. Eine Gleichbehandlung sähe anders aus, meint Roloff. Den Buddhisten entstünden dadurch Nachteile.
    "Auch Hindus und Bahai bleiben auf der Strecke"
    Seit 2014 bemühen sich Buddhisten um einen Staatsvertrag mit der Hansestadt. Zuvor hatten buddhistische Vereine zusammen mit Vertretern der anderen Weltreligionen viele Jahre lang seit 1984 an Konzepten mitgearbeitet, Unterrichtsmaterialen mit eingebracht. Es sollte der Religionsunterricht für Alle (RUfA) mit auf den Weg gebracht werden, der in der Verantwortung der evangelischen Kirche liegt.
    Roloff: "Sowohl das Tibetische Zentrum Hamburg, als auch die Buddhistische Gesellschaft Hamburg waren da mit dabei, haben das mitunterschrieben. Und da ist keiner gekommen, und hat gesagt: Seid ihr denn eine Religionsgemeinschaft nach Artikel 7, 3 des Grundgesetzes, dass ihr das mitentscheiden könnt. Sondern alle waren froh, dass die Buddhisten da mitgemacht haben. Und dann ging das halt mit den Staatsverträgen los. Und da blieben dann plötzlich die Buddhisten 2012/2013 aber die Hindus und andere, Bahai und so weiter auf der Strecke. Die wurden dann einfach nicht mehr eingeladen."
    Ein Großteil der buddhistischen Vereine vernetzte sich und begann ab 2015 erste Gespräche mit der Hansestadt mit dem Ziel eines Staatsvertrags. Weil es Dutzende Verbände gab, wünschte Hamburg einen einzigen juristischen Ansprechpartner. Die Buddhisten orientierten sich an den islamischen Dachverbänden und gründeten im Jahr 2017 die Buddhistische Religionsgemeinschaft Hamburg.
    "Dann kam das nächste Gespräch wieder im Rathaus. Und dann hieß es so: Man macht ja nur einen Staatsvertrag, wenn‘s auch einen Bedarf gibt und sie machen doch keine Probleme, warum wollen sie denn jetzt einen Staatsvertrag haben? Es gibt ja im Moment nur 5 Staatsverträge und in Hamburg gibt es 100 Religionsgemeinschaften, wenn jetzt jeder käme, das kann ja gar nicht hier in unserem Interesse sein."
    Roloff sagt, die Buddhisten hätten den Eindruck, dass jedes Mal eine weitere Hürde von Seiten der Behörde oben drauf gelegt werde. Sie müssten nachweisen, dass sie eine Religionsgemeinschaft seien…
    "…wobei dann aber nicht gesagt wird, was genau die Nachweise sind. Da wird dann immer auf das Grundgesetz Artikel 140 und eben auf 137 hingewiesen, (…) dass ihnen gleiche Rechte zu gewähren sind, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten."
    Ein paar Jahrtausende zählen wenig
    Den Buddhismus gibt es seit 2500 Jahren - eigentlich nicht so schwierig, dachten sich die Buddhisten. In Hamburg gabs erste Vereine schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Buddhisten sind in der dritten, vierten Generation in der Stadt.
    Die Buddhisten sind mittlerweile ziemlich verzweifelt über den zähen Prozess.
    "…und jetzt kommt wieder, ob man denn die identitätsstiftenden Merkmale einer Religionsgemeinschaft hat. (…) Ja, haben sie sowas wie ein Taufregister?"
    Die Hamburger Senatskanzel sagte auf Anfrage des Deutschlandfunks, dass der Stadtstaat die Vergabe von Staatsverträgen an Vertragspartner nicht nur an formale Anforderungen knüpfe, sondern auch prüfe ob es bestimmte Regelungsbedarfe im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung in der Stadt bestünden. Die Pressestelle schreibt:
    "Mit der ganz überwiegenden Zahl der Religionsgemeinschaften in Hamburg … wurden bislang keine Staatsverträge geschlossen. Eine Diskriminierung liegt darin nicht, zumal die Freie und Hansestadt Hamburg auch sie ihren Staatsvertragspartnern keine Staatsleistungen zahlt. Im Übrigen muss ein Vertragspartner vorhanden sein, der die formalen rechtlichen Voraussetzungen für den Abschluss eines Staatsvertrags erfüllt. Ein loser Dachverband ist keine Religionsgemeinschaft im rechtlichen Sinne."
    Aus dem Schreiben der Hamburger Senatskanzlei wird deutlich, dass die Buddhistische Religionsgemeinschaft Hamburg knapp zwei Jahre nach ihrer Gründung auch Sicht der Stadt noch keine Gewähr bietet, über längere Zeiträume verlässlich zur Verfügung zu stehen. Und zwar unabhängig davon, wie alt ihre Mitgliedsorganisationen sind.
    "Da muss man zunächst sagen, dass das Anliegen der Buddhisten sehr verständlich ist und sich ergibt aus der bisherigen Beteiligung der Buddhisten an der Entwicklung des Hamburger Religionsunterrichts."
    Der politische Wille fehlt
    Sagt der evangelische Religionspädagoge Thorsten Knauth von der Universität Duisburg-Essen.
    "Und da ist natürlich das Interesse und legitim jetzt auch bei der Weiterentwicklung maßgeblich mit beteiligt zu sein…. (…) Ansonsten hätten wir ja Beteiligungen unterschiedlicher Qualitätsstufen. Eine Beteiligung erster Klasse und eine Beteiligung zweiter Klasse. Es ist nicht so, dass die Buddhisten völlig ausgeschlossen sind aus den Entwicklungsprozessen. Aber sie können jetzt nicht Lehrerinnen und Lehrer ausbilden an der Universität. Sie können nur begrenzt mitreden in den entsprechenden Gremien, wo die Lehrpläne verabschiedet werden, Und sie sind auf das Goodwill der anderen angewiesen, wenn es darum geht, Materialien zu entwickeln."
    Es gibt Beispiele, in denen Buddhisten am Religionsunterricht beteiligt werden. In Österreich erteilen Buddhisten Religionsunterricht und ihre Lehrer werden an der Hochschule ausgebildet. Auch in Berlin erteilen die Buddhisten Religionsunterricht an Schulen, obwohl sie keinen Körperschaftsstatus haben, sagt Carola Roloff. Es fehle einfach der politische Wille. Stattdessen werde die Struktur zum Problem erhoben.
    Roloff: "Es wird einfach erwartet, dass eine Religion eben so ist wie evangelischen und katholischen Kirchen sind, dass man so organisiert ist. Und wenn man so nicht organisiert ist und anders organisiert ist, dann geht es nicht, bei strenger Auslegung. Aber man hat ja eben gesehen, dass es bei der alevitischen Gemeinde und bei den Muslimen, die auch nicht so strukturiert sind, da ging es dann plötzlich und da konnte man einen Staatsvertrag machen."
    Es gibt noch weitere Gründe warum die Buddhisten als Religionsgemeinschaft anerkannt werden wollen. Sie möchten in die Gefängnisseelsorge einsteigen, in die Hospizarbeit und Obdachlosenhilfe mit Hilfe öffentlicher Gelder. Mittlerweile überlegen die Buddhisten, ob es mehr Erfolg verspricht, wenn sich als einzelne Verbände an die Stadt wenden. Sie wollen nicht Jahrzehnte warten, bis ihr Dachverband die Gewähr der Dauer erfüllt.