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Religionsunterricht
Islamkunde an öffentlicher Schule

Seit 2012 bietet Nordrhein-Westfalen islamischen Religionsunterricht in 100 Grundschulen und mehr als 70 weiterführenden Schulen an. Auch in der Peter-Ustinov-Schule in Essen gibt es das Fach - noch hat es einen schweren Stand und Lehrbücher gibt es auch noch nicht.

Von Kai Rüsberg |
    Eine Tafel in einem Klassenzimmer einer Schule, aufgenommen am 10.03.2015 in Leipzig.
    Viele muslimische Bürger in NRW wünschen sich einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht für ihre Kinder. (pa/dpa/Ending)
    Es ist laut auf dem Schulhof der Peter-Ustinov-Schule im Essener Norden, wenn die 160 Kinder Pause haben. Von hier kann man einen der alten Fördertürme der stillgelegten Zeche Zollverein sehen. Das ehemalige Wohnviertel der Kohlekumpel hat sich gewandelt, erzählt der 42-jährige Islamkundelehrer Mustafa Tütüneken.
    "Über 60 Prozent der Schüler haben Migrationshintergrund, sie wohnen in der Nachbarschaft der Zechenhäuser."
    Ganz in der Nähe steht die große Essener Moschee. Doch längst wird sie nicht mehr nur von türkisch stämmigen Gläubigen besucht. Zunehmend ziehen andere Muslime in die Nachbarschaft. Doch sie leben in abgeschotteten Vierteln, beschreibt der in der Türkei geborene Tütüneken.
    "Ob die Berührung mit den Neuankömmlingen und den eingesessenen Älteren so stattfindet, bin ich skeptisch. Die werden andere Wege finden. Eine Mischung im Wohngebiet kann ich mir nicht so leicht vorstellen."
    Es geht um Ramadan und die Kadirnacht
    Im islamischen Religionsunterricht der 3. Klasse muss er die Unterschiede im Glauben und in der Sprache ausgleichen. Alle 15 Kinder im Klassenraum haben einen deutschen Pass - aber zusätzlich auch einen bosnischen, libanesischen, marokanischen, türkischen, albanischen oder serbischen Pass. Aufgrund verschiedener Zählweisen unterscheiden sich zum Beispiel die Daten ihrer Feste. Dieses Thema steht heute auf dem Lehrplan:
    "Was erwartet uns in den nächsten Tagen? Zuckerfest - heißt das Zuckerfest? - Richtiger Name ist? Ramadanfest."
    Über den laufenden Ramadan wissen alle Kinder Bescheid. Doch kurz vor dem Ende des Fastenmonats gibt es noch ein bedeutendes Ereignis im muslimischen Glauben, das nur sehr wenige Schüler kennen. Tütüneken muss mehrfach nachfragen:
    "Wir haben eine ganz wichtige Nacht, so weit habe ich geholfen. Kadirnacht."
    Es geht heute um Mohammed, der in der Höhle Hira den Engel Gabriel trifft und zum Propheten wird.
    "Diese Geschichte hat der Prophet selber erzählt und deswegen feiern wir sogar bis auf morgen."
    An den Lehrplänen hat Tütüneken in der Landeskommission selbst mitgeschrieben. Er bildet in Zertifikatskursen auch andere Lehrer aus. Doch das Fach islamische Religionslehre habe noch einen schweren Stand.
    "Lehrpläne sind ja da, dass das ein Regelfach ist. Aber die Bürokratie läuft nicht so mit. Und viele muslimische Eltern, die wissen davon auch nicht."
    Lehrbücher gibt es noch nicht
    Zum Üben teilt der Religionslehrer zwei Arbeitsblätter über die Entstehung des Korans aus, die er selbst erstellt hat. Denn Lehrbücher für das neue Unterrichtsfach gibt es noch nicht.
    "Islamunterricht hat einen neuen Lehrplan und Schulbücher sind noch nicht erschienen."
    In Nordrhein-Westfalen haben es daher die Lehrer selbst in die Hand genommen und tauschen untereinander ihre Materialien aus.
    "Wir haben entschlossen, dass einige Kollegen ihre Arbeit zusammenbringen und haben ein Portal privat eingerichtet und alle Arbeitsblätter hochgeladen und kostenlos angeboten."
    "Die Geschichte der ersten Offenbarung in der Höhle Hira."
    Gemeinsam lesen die Kinder die ersten Zeilen des Koran. Die Worte der arabischen Sure sind nicht einfach zu übersetzen. Im islamischen Religionsunterricht lernen, sie diese Unterschiede im Glauben kennen und lernen einander zu verstehen. So wird der Unterricht an der Peter-Ustinov-Schule zur Integrationsarbeit.