"Jetzt gerade zurück. Gerade, noch ein bisschen, super – gut!"
Marvin steht mit einer gelben Warnweste hinter dem Auto und gibt so lange Anweisungen, bis der Wagen korrekt eingeparkt ist. Dann geht es gleich zum nächsten Auto. Diese Reihe parkt immer rückwärts ein, die nächste dann vorwärts.
Eigentlich darf sich jeder seinen Stellplatz selbst aussuchen. Doch seit Corona müssen auch die Autos im Autokino zwei Meter Sicherheitsabstand halten. Deswegen rollt schon eine Stunde vor Filmbeginn die Wagenkolonne auf den fünf Hektar großen Parkplatz.
Marvin ist per Funkgerät mit seinem Chef verbunden. Der steht vor der Snackbar, die nun auch Corona-bedingt geschlossen ist. Von dort aus überwacht er, dass die fast 300 Autos in ordentlichen Reihen geparkt sind. Damit alle gut sehen können, gibt es einen Trick: Der Parkplatz hat Wellen.
"Wir stehen hier an einer Seite, an der die Autos vorwärts reinfahren und dann stehen die mit den Vorderrädern leicht hoch. In der Reihe davor geht diese Welle natürlich nach unten – die können rückwärts rein, zurücksetzen, und sind dann mit dem Kofferraum tiefer und deswegen kann man von hinten über das vordere Auto gucken", sagt Thorsten Schiers, seit zwanzig Jahren Leiter des Autokinos Köln Porz.
Endlich wieder ein Date
Zu Nicht-Corona-Zeiten wären wahrscheinlich nicht mal halb so viele Zuschauer hier. Doch heute Abend ist das Autokino ausverkauft. Es läuft "Nightlife", eine deutsche Komödie. Weil es nur eine Leinwand gibt, sei es wichtig, mit den Filmen den Geschmack des Mainstreams zu treffen, so Schiers.
Bevor es losgehen kann, vertreten sich einige noch die Beine vor ihren Autos. Daniela sieht man die gute Laune unter ihrem sonnengelben Mundschutz an. Für sie und ihre Begleitung ist es eine der wenigen Gelegenheiten, mal wieder etwas unternehmen zu können:
"Einfach mal raus! Auch wenn man natürlich zuhause streamen oder Fernsehen gucken kann. Aber man kommt einfach mal wieder raus. Wir haben heute mal wieder ein Date!"
Weil das Kino nichts mehr verkauft, haben sie sich ihre Snacks und Getränke einfach selber mitgebracht. Auch meine Begleitung und ich sind gut ausgerüstet: Mit süßem Popcorn, Chips, Gummibärchen und Schokokeksen. Ganz wichtig ist außerdem eine Decke, sonst wird es im Auto schnell kalt. Über den Parkplatz ziehen dichte Regenwolken auf – also lieber schnell ins Auto, unser privates Kino. Der Ton kommt über das Autoradio.
My car is my castle
540 Quadratmeter groß ist die Bildwand vor uns. Unsere Sicht ist gut. Langsam wird es dunkel. Was genauso ist wie im normalen Kino: Schon während die Trailer laufen, stürzen wir uns auf die Snacks.
Ich finde es vor allem gut, weil mich im Kino immer die Leute nerven, die neben einem Popcorn essen, auch wenn ich selber Popcorn esse. Oder irgendjemand muss aufs Klo und man muss aufstehen. Und hier ist man so ganz für sich. Und keiner stört.
Was während des Films dann doch stört, ist dass die Scheiben immer wieder beschlagen. Ansonsten fühle ich mich in unserem Kino rundum wohl. Besonders schön finde ich es, als ein paar Regentropfen über die Windschutzscheibe kullern. Und das Beste: Es lacht keiner an den falschen Stellen. Außer man selbst.
Und man kann sich unterhalten, ohne dass sich jemand genervt umdreht. Zum Beispiel, über die schnulzige Abschiedsszene, die noch bevorsteht. Und mitten in dieser Szene, noch bevor der Abspann läuft, rast das Auto vor uns aus seinem Stellplatz. Alle drängeln sich nun nach draußen. Immerhin hupt keiner. Dafür riecht es nach Abgasen.
Autokino als Konzertbühne und Kirche
Thorsten Schiers denkt schon an die kommenden Abende. Denn dem Autokino gehen Corona-bedingt die neuen Filme aus und so sorgt die Krise auch hier für Nostalgie:
"Wir werden demnächst 'Dirty Dancing' zeigen und wahrscheinlich auch 'Grease' wieder aufführen. Es kommen keine neuen und es kommen keine großen Filme nach. Der Film, auf den wir gewartet haben, 'The Fast and the Furious', wurde um ein Jahr verschoben. Das wäre ein Film, der wie die Faust aufs Auge ins Autokino passt."
Als Krisengewinner sieht er sein Autokino trotz der vielen Besucher nicht. Denn neben den Einnahmen aus der Snackbar ist ihm auch die Pacht der drei Trödelmärkte weggebrochen, die drei Mal pro Woche auf dem großen Parkplatz stattfanden.
Deswegen hat er sich, inspiriert vom Autokino-Erfolg, weitere PKW-Formate überlegt: Die Kölner Mundart-Band "Brings" ist im April live vor gut 250 Fahrzeugen aufgetreten – und wider Erwarten sind alle brav im Wagen sitzen geblieben.
Auch in anderen Städten sind Autokinos zu Eventplätzen umfunktioniert worden: Neben Gottesdiensten haben Paare im Autokino in Düsseldorf sogar geheiratet. Während sich das Paar auf der Bühne das Ja-Wort gab, haben die Gäste vom Parkplatz aus zugeschaut – und über das Autoradio mitgehört.