Der britische Meeresbiologe Tim Gordon von der University of Exeter weiß genau, wie ein gesundes Korallenriff klingt, in dem noch das Leben pulsiert:
"Als erstes bemerkt man dieses ständige Knistern und Knacken, wie der Klang von Speck beim Braten in der Pfanne. Das kommt von den Tausenden Shrimps, die mit ihren Scheren klappern. Und dazu gesellen sich die vielfältigen Klänge der Fische. Es poppt und summt, man hört Zirpen oder Grunzen."
Tim Gordon kennt allerdings auch den Klang, wenn ein Korallenriff abgestorben ist:
"Wenn die Korallen sterben, beginnt das gesamte Ökosystem zu kollabieren. Die Tiere, die am Riff leben, ziehen entweder fort oder sterben. Und ohne sie wird so ein Riff viel leiser."
Das birgt allerdings ein Folgeproblem. Ein stilles Riff hat es schwer, wieder neue Fische anzulocken, selbst wenn sich die Korallen dort erholen sollten. Denn Fische können hören und folgen dem Klang, aber nicht der Stille. Und diese Erkenntnis brachte Tim Gordon gemeinsam mit Kollegen aus Australien auf eine Idee:
"Fische können anhand von Geräuschen entscheiden, ob ein Lebensraum gut oder schlecht für sie geeignet ist. Wenn wir es schaffen, die Fische mit Klängen davon zu überzeugen, dass ein Habitat eine gute Qualität besitzt, kommen sie vielleicht zurück."
Beschallung an abgestorbenen Korallenriffen
Tim Gordon machte am australischen Great Barrier Reef ein Experiment. An 33 bereits abgestorbenen Riffpartien installierte er Unterwasserlautsprecher. Bei einem Drittel ließ er Aufnahmen gesunder Riffklänge abspielen. Bei den anderen blieben die Lautsprecher stumm. Und tatsächlich: In den folgenden sechs Wochen verdoppelte sich die Zahl der Fische an den beschallten Standorten und die Artenvielfalt stieg um 50 Prozent – jeweils im Vergleich zum Durchschnitt der nicht beschallten Kontrollflächen:
"Für mich war es toll zu sehen, dass die Fische nicht einfach nur angelockt werden, aber bald wieder davonschwimmen. Nein, sie kommen, um zu bleiben. In den sechs Wochen unseres Experiments haben sie eine Gemeinschaft gebildet und sich dort angesiedelt."
Sehr hilfreich könnte dieser Effekt bei der gezielten Renaturierung abgestorbener Riffe sein. Üblicherweise werden dabei in die toten Korallenriffe junge Korallen neu gepflanzt. Aber das bringt nicht gleich die Fische zurück. Der Trick mit dem Klangteppich als Lockmittel kann die Wiederbelebungsmaßnahmen unterstützen:
"Die Fische tun so viele wichtige Dinge für das Ökosystem. Sie halten den Seetang fern und schaffen den Korallen damit Lebensraum. Sie verwerten Nährstoffe. Sie kontrollieren Nahrungsnetze. All das geschieht nicht, bevor die Fische da sind. Wenn wir sie also schneller herbeirufen können, können wir den ganzen Erholungsprozess eines Riffes beschleunigen."
Korallensterben durch Klimawandel
Natürlich weiß Tim Gordon auch, dass ein paar Lautsprecher allein die Korallenriffe nicht vor dem Untergang werden retten können. Dafür müssen vor allem auch die Ursachen des Korallensterbens bekämpft werden. Allem voran: der Klimawandel.
"Wenn etwas ein Riff tötet, und wir bauen das Riff wieder auf, aber die Bedrohung bleibt bestehen, dann wird das Riff wieder sterben. Für viele Korallenriffe rund um die Welt heißt die zentrale Bedrohung Klimawandel, globale Erwärmung und steigende Meerestemperaturen."
Das gilt es also zu bekämpfen. Doch in der Zwischenzeit muss man auch versuchen, den angeschlagenen Korallenriffen Überlebenshilfe zu geben. Nach seinem erfolgreichen Experiment plant Tim Gordon schon einen ersten Praxiseinsatz seiner Klangteppiche. Bei einem größeren Korallenriff-Restaurationsprojekt in Indonesien sollen einige Dutzend der Unterwasserlautsprecher installiert werden, um auch dort die Fische zumindest mit dem klanglichen Eindruck einer lebenswerten Umwelt zum Bleiben zu verleiten.