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Kritik an der Fußball- WM in Katar
"Wir Deutsche lieben moralische Diskussionen"

Die anhaltende Kritik an der Fußball-Weltmeisterschaft sei in Deutschland aufgrund der großen gesellschaftlichen Bedeutung des Fußballs besonders ausgeprägt, sagte Sportjournalist und Buchautor Ronald Reng im Dlf. Die Menschen hätten das Gefühl, die FIFA habe ihnen den Fußball weggenommen.

Ronald Reng im Gespräch mit Stefan Heinlein |
DFB-Präsident Bernd Neuendorf (l.), Innenministerin Nancy Faeser im Khalifa International Stadium in Doha während der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar
Unterstützung fürs deutsche Team, Kritik an der FIFA: DFB-Präsident Neuendorf (l.), Innenministerin Faeser bei der WM in Katar (picture alliance / firo Sportphoto)
Er werde sich definitiv einige Spiele anschauen, weil seine Faszination für das Spiel, die Strategie und auch die Fußballkunst so groß sei, dass er sich das Spiel nicht kaputt machen lassen wollte, sagte Ronald Reng im Deutschlandfunk.
Reng machte deutlich, dass die Weltmeisterschaft in Katar definitiv Protest verdiene. Er stellte aber auch in Frage, wie und ob ein Fernsehboykott etwas bringen würde, immerhin sei die WM ein globales Spiel. Bei vermutlich 3,5 Milliarden Menschen mache es für den Weltverband FIFA laut Reng wenig aus, ob in Deutschland zwei, drei oder vier Millionen weniger einschalten. "Wir sind eine kleine Minderheit auf der Welt, die versucht den Fußball an gesellschaftliche Normen zu koppeln."

Gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs in Deutschland

Die Kritik an der Weltmeisterschaft in Katar erklärt sich der Sportjournalist, der seit mehr als 25 Jahren im Ausland lebt, vor allem mit der Liebe der Deutschen an moralischen Diskussionen. Laut Reng habe der Fußball in Deutschland traditionell eine gesellschaftliche Bedeutung, was auch am deutschen Vereinsfußballsystem liege. Es gebe die weitverbreitete Auffassung, dass Vereine etwas für die Gesellschaft tun sollten, so Reng: "Da sollen alle Kinder spielen können, für ganz wenig Geld. Das ist in den Leuten drin: Ein Fußballverein ist mehr als ein Geschäft."

Meinung zur Katar-WM: "FIFA hat uns den Fußball geklaut"

Dies sei auch ein Grund, warum es soviel Kritik an der Weltmeisterschaft in Katar gebe. Viele Menschen würden sich fragen, warum überhaupt eine WM in Katar stattfindet. "Und sie kommen richtigerweise zum Schluss, dass es keinen anderen Grund dafür gibt, als dass es ein Geschäft ist. Es ist mit Geld gekauft", so Reng. "Die Leute haben das Gefühl, der Fußball gehört doch uns, der Gesellschaft. Und die FIFA hat ihn uns geklaut. Sie hat ihn zu ihrem Privatgeschäft gemacht, um sich selbst zu bereichern."

Vorwurf von Doppelmoral in Richtung der Politk

Die Vorwürfe von Doppelmoral in Richtung der Politik, die den WM-Ausrichter kritisiere und zugleich Gas-Handel mit Katar betreibe, wollte Reng nicht teilen. Der wirtschaftliche Handel laufe nach internationalen Standards und Regeln ab. Die Ausrichtung einer Weltmeisterschaft hingegen sei kein Geschäft, sondern eine Auszeichnung, betonte Reng. Viele Länder auf der ganzen Welt würden eine WM ausrichten wollen, es gebe viele Länder, die noch gar nicht zum Zug gekommen seien. Jetzt, da die WM in Katar stattfinde, sei es laut Reng auch völlig berechtigt zu fragen, womit dieses Land die Ausrichtung verdient hätte. Das habe wenig mit Doppelmoral zu tun.