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Rennen um Parteivorsitz
"Ich will meine alte CDU zurück"

Im Rennen um den CDU-Vorsitz stellten sich die drei aussichtsreichsten Kandidaten erstmals Parteifreunden in einem ostdeutschen Bundesland. Friedrich Merz nutzte die Regionalkonferenz in Thüringen für einen Vorstoß zur Asylpolitik - zur Freude seiner Anhänger.

Von Mathias von Lieben |
    21.11.2018, Thüringen, Seebach: Friedrich Merz (l-r), der frühere CDU/CSU-Fraktionschef, Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Generalsekretärin und Jens Spahn (CDU), Gesundheitsminister, halten bei der CDU-Regionalkonferenz Losnummern. Mit den Losen wird die Reihenfolge der Redebeiträge festgelegt. Zur dritten Vorstellungsrunde der drei aussichtsreichsten Kandidaten für den CDU-Vorsitz sind CDU-Mitglieder aus Thüringen und Hessen angereist. Foto: Arifoto Ug/Michael Reichel/dpa
    Kandidaten Merz, Spahn und Kramp-Karrenbauer bei der dritten CDU-Regionalkonferenz am Mittwoch im thüringischen Seebach (pa / Arifoto Ug / M. Reichel)
    Ein prominenter Gast mischte sich gestern Abend unter die knapp 500 Zuhörer bei der dritten Regionalkonferenz der CDU in Seebach, einem kleinen Örtchen im Thüringer Wald.
    Peter Tauber, ehemaliger Generalsekretär, dessen hessischer Landesverband hier auch eingeladen war: "Jeder hat seine persönliche Präferenz. Ich vielleicht auch schon ein bisschen. Aber ich schaue mir das heute sehr neugierig an."
    Fokus auf Migration
    Für die drei Kandidaten Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz war es die erste Konferenz in einem ostdeutschen Bundesland. Und dass in Thüringen nächstes Jahr eine Landtagswahl ansteht - das war bis in das Klubhaus in Seebach zu spüren: einerseits durch die Themensetzung der drei Bewerber, andererseits durch die Fragen des eher älteren und männlich geprägten Publikums zum Thema Asylpolitik.
    Friedrich Merz war diesmal der erste Redner. Er legte den Fokus auf die Migration: "Wir haben uns Regeln gegeben. Und an diese Regeln wollen wir uns halten. Und daran müssen sich auch die halten, die zu uns kommen und auf Dauer Teil unserer Gesellschaft bleiben wollen"
    Merz bekommt viel Applaus für seine Aussagen - besonders als er einfordert, dass alle Flüchtlinge Deutsch sprechen müssten und er mit allen Mitteln gegen Koranschulen ankämpfen wolle. Er erneuerte sein Vorhaben, die CDU im Bund zurück auf 40 Prozent zu bringen und die AfD zu halbieren, streift erneut Europa, betont christlich-abendländische Werte. Doch seine Rhetorik diesmal: Deutlich schärfer.
    Kramp-Karrenbauer ließ das Thema Migration weg
    Auch Jens Spahn, der zuletzt die Debatte über den UN-Migrationspakt in der Union mit kritischen Bemerkungen neu entfacht hatte und dafür auch vom thüringischen Landesvorsitzenden Mike Mohring unterstützt wurde, gab sich in seinem Eingangsstatement islamkritisch: "Ehrenmord. Zwangsheirat. Darf die 15-Jährige selbst entscheiden oder entscheidet der Vater? 15-Jährige gehören übrigens in die Schule und nicht vor den Traualtar."
    Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen ließ das Thema Migration in ihrem Zehn-Minuten-Vortrag weg. Sie sprach über den Markenkern der CDU, die Bedeutung der Familie, Heimat und einen starken Rechtsstaat: "Wir stehen für diesen Kernbereich. Dafür müssen wir eintreten und deswegen lohnt es sich für die CDU zu kämpfen und ein klares Profil zu haben, liebe Freundinnen und Freunde."
    Später am Abend muss jedoch auch AKK, wie sie in der CDU genannt wird, Stellung beziehen - zumindest zum Migrationspakt. Sie stellt sich erneut hinter Angela Merkel, die bei der Bundestagsdebatte gestern vehement für den Pakt geworben hatte: "Und bei aller Abwägung, bin ich der Auffassung, dass dieser Pakt für uns in Deutschland insbesondere auf die längere Sicht insgesamt mehr Vorteile bringt als Nachteile."
    Es lohne sich dafür zu streiten - und selbstverständlich auch auf dem CDU-Parteitag darüber zu debattieren, wie es auch Jens Spahn in Seebach erneut verlangte. Sein Credo: Einwanderung, ja. Aber: kontrolliert. Dann: Dieselautos, unfertige Flughäfen, Angst um die Tochter im Dunkeln, wo bleibt der Arzt? Überhaupt, die Gesundheitspolitik.
    Merz wagt sich vor
    Deutlich weiter wagt sich an diesem Abend Friedrich Merz hervor, der das aus Artikel 16 des Grundgesetzes stammende individuelle Recht auf Asyl in Deutschland in Frage stellt:
    "Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, dass ein Individualrecht auf Asyl in seiner Verfassung stehen hat. Ich bin schon seit längerer Zeit der Meinung, dass wir bereits sein müssten, über dieses Asyl-Grundrecht offen zu reden, ob es in dieser Form fortbestehen kann, wenn wir ernsthaft eine europäische Flüchtlingspolitik machen wollen"
    Seine Argumentation: wenn es eine europäische Harmonisierung des Asylrechts gebe, dann könne Deutschland nicht das einzige Land sein, dass mit dem individuellen Anspruch auf Asyl einen höheren Standard beibehalte und weitere Anreize setze. Auch wenn ihm dafür in den sozialen Medien später Populismus vorgeworfen wird - bei der Basis in Seebach kommt das gut an. Zum Beispiel beim Unternehmer Klaus Friedl:
    "Merz ganz klar. Ich will meine alte CDU zurück."
    Andreas Neumann aus Eisenach: "Mein Favorit ist Friedrich Merz. Das hat sich heute bestätigt. Er gibt klare Kante und hat klare Vorstellungen von Politik."
    Doch auch Kramp-Karrenbauer konnte für sich werben – zum Beispiel bei Florian Rappen aus Jena: "Ich glaube, die Annegret hat es am besten gemacht. Sie ist die Zukunft der Partei."
    Simon Breuer war hingegen von Anfang an für Jens Spahn – und glaubt auch jetzt noch an ihn: "Totgesagte leben länger".
    *Anmerkung: Die Audiofassung dieses Beitrags wurde aus sendungstechnischen Gründen gekürzt.