Herbert Hönigsberger zieht in der Zeitschrift "Kommune" eine erste Bilanz des christlich-liberalen Projekts – mit kritischem Blick auf die steuerliche Hoteliersbegünstigung im dubiosen Wachstumsbeschleunigungsgesetz:
Es zeichnet sich ab, dass die Integration des christlich-liberalen Lagers schon erheblicher klientelistischer Zuwendungen bedarf, dass seine Integration auf Dauer und allein über die Gewissheit, "die Unseren" regieren oder über ein geteiltes Wertesystem nicht gelingen wird.
Krach gegen die Steuerpolitik ist auch von den ausblutenden Kommunen zu erwarten. Hier stößt Guido Westerwelles kämpferisches Diktum bitter auf, es sei ein Zeichen von "Dekadenz", Steuererleichterungen infrage zu stellen oder sie als "Geschenke" zu bezeichnen. Münchens OB Christian Ude schlägt gegen eine solche Sichtweise in der Zeitschrift "Cicero" Alarm:
Ich denke, dass es von Dekadenz zeugt, wenn ein trotz allem wohlhabender Staat die Infrastruktur seiner Städte verrotten lässt, wenn er ihnen die Mittel nimmt, um Kinderkrippen zu schaffen und Schulen zu sanieren, wenn er zwar von 'Bildung, Bildung, Bildung' spricht, ihr gleichzeitig die finanziellen Grundlagen vorenthält, wenn er, um vordergründig und vorübergehend bestimmte Klientelgruppen zu bedienen, den Niedergang der Städte in Kauf nimmt.
Derweil wird die Kanzlerin im eigenen Lager heftig attackiert. Von Merkels Maxime aus der jüngsten "Berliner Erklärung", dass die Union "für alle" wählbar sein müsse, verspricht sich die rechtskonservative Zeitschrift "Gegengift" nur programmatische Beliebigkeit und blutleere Wahlkämpfe:
Sie hat aus der CDU in Rekordzeit eine andere Partei gemacht, in der vermeintlich Konservative wie Wolfgang Schäuble sich willentlich in ihr Schicksal fügen und dem erstaunten Publikum weismachen, konservativ sei, sich vom hergebrachten Familienbild zu lösen. Merkel gebührt das historische Verdienst, die Maxime eines echten Staatsratsvorsitzenden, nämlich Walter Ulbricht, in die Tat umgesetzt zu haben: "Überholen, ohne einzuholen."
Im "Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen" spekuliert Herfried Münkler über die Zukunft der SPD. Er konstatiert ein existenzgefährdendes Defizit an "institutionellen Mechanismen", um die "Krisenursachen erfassen und aufarbeiten" zu können. Außerdem rät er davon ab, nach links zu rücken, um zur Klientelpartei des "politisch unzuverlässigen, desinteressierten bis apathischen" Prekariats zu werden. Daneben gilt:
Allein auf die geschrumpfte Gruppe der sozial Aufstiegswilligen zu setzen, dürfte ebenso zu einem Stimmenanteil unter 25 Prozent hinführen. Die historische Aufgabe der SPD besteht darin, diese beiden Gruppen politisch wieder zu verknüpfen. Aber sie ist unendlich schwer, da die wirtschaftlichen Zuwächse ausbleiben, der demografische Wandel auf den Staatsetats lastet und beachtliche Teile der Migrationsmilieus politisch für die SPD nicht mobilisierbar sind. Man braucht eine griffige Programmatik, die mehr als die Erhöhung von Transfers ist.
Zu ihrem zehnjährigen Bestehen wartet die SPD-nahe "Berliner Republik" mit einer Jubiläumsausgabe auf. Das diskursoffene Blatt konnte sich gegen alle ökonomischen und innerparteilichen Unkenrufe behaupten. Tobias Dürr ruft über den Tellerrand der Sozialdemokraten hinaus zu einer "Allianz aller Progressiven" auf:
"Freiheit darf kein Privileg werden, und das heißt, dass es ein Gebot der Politik der Freiheit ist, mehr Menschen, prinzipiell allen Menschen die Anrechte und das Angebot zu verschaffen, die wir selber schon genießen": Hinter diesem Leitmotiv des klugen Liberalen Ralf Dahrendorf können sich Progressive aller Parteien heute mühelos vereinigen. Die enormen ökonomischen, gesellschaftlichen und ökologischen Probleme der kommenden Jahre werden schwierige Bedingungen für eine Politik des Fortschritts schaffen – umso dringender wird diese gebraucht.
Norbert Seitz war das mit seinem allmonatlichen Streifzug durch die politischen Zeitschriften. Quellen:
Kommune, 1/2010. Cicero, 2/2010. Gegengift, 1. Februar 2010.
Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 1/ 2010.
Berliner Republik, 1/2010.
Es zeichnet sich ab, dass die Integration des christlich-liberalen Lagers schon erheblicher klientelistischer Zuwendungen bedarf, dass seine Integration auf Dauer und allein über die Gewissheit, "die Unseren" regieren oder über ein geteiltes Wertesystem nicht gelingen wird.
Krach gegen die Steuerpolitik ist auch von den ausblutenden Kommunen zu erwarten. Hier stößt Guido Westerwelles kämpferisches Diktum bitter auf, es sei ein Zeichen von "Dekadenz", Steuererleichterungen infrage zu stellen oder sie als "Geschenke" zu bezeichnen. Münchens OB Christian Ude schlägt gegen eine solche Sichtweise in der Zeitschrift "Cicero" Alarm:
Ich denke, dass es von Dekadenz zeugt, wenn ein trotz allem wohlhabender Staat die Infrastruktur seiner Städte verrotten lässt, wenn er ihnen die Mittel nimmt, um Kinderkrippen zu schaffen und Schulen zu sanieren, wenn er zwar von 'Bildung, Bildung, Bildung' spricht, ihr gleichzeitig die finanziellen Grundlagen vorenthält, wenn er, um vordergründig und vorübergehend bestimmte Klientelgruppen zu bedienen, den Niedergang der Städte in Kauf nimmt.
Derweil wird die Kanzlerin im eigenen Lager heftig attackiert. Von Merkels Maxime aus der jüngsten "Berliner Erklärung", dass die Union "für alle" wählbar sein müsse, verspricht sich die rechtskonservative Zeitschrift "Gegengift" nur programmatische Beliebigkeit und blutleere Wahlkämpfe:
Sie hat aus der CDU in Rekordzeit eine andere Partei gemacht, in der vermeintlich Konservative wie Wolfgang Schäuble sich willentlich in ihr Schicksal fügen und dem erstaunten Publikum weismachen, konservativ sei, sich vom hergebrachten Familienbild zu lösen. Merkel gebührt das historische Verdienst, die Maxime eines echten Staatsratsvorsitzenden, nämlich Walter Ulbricht, in die Tat umgesetzt zu haben: "Überholen, ohne einzuholen."
Im "Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen" spekuliert Herfried Münkler über die Zukunft der SPD. Er konstatiert ein existenzgefährdendes Defizit an "institutionellen Mechanismen", um die "Krisenursachen erfassen und aufarbeiten" zu können. Außerdem rät er davon ab, nach links zu rücken, um zur Klientelpartei des "politisch unzuverlässigen, desinteressierten bis apathischen" Prekariats zu werden. Daneben gilt:
Allein auf die geschrumpfte Gruppe der sozial Aufstiegswilligen zu setzen, dürfte ebenso zu einem Stimmenanteil unter 25 Prozent hinführen. Die historische Aufgabe der SPD besteht darin, diese beiden Gruppen politisch wieder zu verknüpfen. Aber sie ist unendlich schwer, da die wirtschaftlichen Zuwächse ausbleiben, der demografische Wandel auf den Staatsetats lastet und beachtliche Teile der Migrationsmilieus politisch für die SPD nicht mobilisierbar sind. Man braucht eine griffige Programmatik, die mehr als die Erhöhung von Transfers ist.
Zu ihrem zehnjährigen Bestehen wartet die SPD-nahe "Berliner Republik" mit einer Jubiläumsausgabe auf. Das diskursoffene Blatt konnte sich gegen alle ökonomischen und innerparteilichen Unkenrufe behaupten. Tobias Dürr ruft über den Tellerrand der Sozialdemokraten hinaus zu einer "Allianz aller Progressiven" auf:
"Freiheit darf kein Privileg werden, und das heißt, dass es ein Gebot der Politik der Freiheit ist, mehr Menschen, prinzipiell allen Menschen die Anrechte und das Angebot zu verschaffen, die wir selber schon genießen": Hinter diesem Leitmotiv des klugen Liberalen Ralf Dahrendorf können sich Progressive aller Parteien heute mühelos vereinigen. Die enormen ökonomischen, gesellschaftlichen und ökologischen Probleme der kommenden Jahre werden schwierige Bedingungen für eine Politik des Fortschritts schaffen – umso dringender wird diese gebraucht.
Norbert Seitz war das mit seinem allmonatlichen Streifzug durch die politischen Zeitschriften. Quellen:
Kommune, 1/2010. Cicero, 2/2010. Gegengift, 1. Februar 2010.
Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 1/ 2010.
Berliner Republik, 1/2010.