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Rente auf Sozialhilfeniveau

Die guten Rentenzeiten sind vorbei. Seit einigen Jahren steigt die Rente, wenn überhaupt, geringer als die Lebenshaltungskosten. Die sozialen Folgen sind absehbar.

Von Doris Arp und Melanie Hinter |
    "Ich bin 45 Jahre alt, und ich bin alleinerziehend und seit 1993 selbstständig tätig. Ich unterrichte Fotografie, was ich auch studiert habe. Und ich habe drei verschiedene Jobs. Mit dem Geld, was ich da verdiene, komme ich zwar klar, aber es ist nicht gerade viel. Ich hab keine Möglichkeit, jeden Monat irgendwas für das Alter abzuzwacken beziehungsweise vorzusorgen."

    "Es ist im Grunde genommen eine Binsenwahrheit, wenn wir heute eine Quote von 13 Prozent in Einkommensarmut haben, dass dies natürlich ins Alter reinwächst. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass wir auf eine Altersarmut von zehn Prozent zusteuern bis zum Jahr 2020/2030. Und das hieße nach der demografischen Entwicklung, dass dann rund zwei Millionen alte Menschen durchaus von der Altersgrundsicherung leben müssen."

    Sozialhilfeniveau für zwei Millionen Alte, so sieht Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die nahe Zukunft. Noch ist davon nichts zu spüren.

    "Wir bekommen ja heute ein Bild von alten Menschen, die ihre Freizeit in Theatern verbringen, im Kino, in Freizeit-Oasen. Ansonsten den Urlaub auf Teneriffa, Mallorca oder sonst wo. Das ist ja auch schön so. Die alten Menschen können sich heute durchaus in aller Regel etwas leisten."

    Aber wie lange noch? Die guten Rentenzeiten sind angezählt. Seit einigen Jahren steigt die Rente, wenn überhaupt, geringer als die Lebenshaltungskosten. 1957 hatte Bundeskanzler Konrad Adenauer die gesetzliche Rentenkasse neu eingerichtet. Damals drohte eine Massenverarmung alter Menschen mitten im Wirtschaftswunder-Deutschland. Ihre noch in Reichsmark angesparten Renten waren durch Krieg und Börsencrash zusammengeschmolzen. Also ersetzte Adenauer das bisherige Kapitaldeckungsprinzip durch das Umlageprinzip. Seither werden die Renten aus den Beiträgen der aktiven Arbeitnehmer gezahlt.

    Und das führt zunehmend zu Problemen. Die Lebenserwartung nimmt zu, und gleichzeitig werden immer weniger Kinder geboren, dass heißt, immer weniger Beitragszahler stehen immer mehr Rentnern gegenüber. Während nach Berechnungen des Arbeitsministeriums im Jahr 1991 noch vier Erwerbstätige für eine Rente aufkommen mussten, werden es im Jahr 2030 noch zwei Arbeitnehmer sein. Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Die Gesellschaft wird älter. Laut der jüngsten Prognose des Statistischen Bundesamtes wird es im Jahr 2050 doppelt so viele 60-Jährige geben wie Neugeborene. Der Generationenvertrag muss deshalb auf eine neue Grundlage gestellt werden. Für Herbert Rische, den Präsidenten der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), war die Geburt des Generationenvertrages dennoch eine Sternstunde der Bundesrepublik.

    "Wir haben im letzten Jahr 50 Jahre dynamische Rente gefeiert - also seit 57. Wir können da über vieles auch Kritik ausschütten. Aber eines hat diese 50 Jahre dynamische Rente bewirkt. Sie hat das Thema Altersarmut an den Rand gedrängt. Wir haben heute das Thema Altersarmut nicht. Wir haben es vielleicht in Zukunft stärker, als wir das heute haben."

    Sicher ist auf jeden Fall, dass die Renten in Zukunft deutlich magerer sein werden. Das hat der DRV selbst ermittelt. Ende November letzten Jahres präsentierte er die Ergebnisse des groß angelegten Forschungsprojektes "Altersvorsorge in Deutschland AVID 2005": 293 Seiten mit Zahlen zur künftigen Entwicklung der Alterssicherung. Daraus geht hervor: Das Rentenniveau wird bis 2030 um rund 15 Prozent niedriger ausfallen als heute.

    Die Armut im Alter wird zunehmen. Daran ändert auch die Grundsicherung nicht viel, die im Jahr 2003 eingeführt wurde. Seither hat jeder bedürftige Bürger ab 65 Jahren einen Anspruch auf diese Form der Sozialhilfe als eine Art Rente. Die Grundsicherung beseitige nicht die Altersarmut, erklärt Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Sie verhindere nur Schlimmeres.

    "Wer heute auf Grundsicherung angewiesen ist, der hat 347 Euro im Monat und die Wohnkosten, und das war es. Und 347 Euro, das werden alle wissen, das lässt keine großen Sprünge zu. Ganz im Gegenteil, man muss an allem sparen, das fängt bei der Ernährung an, und Kultur ist so gut wie gar nicht mehr drin."

    Immerhin lockte die Grundsicherung Hunderttausende arme Rentner aus der Deckung. Sie nahmen bisher ihren Anspruch auf Sozialhilfe nicht wahr aus Scham und aus Angst, ihre Kinder könnten belangt werden. Die Sippenhaftung hat die rot-grüne Regierung mit der Grundsicherung quasi abgeschafft. Erst bei einem Jahreseinkommen ab 100.000 Euro werden die Kinder herangezogen. Allerdings ist der Grundsicherungsbedarf auch noch nicht sehr hoch: Laut statistischem Bundesamt erhielten Ende 2006 nur 2,3 Prozent aller Ruheständler die Grundsicherung.

    "Die Schere wird natürlich weiter auseinandergehen zwischen Arm und Reich. Weil im Alter in dem Rentenversicherungssystem gelebte Privilegien oder auch Benachteiligungen aus der Erwerbsphase sich verschärfen, und das Bild wird noch klarer."

    Denn die Rente berechnet sich nach den Beiträgen, die während des Erwerbslebens eingezahlt wurden. Bei der Berechnung der Renten wird auch die Bruttolohnentwicklung und das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern berücksichtigt. Bei den Reformen der vergangenen 15 Jahre war Beitragsstabilität das Kernwort, erklärt der Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund, Herbert Rische.

    "Wir haben in den letzten 15 Jahren eine Reform der Alterssicherung betrieben nach dem Motto, die Beiträge dürfen nicht weiter steigen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies haben wir erreicht. Aber natürlich haben wir damit auch erreicht, dass wir die Leistungen auch begrenzen. Und daraus hat die Politik dann entwickelt die Philosophie Lebensstandardsicherung nicht mehr nur über die gesetzliche Rentenversicherung, sondern auch über andere Arten der Altersvorsorge."

    Die ideale Altersvorsorge der Zukunft ruht auf drei Säulen: zum einen die gesetzliche Rente, zum anderen die betriebliche und drittens die private Altersvorsorge. Letztere unterstützt der Staat mit Zulagen, Steuervorteilen und Beitragsersparnissen. Arbeitnehmer können bis zu vier Prozent ihres Bruttoeinkommens in den Erwerb einer Betriebsrente investieren, ohne auf diese Beiträge Sozialabgaben zahlen zu müssen.

    Auch die private Altersvorsorge unterstützt der Staat, zum Beispiel durch die Förderung im Rahmen der sogenannten Riester-Rente. Voraussetzung ist allerdings eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Durch die Zuschüsse sollen besonders Geringverdiener dazu bewegt werden, privat vorzusorgen. Denn vor allem Kleinverdiener bekommen vom Staat ein Vielfaches der eingezahlten Beiträge als Zuschuss. Wer Kinder hat, profitiert zusätzlich durch einen Kinderzuschlag.

    Doch wer später eine gesetzliche Rente unterhalb des Grundsicherungsniveaus bekommt, dessen angesparte Riester-Rente wird auf die Grundsicherung angerechnet - sie ist also kein zusätzliches Geld. Genau diese Anrechnung steht jetzt in der Kritik. Die FDP bemängelt, die Verrechnung mit der Grundsicherung verleite viele dazu, auf private Vorsorge zu verzichten, und die Linke wirft der Regierung sogar Anlagebetrug vor. Der Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine:

    "Das ist deshalb Anlagenbetrug, weil Sie die Riester-Rente begründet haben mit dem Versprechen, dass insbesondere Menschen, die ein niedriges Einkommen haben, durch das Zahlen, durch das Aufbauen dieser Rente, sich einen besseren Lebensabend haben, sich einen solchen finanzieren können. Das war doch das Versprechen, dass Sie diesen Menschen gegeben haben. Und genau dieses Versprechen wird eben durch die Konstruktion, die Sie hier gewählt haben, gebrochen. Die bauen brav und fleißig ihre Rente auf, und sie sind im Alter betrogen. Und wenn Sie das nicht gewollt haben, das geben Sie es hier zu, und wenn Sie das gewollt haben, dann ist das Anlagenbetrug, nichts anderes."

    Der Parlamentarische Staatssekretär im Sozialministerium, Klaus Brandner, SPD, widersprach der Darstellung, der Abschluss einer Riester-Rente lohne sich nicht für Menschen mit einem niedrigen Einkommen:

    "Gerade bei Geringverdienenden ist der staatliche Zuschuss gemessen an der Eigenleistung besonders groß und macht bis zu 90 Prozent des Sparbetrages aus. Falsch ist auch die in den Medien zitierte Berechnung, derzufolge ein Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen erst nach 32 Jahren das Grundsicherungsniveau erreicht. Dies ist schon deshalb falsch, weil nur der Zahlbetrag aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Blick genommen wurde. Denn leistet der Durchschnittsverdiener Beiträge auch an eine Riester-Rente, und darum geht es ja hier, dann übersteigt das Alterseinkommen aus beiden Quellen bereits nach 20 Jahren den durchschnittlichen Grundsicherungsbetrag. Diese Grundsicherung ist kein Grundrentenanspruch, sondern eine steuerfinanzierte Maßnahme für Hilfebedürftige zur Armutsvermeidung."

    Die Liberalen dagegen fordern eine Neuregelung der Anrechnung der Riester-Verträge. Derjenige, der privat für sein Alter vorsorge, müsse mehr haben als jemand, der nichts getan habe und sich alleine auf den Staat verlasse, argumentiert Sozialexperte Heinrich Kolb für die FDP.

    "Das ist eine Grundforderung der Gerechtigkeit. Das widerspricht nicht dem Subsidiaritätsprinzip der Sozialhilfe, im Gegenteil. Es ergänzt das Subsidiaritätsprinzip in sinnvoller und gerechter Weise. Unser Vorschlag also wer betrieblich oder privat für das Alter vorsorgt, der soll, wenn er Grundsicherung im Alter bezieht, bis zu 100 Euro aus seiner Vorsorge monatlich als Freibetrag vorab behalten dürfen, bei Beträgen die darüber hinausgehe, werden 80 Prozent auf die Grundsicherung angerechnet, und das ist maßgeschneidert gerade auf die Bedürfnisse von Geringverdienern, die auch nach langer Riester-Sparzeit in der Regel über Beträge 100, 200 Euro im Monat nicht hinauskommen werden aus zusätzlicher privater Vorsorge. Und deshalb wird es den Interessen gerade dieser Menschen gerecht."

    Auf die Anrechnung der Riester-Verträge bei der Grundsicherung zu verzichten, lehnt die Mehrheit der Koalitionsfraktionen aber ab. Auch der Unionsabgeordnete Stefan Müller:

    "In unserem Land gilt ja auch immer noch der Grundsatz, dass jeder, der es kann, für seinen Lebensunterhalt auch selbst zu sorgen hat. Nur für den Fall, dass er es eben nicht mehr kann, ist es Aufgabe, der Solidargemeinschaft, ihm zu helfen. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, man sollte diese Solidarität und diese Solidargemeinschaft auch nicht dadurch aufs Spiel setzen, indem man zu einem Teil der Bevölkerung sagt, tut lieber nichts, die anderen werden euch dann schon finanzieren, wenn es nicht mehr reicht. Das kann nicht der Anspruch sein, den wir haben an die Menschen in diesem Land, und es kann auch nicht der Anspruch sein, den die Menschen in diesem Land an sich selbst haben."

    "Ich zahle seit 1993 in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Aber ich hab auch so einen Rentenbescheid bekommen, und da steht, wenn ich 65 Jahre alt bin, dann habe ich eine Rente von 325 Euro."

    Die Altersvorsorgestudie hat drei Armutsrisikogruppen aufgezeigt, erklärt Dr. Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung:

    "Da ist zum einen der Kreis der Langzeitarbeitslosen."

    Arbeitslosigkeit wirkt sich stark auf die Rente aus. Schon beim Arbeitslosengeld I reduzieren sich die Beiträge erheblich. Beim Arbeitslosengeld II gibt es sie mit 2,19 Euro eigentlich nicht mehr. Laut AVID-Studie steigt der Anteil der Rentner, die mindestens ein Jahr arbeitslos waren bei den Männern von 38 auf 54 Prozent, bei den Frauen von 39 auf 59 Prozent.

    "Der zweite Punkt sind die Selbstständigen. Hier müssen wir uns Gedanken machen, wie können wir die mit einbeziehen, wie können wir ihnen Möglichkeiten der gesetzlichen Rentenversicherung bereitstellen?"

    Die Rede ist nicht von Ärzten oder Architekten. Sie sind in der Regel gut durch ihre Berufsverbände abgesichert. Gemeint sind der Friseur, die Dame mit dem mobilen Nagelstudio oder das Heer der Menschen, die sich von Werkvertrag zu Werkvertrag hangeln oder von Auftrag zu Auftrag, dazwischen immer mal wieder Phasen der Arbeitslosigkeit erleben. Sie kommen nämlich auch nicht wie andere Geringverdiener in den Genuss der Riester-Förderung. Die steht nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu.

    "Und die dritte Gruppe, die erst in der letzten Zeit entstanden ist, das ist die Gruppe derjenigen, die gering entlohnt werden, seien es die Mini-Jobber, seien es diejenigen, die irgendwo unterhalb von irgendwelchen Mindestlohngrenzen liegen."

    Anders als zu Adenauers Wirtschaftswunderzeiten ist Rentenpolitik heute vor allem Arbeitsmarkt- und Lohnpolitik. Über eine Million Arbeitnehmer müssen ihren Lohn heute mit Sozialhilfe aufstocken. Die Debatte um den Mindestlohn sei also auch eine um Mindestrenten und Möglichkeiten der zusätzlichen privaten Altersvorsorge, meint der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische:

    "Die Rente kann die Probleme und die Missstände, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt herrschen, die im Bereich der Entlohnung herrschen, kann die Rente nicht ausgleichen. Weder die gesetzliche noch andere Rentenarten. Hier muss an anderer Stelle angesetzt werden."

    Deshalb plädiert der Wirtschaftsweise Bert Rürup für eine Sockelrente knapp über dem Grundsicherungsniveau. Wenn Versicherte 35 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, soll deren Rente aus Steuermitteln auf diesen Betrag aufgestockt werden, ohne dass andere Einkünfte mit angerechnet werden. Eine Mehrheit in der Großen Koalition findet ein solcher Vorschlag nicht, doch auch dort gibt es Überlegungen, wie dem Problem der Altersarmut wirksam begegnet werden kann. Anton Schaaf, Bundestagsabgeordneter der SPD:

    "Ich bin der festen Überzeugung, dass das Drei-Säulen-System, so wie es jetzt existiert, auf Dauer nicht ausreichen wird. Wir werden sicherlich noch über eine vierte Säule, steuerfinanziert, miteinander diskutieren müssen, Grundsicherung ist da das Stichwort. Da bin ich fest von überzeugt, dass wir da nicht drum rumkommen werden. Das ist aber eine Perspektive, die wir jetzt nicht unbedingt ad hoc regeln müssen. Sondern lassen Sie uns jetzt die positiven Effekte, die jetzt Wachstum in unserem Land ausmachen, vernünftig nutzen, auch um die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren. Am besten, am einfachsten, am wirkungsvollsten unterstützen wir die Gewerkschaften bei ihren Forderungen nach vernünftigen Lohnabschlüssen in diesem Jahr, lassen Sie uns den Mindestlohn und das Mindestarbeitsbedingungsgesetz vernünftig durchsetzen. Das ist der richtige Weg, es hilft dem einzelnen Arbeitnehmer, der einzelnen Arbeitnehmerin, es hilft den sozialen Sicherungssystemen, es stabilisiert sie, und es ist der richtige Weg."

    Gut bezahlte Arbeit führt zu guten Ansprüchen in der Rentenversicherung - da sind sich die Parteien der Großen Koalition einig. Doch die auch in diesem Zusammenhang erhobene Forderung nach einem Mindestlohn stößt in der Union weiterhin auf Ablehnung. Der Unionsabgeordnete Michael Fuchs befürchtet in diesem Fall einen Abbau von Arbeitsplätzen:

    "Wir haben genau das Gegenteil, nämlich wir werden in dem Moment Arbeitsplätze verlieren in Deutschland, und dann werden die Kosten noch höher. Und alle, die arbeitslos sind, zahlen überhaupt nichts in die Rentenkasse ein, und dann haben wir das Problem gleich da wieder."

    Die Befürchtung: Höhere Lohnnebenkosten vernichten Arbeitsplätze. Auch die Grünen sehen einen Ansatzpunkt zur Vermeidung von Altersarmut in der Arbeitsmarktpolitik.

    "Aus nicht existenzsichernden Löhnen können keine Renten folgen, die über der Grundsicherung liegen, das ist ja auch klar. Und da kann auch jemand 50 Jahre lang arbeiten. Und darum brauchen wir eine Entlastung von kleinen Einkommen."

    Der Vorschlag der Grünen: Die Rentenbeiträge von Geringverdienern sollten höher bewertet werden. Die Fraktion die Linke im Bundestag plädiert dagegen für einen Systemwechsel. Gregor Gysi:

    "Wir müssen in der nächsten Generation alle Einkommen heranziehen zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Wir brauchen den Grundsatz der Schweiz, die da sagt, es ist zwar wahr, dass die Millionäre nicht die gesetzliche Rentenversicherung brauchen, aber die gesetzliche Rentenversicherung braucht die Millionäre. Diesen Grundsatz müssen wir durchsetzen. Und wir müssen darüber hinaus die Beitragsbemessungsgrenzen an- und aufheben."

    "Ich möchte gerne, dass meine Tochter vernünftig groß wird und auch eine gute Bildung bekommt und auch studieren kann. Und dafür verzichte ich auch auf meine private Rentenvorsorge."

    Das Solidaritätsmodell der Adenauer-Rente stimmt heute nicht mehr: Eine Generation sorgt für die Rente der vorherigen. Doch heute ist Deutschland mit 35 Prozent Einpersonenhaushalten Spitzenreiter in der EU. Gleichzeitig wird ein Teil der mittleren Generation mit gesellschaftlicher Verantwortung überfordert, meint Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

    "Es wird von dieser Generation erwartet, dass sie Kinder großzieht, nach Möglichkeit mehr als eins, damit es demografisch überhaupt noch klappt. Es wird auch erwartet, dass diese Generation den momentanen Bestand an Altersrenten erwirtschaftet. Und da wird es auf Dauer eng. Das heißt, wir haben hier eine ganze Reihe von politisch und gesellschaftlich überforderten Haushalten. Wenn wir dieses demografische System stützen wollen, dann müssen wir dringend etwas im Familienlastenausgleich tun. Wir müssen Familien und Alleinerziehende so fördern, dass sie diese Aufgaben auch halbwegs packen."

    Heute ist die Armut jung. Sie trifft Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, Familien und Kinder. Wenn nichts passiert, werden sie die armen Alten von morgen.
    Arbeitssuchende stehen in der Agentur für Arbeit in Gelsenkirchen.
    Arbeitssuchende in Gelsenkirchen. (AP)
    Eine Kinderhand in einer Erwachsenenhand
    Der Generationenvertrag trägt nicht mehr. (Stock.XCHNG / Denise Docherty)