Archiv

Rente mit 63
Junge Unionsabgeordnete fordern andere Rentenpolitik

Steffen Bilger (CDU), Vorsitzender der Jungen Gruppe der Unionsfraktion im Bundestag, fordert eine Überarbeitung der Rente mit 63. In ihrer vorgelegten Form verstoße sie gegen die Generationengerechtigkeit, sagte er im Deutschlandfunk.

Steffen Bilger im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Steffen Bilger (CDU), Vorsitzender der Jungen Gruppe der Unionsfraktion im Bundestag, spricht in ein Mikrofon.
    Steffen Bilger (CDU), Vorsitzender der Jungen Gruppe der Unionsfraktion im Bundestag (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
    Der innerparteiliche Protest in der CDU/CSU-Fraktion gegen die Rentenpläne der großen Koalition wächst. Man stehe zwar zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, an den Formulierungen müsse aber noch gearbeitet werden, sagte Steffen Bilger (CDU), Vorsitzender der Jungen Gruppe der Unionsfraktion im Bundestag, im Deutschlandfunk. "Wir laufen Gefahr, dass die Sozialdemokraten zu viele ihrer Themen durchsetzen", sagte Bilger. Das wichtigste Ziel müsse mit Blick auf die Zukunft sein, ab 2015 keine neuen Schulden mehr zu machen.
    Beim Rentenpaket mit der von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgelegten Rente mit 63 habe die Gruppe drei Forderungen: "Uns geht es bei der Rente mit 63 darum, dass es keine Frühverrentungswelle gibt." Zudem wolle man einen Stichtag bei der Anrechnung von Arbeitslosenzeiten sowie einen flexibleren Einstieg in die Rente für Menschen, die länger als bis 63 arbeiten wollen. "Das, was Frau Nahles vorgelegt hat, ist für uns so schwer vorstellbar, weil es aus unserer Sicht gegen die Generationengerechtigkeit verstößt."
    Eine Gruppe von 25 jüngeren Unionspolitikern will heute ein Positionspapier zum Kurs der großen Koalition verabschieden.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Seit Wochen schon brodelt es in der Union, vor allem bei jüngeren Abgeordneten der CDU. Sie sind, um es vorsichtig zu sagen, unzufrieden mit den künftigen Milliarden-Ausgaben, die die Große Koalition plant, unter anderem auch für die Mütter-Rente und für die sogenannte Rente mit 63. Dieser innerparteiliche Protest, der wurde bislang nur vereinzelt geäußert. Aber jetzt gibt es offenbar eine Gruppe, die geschlossen auftritt. 25 jüngere Abgeordnete haben sich unter dem Namen "CDU 2017" zusammengeschlossen. Heute wollen sie in Berlin ein Reformpapier für die CDU verabschieden.
    Am Telefon ist einer von ihnen: der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger, Vorsitzender der jungen Gruppe seiner Fraktion. Schönen guten Morgen, Herr Bilger!
    Steffen Bilger: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Bilger, was genau stört Sie am Kurs Ihrer Partei?
    Bilger: Ich glaube, es ist weniger der Kurs unserer Partei, der uns stört, sondern die sorge, dass wir in der Regierungskonstellation, wie sie nun mal zustande gekommen ist in der Großen Koalition, Gefahr laufen, dass die Sozialdemokraten zu viele ihrer Themen durchsetzen, und deswegen haben wir uns zusammengetan erneut. Es war ja schon so, dass wir unter dem Stichwort "CDU 2017" uns bereits nach der Bundestagswahl geäußert haben, um einfach auf einige Punkte hinzuweisen, wo wir Sorge haben, dass sich die Koalition, aber dann auch durch die Entscheidungen der Koalition unser Land vielleicht in eine nicht gute Richtung entwickeln könnte.
    Armbrüster: Dann sagen Sie uns das doch mal. Was sind Ihre Sorgen?
    Bilger: Wir stehen zum Koalitionsvertrag
    Bilger: Ja. Sie haben ja das Stichwort Rentenpaket genannt. Das ist sicher das wichtigste Thema, das zurzeit auch für unseren Bundestag auf der Tagesordnung steht. Es ist ganz klar, dass wir alle zum Koalitionsvertrag stehen. Wir haben dem Koalitionsvertrag auch zugestimmt. Da stehen auch teure Dinge drin im sozialen Bereich. Deswegen stehen wir auch zur Mütter-Rente, wir stehen auch zu einer Rente mit 63. Aber es kommt eben darauf an, wie es dann formuliert ist, wie wir es dann im Deutschen Bundestag auch verabschieden sollen, und da haben wir schon Bedenken bei dem Entwurf, den die Frau Nahles jetzt vorgelegt hat, wo wir uns auch in den kommenden Wochen bis zur Verabschiedung des Rentenpakets noch massiv einbringen werden.
    Armbrüster: Und wenn es nun um diese beiden Pläne geht, die Rente mit 63 und auch die Mütter-Rente, könnten Sie sich vorstellen, gegen beides zu stimmen?
    Verbesserung edes Rentenpakets erforderlich
    Bilger: Wir haben immer gesagt, vielleicht auch im Gegensatz zu anderen Kollegen, wir äußern uns über unser Wahlverhalten dann, wenn wir wissen, was dann auch zur Abstimmung vorliegt. Wir sind jetzt mitten in dem Gesetzgebungsprozess im Deutschen Bundestag. Das was Frau Nahles vorgelegt hat, ist für uns so nur schwer vorstellbar, weil es aus unserer Sicht gegen Generationsgerechtigkeit verstößt. Deswegen kämpfen wir jetzt für Verbesserungen in dem Rentenpaket. Wenn dann klar ist, was zur Abstimmung steht, dann werden wir uns auch entscheiden, wie wir dann abstimmen werden.
    Armbrüster: Richtet sich diese Kritik auch gegen das Projekt Ihrer Partei, gegen die Mütter-Rente?
    Bilger: Wie gesagt, wir stehen klar zu dem, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Die Mütter-Rente war uns im Wahlkampf auch ein wichtiges Thema. Es ist sicher so, dass viele jüngere Abgeordnete schon auch die Frage stellen, ob es nicht besser wäre, über den Haushalt mehr diese Maßnahme zu finanzieren. Aber grundsätzlich stehen wir auf jeden Fall zur Mütter-Rente. Da sehen wir auch mehr, dass dies eine Frage der Gerechtigkeit ist, anders als bei der Rente mit 63, wo jetzt in dem vorliegenden Entwurf nicht eine Rentnergeneration wie bei den Müttern, die viele Jahre für die Erziehung ihrer Kinder aufgewendet haben und deswegen von Altersarmut bedroht sind, profitieren, sondern wo nach Untersuchungen in etwa um 80 Prozent Facharbeiter ...
    Armbrüster: Na ja, wir können allerdings festhalten: Es sind beides Wahlgeschenke, beides Wahlgeschenke der jeweiligen beiden Parteien.
    Bilger: Wahlgeschenke klingt natürlich immer negativ. Es sind sicherlich Wahlversprechen, die gemacht wurden, und es sind auch teure Wahlversprechen, die gemacht wurden. Das ist gar keine Frage.
    Generationengerechtigkeit beachten
    Armbrüster: Und genau an diesem Punkt fragen sich doch viele, wahrscheinlich auch jüngere Leute, auch an diesem Montagmorgen, wenn sie das hier jetzt hören, warum stehen dann nicht die jüngeren CDU-Abgeordneten auf und sagen, das geht so in unseren Augen nicht, Koalitionsvertrag hin oder her?
    Bilger: Ja genau das tun wir jetzt. Und wie gesagt, wir haben noch einige Wochen in dem Gesetzgebungsverfahren, wo es um das Rentenpaket geht. Wir haben Vorschläge eingebracht, Forderungen gestellt. Für uns geht es bei der Rente mit 63 darum, dass verhindert werden muss, dass es eine Frühverrentungswelle gibt. Frau Nahles spricht von 50.000 zu befürchtenden Zahlen, dass Menschen zusätzlich früher in Rente gehen. Andere sprechen von sechsstelligen Summen.
    Wir wollen, dass es einen Stichtag gibt bei der Anrechnung von Arbeitslosenzeiten, und wir wollen, dass es einen flexibleren Renteneinstieg gibt für die Menschen, die länger arbeiten möchten. Das sind unsere drei Forderungen, die wir bei der Rente mit 63 gestellt haben. Bei der Mütter-Rente Muss es aus meiner Sicht schon darum gehen, dass man dann auf Dauer – das wird ja viele Jahre auch Kosten verursachen – es ehrlicher finanziert, das heißt über den Haushalt finanziert, dann aber auch nicht über Schulden, sondern seriös gegenfinanziert.
    Armbrüster: Und können Sie heute Morgen festhalten, wenn diese beiden Forderungen nicht erfüllt sind, dann sind Sie, dann ist Ihre Gruppe dagegen im Bundestag?
    Bilger: Wie gesagt, wir schauen uns an, was zur Abstimmung steht, und werden uns dann in der Verantwortung, die wir als Abgeordnete auch haben, entscheiden. Aber auf jeden Fall kämpfen wir jetzt für deutliche Verbesserungen.
    Armbrüster: Gut. Da höre ich eine etwas vorsichtigere Haltung heraus. – Lassen Sie uns über einen anderen Punkt sprechen. Wir haben in der vergangenen Woche gelernt, dass die Steuereinnahmen in Deutschland wieder kräftig sprudeln. Trotzdem will in der Großen Koalition kaum jemand über Steuererleichterungen sprechen. Woran liegt das eigentlich?
    Bilger: Ja. Wir hatten ja schon in der Wahlauseinandersetzung gewaltige Unterschiede zwischen den verschiedenen Parteien, jetzt auch zwischen uns als Koalitionspartner, und wir haben uns ja dann darauf verständigt, dass es keine Steuererhöhung gibt, entgegen dem, was die Sozialdemokraten wollten. Deswegen kommen wir natürlich schon von sehr unterschiedlichen Richtungen. Allerdings haben wir jetzt eine Situation erfreulicherweise, dass die Steuereinnahmen ja wirklich sprudeln, und dann muss schon auch die Frage wieder auf den Tisch kommen, ob man nicht zumindest bei der kalten Progression etwas machen kann, weil das schließlich auch etwas ist, was viele Menschen, die nicht so viel Geld zur Verfügung haben, die aber arbeiten, auch betrifft.
    Armbrüster: Aber, Herr Bilger, Sie können das ja jetzt nicht nur auf die SPD schieben. Auch aus der CDU kommen ja wirklich kaum ernst zu nehmende Stimmen, die sagen, jetzt ist es Zeit für Steuererleichterungen, für eine Beseitigung der kalten Progression. Da sind alle sehr vorsichtig.
    Bilger: Schuldenabbau erste Priorität
    Bilger: Ja, wobei man, finde ich, richtigerweise auch sagen Muss, erst mal haben wir andere Prioritäten, und die erste Priorität Muss sein, weg zu kommen von den Schulden. Auch wenn wir jetzt so hohe Steuereinnahmen haben, wir machen immer noch Schulden als Bund, und das Muss das erste sein, dass wir weg kommen von der Neuverschuldung. ...
    Armbrüster: Aber ein Marktwirtschaftler würde doch ganz klar sagen, wir machen Steuererleichterungen, das kurbelt den Konsum an, dadurch steigen die Steuereinnahmen nur noch weiter und wir können die Verschuldung noch früher abbauen.
    Bilger: Wobei das auch nicht immer funktioniert hat. Wir hatten ja in der Vergangenheit auch wirklich gute Zeiten mit hohen Steuereinnahmen. Das sind ja immer zyklische Entwicklungen. Aber jetzt stehen wir da mit zwei Billionen Schulden, die die öffentliche Hand in Deutschland gemacht hat. Deswegen ist das wichtigste Ziel auch aus dieser jungen Generation, dass wir es in dieser Legislatur schaffen, weg zu kommen von den Schulden. Das Muss das allerwichtigste Ziel sein ab 2015. Es gilt, dann keine neuen Schulden mehr zu machen. Wenn das noch schneller möglich ist, weg zu kommen von den neuen Schulden, dann ist das für mich die erste Priorität.
    Armbrüster: ... , sagt hier bei uns im Deutschlandfunk Steffen Bilger, Bundestagsabgeordneter der CDU, Vorsitzender der jungen Gruppe seiner Partei, über das Reformpapier, das er und etwa zwei Dutzend weitere CDU-Parlamentarier heute verabschieden wollen. Vielen Dank, Herr Bilger, für das Gespräch.
    Bilger: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.