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Rentenerhöhung
"Keinen Cent mehr" für Grundsicherungsempfänger

Die Renten steigen aktuell so stark wie lange nicht mehr. Nach Ansicht von Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, gibt es allerdings auch Gruppen, die "gar nichts davon haben". Vor allem alte Frauen seien betroffen. Man müsse Freibeträge schaffen, damit auch Empfänger von Grundsicherung von Rentenanpassungen profitierten.

Ulrike Mascher im Gespräch mit Marina Schweizer |
    Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, aufgenommen am 05.09.2012 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema: "Ackern im Alter - wenn die Rente nicht reicht" in den Studios Berlin-Adlershof.
    Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland (dpa/picture alliance/Karlheinz Schindler)
    Marina Schweizer: Wer momentan Rentner ist kann sich freuen. Aber eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Infratest hat ergeben: Das Vertrauen in die Rente sinkt. Nur ein Drittel der Bevölkerung geht demnach davon aus, dass die gesetzliche Rente zum Leben reichen wird. Macht deutlich, mit welchen Sorgen zum Beispiel jüngere Generationen auf ihren Lebensstandard im Alter schauen. Wie ist diese Rentenerhöhung einzuordnen? - Ich habe vor der Sendung mit Ulrike Mascher gesprochen. Sie ist Präsidentin des Sozialverbandes VDK. Erste Frage an Sie: Schmecken Sie einen bittersüßen Beigeschmack bei dieser Nachricht?
    Ulrike Mascher: Ja. Die Rentenanpassung, das ist natürlich erfreulich für die Rentnerinnen und Rentner. Aber es ist für eine Gruppe nicht erfreulich, weil sie gar nichts davon haben. Das sind diejenigen, die eine so niedrige Rente haben, und das sind häufig alte Frauen, dass sie auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, oder es sind Menschen, die vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden mussten aus dem Erwerbsleben. Die bekommen dann Grundsicherung wegen Erwerbsunfähigkeit. Bei beiden wird die Rentenanpassung auf diese Grundsicherung angerechnet, die kriegen also keinen Cent mehr.
    Auch Empfänger von Grundsicherung sollten von Rentenanpassungen profitieren
    Schweizer: Das heißt, Sie fordern, dass da was getan wird?
    Mascher: Ja. Ich finde, dass das, was an gesetzlicher Rente, wo ja Beiträge gezahlt worden sind, hier an Anpassung passiert, dass da ein Freibetrag geschaffen werden muss, dass auch Grundsicherungsempfänger hier von solchen Rentenanpassungen etwas haben, oder zum Beispiel auch von der Mütterrente etwas haben.
    Schweizer: Jetzt sprechen Sie schon die soziale Gerechtigkeit an, und es gibt ja verschiedene Bevölkerungsgruppen, die jetzt auf eine solche Rentenerhöhung schauen. Jüngere Generationen sagen jetzt, ausgerechnet die goldene Rentnergeneration bekommt mehr.
    Mascher: Die goldene Rentnergeneration, da bekommen eben nicht alle mehr, sondern es gibt auch arme Rentner, vor allen Dingen arme Rentnerinnen, die aus verschiedenen Gründen, weil sie ausgeschieden sind aus dem Erwerbsleben, weil sie geringfügig beschäftigt waren, eine so niedere Rente haben, dass sie auf Grundsicherung angewiesen sind, um überhaupt ihre Miete noch bezahlen zu können. Und für die Zukunft: Ja, es ist schwierig, weil man sich um das Jahr 2000 dafür entschieden hat, dass die Stabilität des Beitragssatzes das Entscheidende ist und nicht eine ausreichende Rentenleistung, und man hat dann die Rentenanpassungsformel geändert und jetzt sinkt das Rentenniveau und damit natürlich auch die realen Zahlungen immer weiter ab, und das ist für die junge Generation keine gute Perspektive.
    "Jetzt sinkt das Rentenniveau und damit natürlich auch die realen Zahlungen immer weiter ab"
    Schweizer: Frau Mascher, lassen Sie uns noch auf die Menschen schauen, die Rente bekommen, nicht Grundsicherung. Davon geht es ja doch einigen in dieser aktuellen Generation, in dieser Rentnergeneration auch sehr gut. Ist das Gießkannensystem da überhaupt zeitgemäß, wenn es am einen Ende die einen gibt, die wenig haben, und am anderen Ende aber doch sehr viele, denen es richtig gut geht?
    Mascher: Na ja, gut. Das Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung ist ja, dass Sie entsprechend Ihrem Einkommen während Ihres Erwerbslebens Beiträge zahlen, der Arbeitgeber zahlt auch Beiträge für seine sozialversicherten Beschäftigten, und dass Sie entsprechend dieser Beitragszahlungen dann auch eine Rente bekommen. Aber richtig üppig können Sie von der Rente nicht leben. Wenn Sie eine gesetzliche Rente haben und zum Beispiel keine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge haben, dann kommen Sie gut über die Runden auch heutzutage. Die Vorstellung, dass die Rentner aus der gesetzlichen Rentenversicherung die kaufkräftige Generation ist, die in Saus und Braus leben, das ist ein Irrtum. Das stimmt so leider nicht. Wenn Sie eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge haben, das ist je nach Branche, kann die durchaus gut ausfallen.
    Schweizer: Die kann sich nur nicht jeder aussuchen.
    Mascher: Die kann sich nicht jeder aussuchen. Oder wenn Sie Beamter sind, dann haben Sie auch eine ordentliche Altersvorsorge.
    "Die Berufswahl ist sicher wichtig"
    Schweizer: Das heißt, die einzige Chance, sich in der Zukunft auf eine solide Rente zu verlassen, ist die Berufswahl?
    Mascher: Die Berufswahl ist sicher wichtig. Die Berufswahl ist sicher wichtig, aber die Frage ist natürlich auch, weil es bestimmte Berufe gibt, auf die sind wir ja existenziell angewiesen, ob das die Feuerwehrleute sind oder die Krankenpflegerin ist, die brauchen wir alle, aber sie werden nicht ausreichend oder nicht so gut bezahlt, wie sie bezahlt werden müssten, damit sie eine anständige Rente haben.
    Schweizer: Frau Mascher, lassen Sie uns doch noch mal auf dieses gesamte System schauen, das gesetzliche Rentensystem, das ja ein Umlageverfahren beinhaltet. Das heißt, man bezahlt ein und bekommt dann auch abhängig davon, wie gut es der Wirtschaft und so weiter geht, seinen Satz heraus. Ist das nicht, wenn man schaut, auf die Generationen, die kommen - da wird es deutlich weniger Menschen geben; wir gehen auch sehenden Auges, Sie haben es schon gesagt, auf ein niedriger werdendes Rentenniveau zu -, ist es dann nicht ein Rentensystem, das wahnsinnig unkreativ, unflexibel ist für die Herausforderungen der aktuellen Zeit?
    Mascher: Ja gut, ich möchte gerne ein Rentensystem haben, was sicher ist. Kreativität ist dann ein merkwürdiges Wort.
    "Das Umlagesystem ein durchaus intelligentes System"
    Schweizer: Eins, das sich einstellt auf die aktuellen Gegebenheiten?
    Mascher: Ja. Aber es ist insoweit sehr flexibel, wenn Sie sehen: Die ganzen Finanzmarktkrisen, die Blasen, die da geplatzt sind, die haben die gesetzliche Rentenversicherung überhaupt nicht berührt. Da sind nicht große Vermögen vernichtet worden, da sind nicht Kapitalanlagen vernichtet worden, sondern die gesetzliche Rentenversicherung hat kontinuierlich ihre Renten zahlen können. Insoweit finde ich das Umlagesystem ein durchaus intelligentes System, weil es sich flexibel weiterentwickelt, wie sich die Wirtschaft auch weiterentwickelt. Und wenn wir davon ausgehen, dass wir eine nach wie vor produktive Wirtschaft haben, wo auch steigende Löhne dann zu steigenden Renten führen, habe ich bisher nichts Besseres auf dem Markt gesehen.
    Schweizer: Welches Signal geht denn von der aktuellen Erhöhung aus für die, die bald in Rente gehen, wenn man jetzt auf die aktuelle Zinspolitik schaut für die private Vorsorge versus der Renten?
    Mascher: Ja gut. Die private Vorsorge ist eine kapitalgedeckte Vorsorge und da haben jetzt viele die bittere Erfahrung gemacht, dass das nicht so viel bringt, wie sie erhofft oder erwartet haben.
    Schweizer: Also doch eher auf die gesetzliche Rente setzen für die, die bald reinkommen?
    Mascher: Ich kann nur sagen, für Alte und Junge ist das umlagefinanzierte System auf jeden Fall eine sehr zuverlässige und stabile Grundlage. Und die Frage, wieweit hier zusätzliche Altersvorsorge, da, finde ich, müsste man kreativ mal weiterentwickeln und mal eine Bilanz machen, was hat das bisher gebracht und wo sind da die Schwachstellen und wie muss man das kreativ weiterentwickeln.
    Schweizer: Bei uns im Deutschlandfunk Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VDK.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.