Mario Dobovisek: Die Enttäuschung war groß bei der SPD, als die Union den Rentenplänen von Finanzminister Olaf Scholz vorläufig eine Absage erteilte- Das war am vergangenen Mittwoch. Eigentlich hätte sein Rentenpaket durch das Kabinett gehen sollen. Dazu kam es aber nicht. Stattdessen am Samstagabend noch einmal ein Spitzentreffen mit den Parteichefs der Koalitionspartner, mit CDU und CSU. Wir können noch einmal gemeinsam in die vielsagenden Statements reinhören, die es danach gab. Achtung: Hören Sie was? – Keine Sorge, ich auch nicht, denn stumm blieben sie, am Samstagabend. Stumm bleibt aber nicht Peter Weiß. Er ist rentenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Weiß.
Peter Weiß: Guten Morgen.
Ringen um Kompromiss
Dobovisek: Jetzt sagen Angela Merkel und Horst Seehofer gestern in Fernsehinterviews, die SPD verunsichere die Bürger bloß mit ihren Rentenplänen. Warum tut sich die Union so schwer mit dem Rentenpaket der SPD?
Weiß: Die Union tut sich überhaupt nicht schwer. Wir haben gemeinsam vereinbart, dass wir in dieser Legislaturperiode zum einen die Berechnung der Erwerbsminderungsrente verbessern, zweitens die Mütterrente verbessern, drittens dafür sorgen, dass das Rentenniveau bis 2025 stabil bleibt und auch der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen darf, und viertens, dass wir Geringverdiener bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlasten wollen.
Dobovisek: Warum können Sie dann nicht zustimmen?
Weiß: Es ist unstrittig, dass wir dieses Rentenpaket so in den Bundestag einbringen wollen. Da gibt es sicherlich einige Einzelfragen, über die wir noch diskutieren, aber im Prinzip ist das klar. Aber der eigentliche Streit ist der, dass wir gleichzeitig auch die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages ins Parlament einbringen wollen, denn auch der soll zum 1. Januar 2019 erfolgen. Also ist es höchste Zeit, dieses Gesetz ins Parlament einzubringen. Diesen Vorgang will die SPD verzögern beziehungsweise gibt es jetzt Nebenbedingungen.
Dobovisek: Die SPD sagt anders herum, Sie blockieren, um dann etwas zu verdealen, um zwei Dinge miteinander zu verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben. Da drängt sich mir die Frage auf: ist denn die Rente so unwichtig, dass man sie mit anderen Dingen verdealen kann?
Weiß: Nein, das ist nicht der Punkt, sondern es war ursprünglich vorgesehen, zusammen mit dem Rentenpaket die Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags ins Parlament einzubringen, und der Bundesarbeitsminister hat das miteinander entkoppelt. Also nicht den Spieß umdrehen, sondern die Sozialdemokraten sind auf die Idee gekommen, dass man die Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages mit zusätzlichen Regelungen verbinden sollte, über die in der Tat politisch gestritten wird und auch politisch zu streiten ist. Genau zu diesen Fragen muss ein Kompromiss gefunden werden.
Dobovisek: Wie könnte der aussehen?
Weiß: Die Sozialdemokraten wollen ja ein sogenanntes Weiterbildungskonzept noch mit ins Parlament einbringen mit Maßnahmen, die allesamt von ihrer Wirkung her sehr umstritten sind, und sie wollen die sogenannte Rahmenfrist, ab wann jemand einen Anspruch auf Arbeitslosengeld eins hat, neu regeln und eine Regelung einführen, die in den Koalitionsverhandlungen schon einmal abgelehnt worden ist. Das ist das Unangenehme an der ganzen Geschichte.
"Wir als Union sind vertragstreu"
Aber ich will noch mal dazu sagen: Wir wollen das Rentenpaket verabschieden im Deutschen Bundestag und wir wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag deutlich entlasten, weil wir dort Handlungsmöglichkeit haben. Es wäre klug, wenn die Sozialdemokraten das mitmachen würden und wenn die ganzen Fragen der Aus- und Weiterbildung so wie im Koalitionsvertrag vereinbart in einem gemeinsamen Konzept, das sich nationaler Fort- und Weiterbildungspakt nennt, mit der Bundesbildungsministerin vorlegen würden. So ist die Verabredung im Koalitionsvertrag. Wir als Union sind vertragstreu und wir erwarten das von den Sozialdemokraten auch.
Dobovisek: Jetzt, Herr Weiß, haben wir schon drei Minuten miteinander geredet und mir fällt dabei auf, dass Sie eine Zahl nicht genannt haben, nämlich die Zahl 2040. Die ist aber der SPD ganz offensichtlich sehr wichtig. Bis dahin soll nämlich die Garantie reichen für die Rente, für das Rentenniveau. Gehen Sie da mit?
Weiß: Entschuldigung! Auch da wird die Sozialdemokratie vertragsbrüchig. Wir haben vereinbart, das Rentenniveau bis 2025 festzuschreiben. Diesem Teil des Gesetzentwurfes von Minister Heil wird die Union zustimmen. Herr Scholz, der Vizekanzler hat eine völlig neue Debatte aufgemacht zu einem Punkt, der im Koalitionsvertrag nicht vereinbart ist, sondern im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass wir eine gemeinsame Rentenkommission einsetzen. Das ist erfolgt und es ist schon ein starkes Stück, dieser Kommission jetzt in den Rücken zu fallen und schon Vorfestlegungen vorzunehmen, ohne ein Gesamtkonzept zu haben. Was soll es, irgendwelche Teile eines möglichen neuen Gesamtkonzepts für die Rente jetzt schon in die Öffentlichkeit zu blasen, den Rest noch nicht geregelt zu haben. Und ich frage mich auch: Was ist das für ein Verhalten gegenüber der sozialdemokratischen Co-Vorsitzenden in der Kommission, bevor sie überhaupt mit der Arbeit begonnen hat schon Vorfestlegungen vorzulegen.
"Was Herr Scholz vorgelegt hat, ist ja kein Konzept"
Dobovisek: Auf der anderen Seite sagt die SPD jetzt, es mache sie fassungslos, dass die Union noch nicht einmal darüber reden wolle.
Weiß: Nein! Fassungslos macht, dass wir präzise miteinander ein Vorgehen vereinbart haben, nämlich eine Kommission einzusetzen, die ein Gesamtkonzept für die Altersvorsorge der Zukunft vorlegen soll. Dazu gehört nicht nur die gesetzliche Rente, sondern die zusätzliche Altersversorgung, ein ausgewogenes Konzept, was dem Anspruch der Generationengerechtigkeit gerecht wird. Man muss ja immer beide Seiten anschauen, die Rentenbezieher wie auch diejenigen, die die Beiträge zu leisten haben. Dass man einer solchen Kommission jetzt schon in den Rücken fällt, das macht die Union fassungslos. Ich glaube, es wäre gut, wenn die Sozialdemokraten zu dem Weg zurückkehren, den wir gemeinsam im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, und wenn wir der gemeinsamen Rentenkommission die Chance geben, ein wirklich stimmiges Konzept vorzulegen. Denn was Herr Scholz vorgelegt hat, ist ja kein Konzept. Er hat eine Zahl in die Welt gesetzt, ohne zu beantworten, die wie realisiert und finanziert werden soll.
Dobovisek: Wir halten, Herr Weiß, an dieser Stelle fest: Es herrscht viel Fassungslosigkeit auf beiden Seiten. Macht die Große Koalition damit nach der Sommerpause so weiter, wie sie vor der Sommerpause (Stichwort Flüchtlingspolitik) weitergemacht hat, im Streit?
Weiß: Ich glaube das nicht, weil ich glaube, dass auf beiden Seiten Vernunft herrscht und ja auch der feste Wille, der vorhanden ist, die verabredeten Maßnahmen zur Stabilisierung und Stärkung der gesetzlichen Rente aus dem Koalitionsvertrag auch tatsächlich umzusetzen. Ich glaube, der entscheidende Streitpunkt ist derzeit nicht das Rentenkonzept, sondern der Streitpunkt ist zurzeit, um wieviel Prozentpunkte senken wir den Arbeitslosenversicherungsbeitrag, weil wir da die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten können. Da, finde ich, ist die Union mutiger, weil sie sagt, wir wollen so viel senken, wie möglich ist, und die Sozialdemokraten sind zurückhaltender und wollen weniger absenken. Deswegen ist dieser Streit ein Streit, der in den nächsten Tagen mit Sicherheit gelöst werden kann, und wir als Union plädieren dafür, das Mögliche zu machen, was an Entlastung drin ist, und nicht weniger.
Dobovisek: Morgen soll es ja weitere Gespräche geben. Rechnen Sie dann auch schon mit einer Lösung?
Weiß: Ich hoffe es, weil es eigentlich eine Frage der Vernunft ist, das was wir gemeinsam in Gang gesetzt haben in Sachen Rentenpolitik jetzt auch umzusetzen, und weil es übrigens auch für die Sozialdemokraten, finde ich, ein gutes Zeichen wäre, wenn sie mitmachen bei einer deutlichen Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei den Sozialversicherungsbeiträgen.
Dobovisek: Peter Weiß ist CDU-Politiker und rentenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch. Aufgezeichnet haben wir es vor zwei Stunden.
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