In keinem anderen OECD-Staat ist die Rente so sehr vom vorherigen Erwerbsleben abhängig wie in Deutschland. Und: In kaum einem anderen Industriestaat ist für Geringverdiener die Gefahr der Altersarmut so groß. Das ist das Ergebnis des aktuellen Rentenberichts der OECD. Der alle zwei Jahre erscheinende Bericht der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geht davon aus, dass ein Arbeitnehmer, der 2012 ins Arbeitsleben gestartet ist, im Alter aus der gesetzlichen Rente brutto 42 Prozent des durchschnittlichen monatlichen Einkommens erhält. Da auf diese Rente weniger Steuern und Sozialabgaben anfallen, käme der zukünftige Rentner auf 55 bis 57 Prozent. Der Altersarmut könne am besten durch gute Arbeit während des Erwerbslebens entgegengewirkt werden, sagt die Abteilungsleiterin Sozialpolitik der OECD Monika Queisser. Helfen könne da in Zukunft der Mindestlohn.
Die andere Bedingung ist, dass Leute tatsächlich auch durchgängig arbeiten und nebenher auch durchgängig vorsorgen. Und das ist für einen Niedrigverdiener natürlich ein schwieriges Thema. Denn wenn man schon sehr wenig verdient, ist es sehr schwierig, davon auch noch etwas zur Seite zu legen.
Nach dem Bericht ist es dabei im Vergleich der Industriestaaten ungewöhnlich, dass die Rente prozentual bei Geringverdienern nicht höher ausfällt als bei Normal- und Besserverdienenden.
Deshalb wird es für diese Arbeitsgruppe, die Niedrigverdiener, die Geringqualifizierten, die zum Teil eben auch unterbrochene Erwerbskarrieren haben, wichtig, dass man eine gute Regelung findet, die ihnen eine angemessene Rente im Alter ermöglicht – ob das jetzt eine Solidarrente ist, eine Zuschussrente…
Besonders armutsgefährdet im Alter sind Frauen. Wegen der unterbrochenen Erwerbsbiografien, wegen geringerer Einkünfte und weil wegen der höheren Lebenserwartung das Gesparte länger reichen muss. Die OECD-Sozialpolitikerin Queisser setzt da auf Lohnangleichung oder auf verbesserte Erwerbsmöglichkeiten etwa durch bessere Kinderbetreuung. Vor der jetzt von der Union gewünschten Mütterrente, der höheren Bewertung weiter zurückliegender Kindererziehungszeiten, warnt sie dagegen - ebenso wie vor der früheren Renteneintrittsmöglichkeit für langjährig Versicherte, wie die SPD sie will.
"Im Hinblick auf die demografische Herausforderung, mit der Deutschland konfrontiert ist, glaube ich, ist es notwendig, grundsätzlich darüber nachzudenken, welche Gruppen am meisten in Zukunft von Armut gefährdet sein werden. Und ob das nun die Mütter sind oder Leute, die früh angefangen haben zu arbeiten, ist dabei noch die Frage."
Zum ersten Mal berücksichtigt der Bericht auch weitere finanzielle Rahmenbedingungen für das Leben im Alter. Darunter fallen Leistungen oder Vergünstigungen, die gerade Senioren zu Gute kommen, vom ermäßigten Bahnticket bis zur Pflegeleistung. Auch da schneidet Deutschland mit Platz 20 von 27 im Vergleich schlecht ab. Ebenso wie beim Immobilieneigentum.
"Wir haben das Wohnungseigentum angeschaut und festgestellt, dass es in Deutschland tatsächlich niedriger ist als anderswo. Aber auch, dass in Deutschland die meisten Rentner ihre Hauskredite abgezahlt haben. Mehr als im OECD-Durchschnitt."
Mit der rentenpolitischen Entwicklung der Krisenländer in den vergangenen Jahren zeigt sich die OECD-Expertin zufrieden. Gerade in Ländern wie Griechenland, Spanien und Italien sei das Renteneintrittsalter erheblich heraufgesetzt worden, Reformen, die zum Teil sehr viel schneller greifen als die deutsche Rente mit 67.