Die Ärmsten der Armen sind in Russland die Rentner. Die meisten bekommen eine durchschnittliche Rente von 8.000 Rubel. Umgerechnet sind das 150 Euro im Monat. Davon müssen sie Miete, Lebensmittel und Medikamente bezahlen. Gerade in einer Stadt wie St. Petersburg eigentlich kaum vorstellbar.
"Wir überleben. Wir haben den Zweiten Weltkrieg überlebt. Wir kommen mit allem zurecht - uns reichen Brot und Wasser," sagt die 76-jährige Ludmila.
Sie steht im Gang der Malteser Armenküche, die seit über 20 Jahren Essen an Rentner und Rentnerinnen wie Ludmila Sergejewna ausgibt. Manche nehmen das Essen in einem der beiden Speisesäle zu sich. Andere lassen es sich in Plastikdosen abfüllen und essen zu Hause. Irina Tymkova schaut auf den heutigen Speisplan:
"Also die Suppe, also "Schi" aus Sauerkraut", sagt die Chefköchin Tatjana, "ist das Lieblingsgericht der Menschen." Und was noch? "Dazu ein Stück Tomate, dazu Knoblauch, Brot und "Kissel", das ist so ein Getränk."
Irina Tymkova ist eine energische Frau Mitte 40. Sie spricht perfekt Deutsch und leitet die Malteser in St. Petersburg.
"Leider haben wir mit der Zeit mehrmals reduzieren müssen. Also angefangen haben wir mit 600 warmen Mittagessen am Tag, irgendwann wurden es 400, heute speisen wir nur noch 250 Leute - jeden Tag, von Montag bis Freitag, zehn Monate im Jahr. Und das sind alle, die hierher kommen, meistens ältere, behinderte Petersburger mit sehr geringen Renten."
Dass sie heute weit weniger Menschen speisen können, sagt sie, hat mit den steigenden Lebensmittelpreisen in Russland zu tun. Pro Person dürfe ein Essen nicht mehr als einen Euro kosten. Im vergangenen Jahr hat der Rubel um die Hälfte an Wert verloren. Daran sind auch die Sanktionen und der fallende Ölpreis Schuld. Küchenchefin Elena Prokofjew erklärt:
"Natürlich spüre ich die Krise, vor allem bei den heimischen Produkten, also bei Gemüse und Obst. Es ist alles viel teurer geworden. Wir können nur überleben, weil man uns immer wieder Brot spendet - das spricht, finde ich, für sich."
Die meisten nehmen die Krise stoisch hin
Vor allem Fisch könne man sich kaum mehr leisten, meint die 46-Jährige. Frisches Obst und Gemüse könne man in der Armenküche ohnehin nicht verarbeiten, weil es dafür keinen Raum gebe. Deshalb werde - abgesehen vom Fleisch - alles mit Trockenprodukten gekocht. Den Besuchern schmeckt es trotzdem.
"Das ist wie mein zweites Zuhause. Man geht hier liebevoll miteinander um. Und natürlich ist das Essen gut! Die Portionen machen satt - und das ist angenehm."
Hrima Balaschowa kommt von Beginn an, also seit 1992, hierher. Vom Sozialamt und von Kirchengemeinden werden Essensmarken an Bedürftige wie sie verteilt. Oft sind darunter auch Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung. In Russland sind sie auf sich gestellt. Hilfe beim Staat suchen sie meist vergeblich. Die Malteser Armenküche ist die größte und älteste Einrichtung ihrer Art, erklärt Irina Tymkova.
"Sonst gibt es ein paar solche kleinen Sozialkantinen in der Stadt. Die betreiben die jeweiligen Sozialämter - zum Beispiel in unserem Stadtteil, in Zentralnij. Es gibt noch andere Sozialkantinen. Das sind ganz normale Cafés, aber das Sozialamt überweist Geld zum Beispiel für so und so viel Leute."
Auch wenn alle die Zähne zusammenbeißen, spürt man die Not. Präsident Wladimir Putin kritisieren sie nicht, genauso wenig wie den Westen. Die meisten nehmen die Krise stoisch hin, nach dem Motto: Wir haben schon viel schlimmere Zeiten erlebt, zum Beispiel während des Zweiten Weltkriegs oder während des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Dabei haben die Rentner in Russland ohnehin wenig zum Leben - durch die Wirtschaftskrise ist es noch deutlich weniger geworden.