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Renzi zum Syrieneinsatz
Italien ist nicht im "Krieg"

Seit den Anschlägen von Paris wiederholt Italiens Premier Matteo Renzi seine Botschaft: Eine militärische Aktion gegen die Terrormiliz IS ist sinnlos, wenn es nicht auch eine klare Strategie für die Zeit danach gibt. Denn im Kampf gegen den Terror setzt Renzi statt auf Soldaten lieber auf die Geheimdienste. Das hat auch innenpolitische Gründe.

Von Kirstin Hausen |
    Matteo Renzi hält eine Rede und gestikuliert dabei.
    Matteo Renzi während seiner Regierungserklärung im Senat. (picture alliance / dpa / Fabio Frustaci)
    Die Mailänder U-Bahn transportiert Hundertausende Menschen täglich. Zu den Stoßzeiten stehen die Fahrgäste Schulter an Schulter, die Türen schließen nur mühsam. Seit den Anschlägen von Paris wurden bereits zwei Mal U-Bahnstationen evakuiert, weil herrenlose Rucksäcke Alarm ausgelöst hatten. Es herrsche eine "gewisse Nervosität", sagt Illaria Brenta, eine 20-jährige Studentin an der Technischen Hochschule Mailand.
    "Ich will mich nicht davon beeinflussen lassen und Panik vermeiden. Meine Tante, die außerhalb Mailands wohnt, macht mich wahnsinnig, weil sie sofort anruft, wenn die U-Bahn geräumt wird, wegen eines verdächtigen Koffers. Wer nicht hier in der Stadt wohnt, erlebt das alles anders."
    Ignazio Pisticco, der in einer Bankfiliale im Zentrum arbeitet und jeden Abend mit der U-Bahn heimfährt, nickt.
    "Hier im Zentrum begegne ich vielen Moslems, sogar vollverschleierten Frauen, aber was soll's, ich bin ein Fatalist, man muss ja irgendwie normal weiter leben."
    Militäreinsatz (noch) kein Thema
    Normal weiterleben – das ist die Devise der Mailänder. "Im Krieg" fühlen sie sich laut Umfrage einer Lokalzeitung nicht – nur zwölf Prozent geben an, den Domplatz und die Einkaufsstraßen ringsherum seit den Anschlägen von Paris zu meiden. In der Tat sind die Geschäfte gut besucht und die Straßencafés voll.
    "Solange es nicht hier passiert, bleiben wir gelassen. Aber man kann schlecht voraussagen, wie es wäre, wenn... vielleicht reagieren wir dann ganz anders."
    Vielleicht wäre dann auch ein militärischer Einsatz in Syrien Thema in der italienischen Öffentlichkeit. So aber ist er es nicht. Die Erinnerung an den Irak-Krieg ist noch frisch, und Italiens Rechte verlor mit ihrem Ja zum Kampfeinsatz gegen Saddam Hussein empfindlich viele Wählerstimmen. Die politische Linke ist in Italien traditionell kritisch gegenüber Kriegseinsätzen im Ausland, ob sie nun gegen Diktatoren oder gegen Terroristen gerichtet sind.
    Im Gegensatz zu damals wird Italien heute von einem Mann regiert, der zum moderat linken "Partito democratico" gehört. Und der hat einen soliden Anteil an Wählern mit pazifistischer Grundeinstellung. Zum Beispiel Taxifahrer Alcise D'Uonno, der auch gegen die Gräueltaten des "Islamischen Staates" nicht mit Waffen vorgehen will.
    "Man muss andere Lösungen finden, politische Lösungen. Ich bin gegen Krieg."
    Geheimdienste statt Truppen
    Regierungschef Matteo Renzi wird sich hüten, die Pazifisten in der eigenen Partei, ob Wähler oder Gewählte, gegen sich aufzubringen. Er gilt bereits heute vielen als "zu Rechts", da er den Kündigungsschutz gelockert hat und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes vorantreibt. Noch mehr Zwist im eigenen Lager kann er sich nicht leisten. Deshalb gibt sich Renzi den europäischen Partnern gegenüber zurückhaltend, von einer Beteiligung an Militärschlägen will er nichts wissen. Stattdessen betonen er und der Innenminister Angelino Alfano die Arbeit der Geheimdienste im Kampf gegen den "Islamischen Staat".
    "Seit dem 1.Januar 2015 wurden 540 Personen durchleuchtet, die auf irgendeine Art mit dem Terrorismus in Verbindung stehen. Verhaftet wurden 147 Verdächtige, gegen 325 laufen Ermittlungen. Wir wissen alle, dass vorbeugende Maßnahmen das Risiko eines Anschlags nicht ausschalten können, aber wir reduzieren es, soweit wir können."
    Erhöhte Sicherheit vor Weihnachten
    Italiens Regierung hat für die nächsten Wochen die Sicherheitsstufe 2 ausgerufen. Sie erlaubt den Einsatz von Spezialkräften der Polizei und des Militärs. In Rom, wo Papst Franziskus am 8.Dezember das "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" ausrufen wird, soll die Sicherheit dank Videoüberwachung und massiver Polizeipräsenz erhöht werden.
    Drei Syrer mit gefälschten Pässen wurden in diesen Tagen an den Flughäfen Rom und Mailand-Bergamo festgenommen. Sie stehen im Verdacht, Mitglieder des "Islamischen Staates" zu sein. Die Italiener sind nicht bereit, in den "Krieg gegen den Terror" zu ziehen, verlangen aber von der Regierung eine effiziente Terrorbekämpfung innerhalb der Landesgrenzen.
    "Wir dürfen den Adrenalinspiegel nicht absinken lassen, wir müssen wachsam bleiben in der nächsten Zeit und abwarten, wie sich die Sache entwickelt."