Archiv

Reporter ohne Grenzen
"Pressefreiheit bleibt umkämpft"

Ghana, Südafrika, Uruguay – mit der Reihe "Perlen der Pressefreiheit" blickt @mediasres auf Länder, in denen Journalisten vergleichsweise gut arbeiten können. Bevölkerungen weltweit wüssten, wie wichtig eine freie Presse sei, sagte Christoph Dreyer von "Reporter ohne Grenzen" im Dlf.

Christoph Dreyer im Gespräch mit Michael Borgers |
    Besucher betrachten im Medienmuseum Newseum in Washington eine Weltkarte zum Stand der Pressefreiheit.
    Besucher betrachten im Medienmuseum Newseum in Washington eine Weltkarte zum Stand der Pressefreiheit. Die USA belegen im ROG-Ranking schon lange keine vorderen Ränge mehr. (picture alliance/Maren Hennemuth/dpa)
    Michael Borgers: Wenn Reporter ohne Grenzen den Stand der Pressefreiheit weltweit bilanziert, geht es häufig vor allem um negative Entwicklungen. Warum ist das so? Warum sprechen wir nicht mehr über Positives?
    Christoph Dreyer: Es geht uns mit der Rangliste natürlich auch darum, Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, wo besondere Probleme liegen. Da stecken ja auch immer reale politische Entwicklungen und konkrete Kritikpunkte dahinter. Aber: Wir stellen auch immer zwei, drei positive Beispiele heraus. Wir wollen ja nicht nur anprangern, sondern auch zeigen, dass sich Länder positiv entwickeln können.
    Borgers: Wenn sich Länder zum Positiven verändern, woran liegt das in der Regel?
    Dreyer: Es gibt in der Bevölkerung immer ein Streben nach Pressefreiheit. Wenn wir uns die Demokratiebewegungen der vergangenen Jahre anschauen, beispielsweise Ägypten, Iran oder Sudan, spielt immer die Forderung nach Pressefreiheit eine große Rolle. In Ländern, die besonders autoritär regiert werden, ist die Unterdrückung der Pressefreiheit ein Teil des Unterdrückungsinstrumentariums. Das wissen die Menschen sehr gut, und deshalb kämpfen sie auch dagegen an, wenn man sie lässt. Wenn es einschneidende Verbesserungen gibt, liegt das meistens daran, dass es auch eine größere politische Veränderung gibt, wie einen Regierungswechsel.
    "Pressfreiheit ist ein universeller Wert"
    Borgers: Ist Pressefreiheit gleichbedeutend mit: Länder, die demokratisch regiert werden?
    Dreyer: Kurz gesagt: Ja. Ich kenne kein Land, das wirklich gut in Sachen Pressefreiheit da steht, das undemokratisch funktioniert. Länder, die Angst haben vor ihren Bürgerinnen und Bürgern, die Kritik unterdrücken wollen, die nicht zulassen wollen, dass die Herrschenden infrage gestellt werden, haben immer ein Interesse daran, unabhängige Berichterstattung zu unterdrücken und zu behindern. Und umgekehrt ist es so, dass freiheitlich verfasste Länder zulassen, dass es Kritik an den Mächtigen und Regierungswechsel gibt. In diesen Ländern nimmt die Presse die Rolle der Vierten Gewalt ein.
    Borgers: Wir schauen in unserer Reihe "Perlen der Pressefreiheit" auf Länder, in denen es vergleichsweise gut läuft, von denen wir es – hier in Europa – aber nicht unbedingt erwartet hätten. Was würden Sie sagen: Ist Pressefreiheit grundsätzlich ein universeller Wert?
    Dreyer: Pressefreiheit ist auf jeden Fall ein universeller Wert. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist ja kein westliches Konstrukt; an ihr waren auch Staaten wie Saudi-Arabien beteiligt. Schaut man darauf, wie Pressefreiheit dann verwirklicht wird, ist Saudi-Arabien sicherlich kein gutes Beispiel. Also: Die Idee ist nicht westlich, aber die Umsetzung ist sehr unterschiedlich. Und das hängt vor allem damit zusammen, wie stabil eine Demokratie ist und wie freiheitlich ein Staat tatsächlich verfasst wird. Schauen wir hier auf negative Entwicklungen, landen wir schnell bei den USA: Auf unserem ROG-Ranking sind die USA als 48. inzwischen eher im Mittelfeld angelangt; also nicht da, wo man sie vermuten würde, führt man sich das amerikanische Selbstbild vor Augen. Daran sieht man, wie umkämpft die Pressefreiheit bleibt. Das gilt auch für die Aufsteiger unserer aktuellen Rangliste, zum Beispiel Äthiopien. Dort steht jetzt jemand an der Spitze, der politische Gefangene, darunter Journalisten, freigelassen hat. Da ist plötzlich eine große Dynamik – und damit die Frage: Wie stabilisiert sich das?
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.