Die Studie, die vor zwei Jahren im Fachblatt "Nature Medicine" erschien, klang nach einer Sensation: Der US-Biologe Jonathan Tilly hatte Stammzellen aufgespürt - im Eierstock der Frau:
"Wir haben gezeigt, dass es diese Stammzellen im Eierstock gibt, und dass sie neue Eizellen produzieren können. Möglicherweise könnten wir die biologische Uhr - die bestimmt, wann eine Frau in die Menopause kommt - in Zukunft beherrschen",
"Wir haben gezeigt, dass es diese Stammzellen im Eierstock gibt, und dass sie neue Eizellen produzieren können. Möglicherweise könnten wir die biologische Uhr - die bestimmt, wann eine Frau in die Menopause kommt - in Zukunft beherrschen",
sagte Jonathan Tilly damals im Deutschlandfunk. Heute mag er keine Interviews mehr geben. Seine Arbeiten sind umstritten, und in der Szene tobt ein regelrechter Glaubenskrieg darüber, ob die Stammzellen im Eierstock tatsächlich existieren. Wenn Befürworter und Gegner aufeinandertreffen, fliegen die Fetzen - zuletzt Anfang Juli auf dem Jahrestreffen der europäischen Reproduktionsmediziner in München. David Albertini hat diese Auseinandersetzungen schon oft miterlebt. Der Professor von der Universität von Kansas forscht selbst am Eierstock und zählt zu Tillys Kritikern:
"Wir haben keine Hinweise auf Stammzellen im Eierstock gefunden – obwohl wir sehr genau danach gesucht haben."
Ganz anders Evelyn Telfer, Professorin für Reproduktionsbiologie an der Universität Edinburgh:
"Alles, was ich sagen kann: Ich war früher absolut skeptisch. Doch jetzt habe ich genug Hinweise aus meinem eigenen Labor, dass da im Eierstock etwas sehr Spannendes vor sich geht. Und ich denke, dass die ganze Debatte mittlerweile regelrecht wissenschaftsfeindlich ist."
Die Debatte begann im Jahr 2004. Damals hatte Tilly zum ersten Mal Stammzellen isoliert – im Eierstock der Maus. Seitdem haben Forscher immer wieder versucht, diese Stammzellen ebenfalls zu finden – doch ohne Erfolg. David Albertini:
"Beschränken wir die Diskussion mal auf die Maus. Was sagt uns die Wissenschaft? Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass es keine Belege für die Stammzellen im Eierstock gibt. Ich kenne mindestens sechs Arbeitsgruppen, die Tilly widerlegt haben."
Hat sich Tilly geirrt - oder haben die anderen Arbeitsgruppen Fehler gemacht? Evelyn Telfer sagt, dass sie das nicht beurteilen kann. Sie forscht nicht an Mäusen, sie arbeitet mit menschlichem Eierstockgewebe. Und beim Menschen hat sie die Stammzellen gefunden:
"Wir müssen davon wegkommen zu behaupten, dass man diese Zellen nicht isolieren kann. Wir haben sie aus dem Eierstockgewebe von erwachsenen Frauen isoliert, eine Arbeitsgruppe aus Washington hat sie im Eierstock von Affen ausfindig gemacht. Es gibt diese Zellen, und wir haben Hinweise darauf, dass sie sich - unter den richtigen Bedingungen - zu Eizellen entwickeln können."
Evelyn Telfer hat die Stammzellen im Labor herangezogen, und nach einiger Zeit kamen sie einer Eizelle ziemlich nahe. Aber: Sie hat die Stammzellen auch mit diversen Zusätzen zusammengebracht, die ihnen dabei geholfen haben, sich entsprechend zu verwandeln. Ob das auch im Körper einer Frau klappt, ist aber noch fraglich, sagt Telfer: Im erwachsenen Eierstock herrschen ganz andere Bedingungen. Möglicherweise sind die Stammzellen dort komplett inaktiv. Dass man den Körper dazu bringen könnte, von sich aus neue Eizellen herzustellen, dass man sogar die Menopause verschieben könnte - soweit würde Evelyn Telfer nicht gehen:
"Nein. Nein, absolut nicht. Ich meine, wir müssen die Zellen erst richtig erforschen, bevor man so etwas behaupten kann. Das war vielleicht Jonathans Problem. Anstatt zu sagen: Wir haben hier spannende Zellen gefunden, mal schauen, was wir mit ihnen anstellen können, hat er es übertrieben. Dass man mit diesen Zellen die Menopause stoppen könnte und so - ja, vielleicht geht das ja auch. Aber wir haben noch keine Beweise dafür."
Evelyn Telfer will die Stammzellen weiter erforschen, ihr Potenzial ausloten. Mithilfe der Stammzellen lassen sich vielleicht irgendwann Eizellen im Labor herstellen, mit denen man unfruchtbare Frauen behandeln kann. Das ist die große Hoffnung. Aber:
"Da liegt noch viel Arbeit vor uns. Leider ist die Debatte so harsch, dass sich viele Wissenschaftler gar nicht erst an das Gebiet heran trauen."
Die Schottin lässt sich davon nicht abhalten. An die Sprüche ihrer Kollegen hat sie sich gewöhnt:
"Leute sagen ganz offen zu mir: Oooh, du wechselst auf die dunkle Seite! Ich antworte dann nur: Ja, aber ich habe eine Fackel dabei. Ich versuche, Licht ins Dunkel zu bringen."