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Reproduktionsmedizin
Ein Affenbaby aus gefrorenem Hodengewebe

Erstmals wurde ein Affenbaby geboren, das aus unreifem, tiefgefrorenen Hodengewebe seines Vaters entstanden ist. Die Forscher sind überzeugt, dass dieses Verfahren auch beim Menschen funktioniert. Kinder mit einer Krebserkrankung hätten damit die Möglichkeit, später eine eigene Familie zu gründen.

Von Christine Westerhaus |
Zwei Rhesusaffen (Macaca mulatta) mit ihren Jungen sitzen auf einer Mauer, wobei sich das eine Tier der Fellpflege des anderen widmet, aufgenommen am 24.09.2007 in Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Im Hinduismus, der Hauptreligion in Nepal, wird der Rhesusaffe als heiliges Tier verehrt.
Das Verfahren, dass zum Entstehen des Rhesusaffenbabies führte, sei reif für die klinische Anwendung, sind die Forscher überzeugt (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
Und wieder macht ein Affenbaby Schlagzeilen: Nach den geklonten Rhesusaffen "Zhong Zhong" und "Hua Hua" ist es nun "Grady", der seine Existenz der Forschung verdankt. Auch Grady ist ein Rhesusaffenbaby. Seine Besonderheit: Er ist aus unreifem, tiefgefrorenem Hodengewebe entstanden, das Kyle Orwig von der Pittsburgh University seinem Affenvater vor dessen Pubertät entnommen hatte.
"Wir haben dieses Gewebe entnommen, eingefroren, das Tier kastriert, mit Chemotherapie behandelt und das Hodengewebe anschließend wieder zurück unter die Haut verpflanzt. Und als der Affe in die Pubertät kam, haben die Hormone im Körper die Spermienproduktion in dem verpflanzten Hodengewebe angekurbelt. Als wir die Gewebestücke dann nach zwölf Monaten wieder entnommen haben, konnten wir in allen eine Produktion von Spermien nachweisen.
Zwar war es auch schon anderen Forschern gelungen, bei verschiedenen Tierarten Spermien aus unreifen Hoden zu gewinnen. Doch bisher ist kein Nachkomme daraus entstanden. Auch in dieser Studie war die Erfolgsrate der künstlichen Befruchtungsversuche gering: Von 138 befruchteten Eizellen teilten sich nur 39 einmal. Elf Embryonen wurden dann sechs Rhesusaffen-Weibchen eingesetzt. Bei einer Schwangerschaft kam es zur Geburt. Dennoch ist Stefan Schlatt, Direktor des Zentrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie der Universität Münster, überzeugt, dass das Verfahren auch beim Menschen funktioniert.
Trotz Krebs eine Familie gründen
"Wir brauchten jetzt eigentlich schon sehr lange und haben darauf gewartet, auf den "final proof of concept". Und damit, dass jetzt ein kleiner Affe geboren wurde mit dieser Methodik, ist eigentlich genau das erreicht, so dass Ethikkommissionen jetzt nicht mehr zurückschrecken werden, dafür klinische Studien zuzulassen."
Das Ziel dieser Forschung ist es, Kindern mit einer Krebserkrankung die Möglichkeit zu erhalten, später eine eigene Familie zu gründen. Bestrahlungen und Chemotherapien wirken sich schädlich auf das Hodengewebe aus und können zu Mutationen an den Keimzellen führen. Deshalb wird schon jetzt bei vielen betroffenen Kindern Hodengewebe eingefroren, erklärt Stefan Schlatt, der selbst nicht an der Studie beteiligt war.
"Es gibt viele Patienten, die jetzt sozusagen schon wissen, dass sie nicht mehr Väter werden können, und die warten darauf, dass wir jetzt Methoden haben, um diese eingefrorenen Gewebe zu verwenden. Wir haben europaweit, würde ich denken, etwa 1.000 gefrorene Hodengewebe von Jungen, die darauf warten, eine Anwendung zu erfahren. "
Einfrieren über lange Zeiträume
Bislang ist unklar, wie lange aus solchen tiefgefrorenen Gewebeproben befruchtungsfähige Spermien entstehen können. Doch Kyle Orwig ist zuversichtlich, dass viele ehemalige Krebspatienten ihren Kinderwunsch noch verwirklichen können:
"Wir wissen, dass das bei Spermien und Embryonen über sehr lange Zeiträume möglich ist. So haben wir einen Artikel über ein Baby publiziert, das aus Spermien gezeugt wurde, die 40 Jahre lang eingefroren waren. Und aus einem Embryo, der 25 Jahre lang eingefroren war, ist ebenfalls ein Kind entstanden. Deswegen glauben wir, dass das Einfrieren Keimzellen nicht schädigt und dass es möglich ist, daraus auch Jahrzehnte später noch gesunde Nachkommen zu erzeugen."

Ob das alles so funktioniert, muss sich zwar erst noch zeigen. Doch Kyle Orwig ist überzeugt, dass nur noch wenige Jahre vergehen werden, bis das erste menschliche Baby aus eingefrorenem, unreifem Hodengewebe entstehen wird.
"Ich denke, diese Technik ist jetzt schon reif für die klinische Anwendung. Wir müssen zwar noch beweisen, dass sie auch beim Menschen funktioniert. Aber das können wir nun direkt bei Patienten untersuchen."