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Republik Moldau
Ohne Visum in die EU

Ab Montag dürfen Bürger der Republik Moldau visafrei in fast alle EU-Länder reisen. Eine Freiheit, die von den meisten Moldauern begrüßt wird. Gegenwind gibt es jedoch aus Moskau: Russland droht als Reaktion auf den EU-Kurs den vielen moldauischen Gastarbeitern mit einem erschwerten Zugang zum russischen Arbeitsmarkt.

Von Annett Müller |
    Olga Cechir kramt im Bus kurz vor der Grenze ihren moldauischen Pass hervor. Darin ein Visum, mit dem sie ins benachbarte Rumänien für ein paar Tage zu einem Tanzwettbewerb fahren durfte. Die unzähligen Behördengänge, um ein Visum für Westeuropa zu ergattern, sind ab Montag vorbei. Dann muss die 19-Jährige aus Chisinau lediglich ihren Pass vorzeigen, um in fast alle EU-Länder einreisen zu können:
    "Es ist schon etwas Ungewöhnliches, wenn wir jetzt ohne Visum nach Westeuropa fahren können. Das ist Freiheit für uns. Vielleicht können wir uns dort jetzt beruflich verwirklichen, lernen andere Länder kennen, andere Lebensprinzipien."
    Was Wirtschaftsstudentin Olga erfreut, sorgt sie zugleich: Ihre Verwandtschaft arbeitet wie fast ein Drittel aller Moldauer im Ausland. Der überwiegende Teil jobbt in Russland. Doch Moskau droht den Gastarbeitern, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erschweren - als Reaktion auf den EU-Kurs der Republik Moldau. Russland will die ehemalige Sowjetrepublik in seine Zollunion integrieren. Olga ist unschlüssig, wohin ihr Land steuern sollte. Sie weiß: Als Druckmittel hat Moskau nicht nur die Hunderttausenden Gastarbeiter:
    "Von Russland bekommen wir Rohstoffe geliefert, sind abhängig von seinem Gas. Orientieren wir uns aber an der EU, führen wir zwar Reformen ein, aber wir werden wohl auch eine Menge Fabriken schließen müssen, weil sie den EU-Standards nicht genügen. Was also tun? Was für mich zählt ist, dass es in meinem Land endlich aufwärts geht."
    "Pro-europäische Perspektive hängt an Qualität der Regierung"
    Nicht nur Olga ist hin- und hergerissen zwischen Ost und West. Glaubt man Umfragen, ist nur noch knapp die Hälfte aller Moldauer für eine EU-Integration. Vor Jahren waren es noch zwei Drittel. Hinzu kommt: Die pro-europäische Regierungsallianz in Chisinau hat so schlechte Umfragewerte wie noch nie, weil die Wirtschaftslage unverändert desolat ist. Damit habe auch Europa einen schweren Stand, sagt der moldauische Politologe Oazu Nantoi:
    "Die Moldauer haben ihre pro-europäische Perspektive immer an der Qualität der Regierung festgemacht. In der pro-europäischen Allianz gab es seit ihrem Machtantritt eine Menge interner Grabenkämpfe und zahlreiche Korruptionsvorwürfe. Damit sind ihre Umfragewerte gesunken - und damit leider auch die Zahl der Unterstützer für eine Annäherung an die EU."
    Experten wie Nantoi befürchten, dass bei den Parlamentswahlen im November die oppositionellen Kommunisten wieder die Macht in Chisinau gewinnen. Sie könnten die Annäherung an die EU möglicherweise auf Eis legen. Vasile Harghel ist da optimistischer. Im Bus nach Chisinau sitzt der Moldauer ein paar Busreihen hinter Wirtschaftsstudentin Olga.
    "Es ist ein sehr guter Schachzug, dass die Visa jetzt abgeschafft werden. Bis November haben die Leute ein paar Monate Zeit, nach Westeuropa zu fahren. Sie werden es mit Russland vergleichen und sich reiflich überlegen, ob sie wirklich die Kommunisten wählen oder den europäischen Weg. Die Leute können mit eigenen Augen sehen, wo das Leben besser ist."
    "Mir alle Träume erfüllen"
    Der 31-Jährige arbeitet als Marketingmanager in Irland. Dank der rumänischen Staatsbürgerschaft kann Vasile längst in Europa ohne Visum reisen und jobben. Studentin Olga blickt auf Vasiles rumänischen Pass. Auch sie will sich um die Staatsbürgerschaft bewerben, weil sie rumänische Vorfahren hat. Das würde ihr den Weg nach Westeuropa öffnen, ganz gleich wie sich ihr Land politisch entscheidet:
    "Vielleicht muss ich ein paar Jahre auf den Pass warten. Aber im Gegenzug kann ich mir alle Träume erfüllen. Ich mach mich doch nicht abhängig davon, was einige Politiker künftig als Kurs für uns aussuchen."