"Von höchster Priorität" und "kritisch wichtig" steht auf der Liste der Weltgesundheitsorganisation. Das Papier führt Antibiotika auf, die als unverzichtbar gelten für die Behandlung schwerer Infektionen beim Menschen.
Josef Köfer: "Das sind also die Fluorchinolone. Das sind die Makrolide. Und das sind die Cephalosporine der dritten und der vierten Generation."
Man muss sich die Namen dieser Antibiotika nicht unbedingt merken. Aber man sollte vielleicht wissen, was Experten wie Josef Köfer über die Substanzen sagen. Der österreichische Tierarzt ist Professor an der Veterinärmedizinischen Universität Wien:
"Das ist also die dritte und die vierte Generation der Nachfolgeprodukte der Penicilline. Und da stellen wir eben weltweit ein nicht unbeträchtliches Problem der Resistenzzunahme fest."
Eine Entwicklung, die Köfer kritisch sieht. Und nicht nur er:
"Das sind also Antibiotika, die man für die Behandlung beim Menschen reservieren sollte und nicht primär in der Veterinärmedizin einsetzen sollte."
Doch genau das ist der Fall! Von diesen Antibiotika wird auch in der Nutztierhaltung rege Gebrauch gemacht, was die Entwicklung von Resistenzen unter Krankheitserregern sicher fördert. Genaue Zahlen über die Anwendungsmengen fehlen allerdings weitgehend. Aus Österreich gibt es jetzt die ersten. Josef Köfer und andere Forscher präsentierten sie jüngst in Berlin auf einer Fachtagung am Bundesinstitut für Risikobewertung. Und stießen damit auf großes Interesse, so Köfer:
"Unsere Aufgabe war es, da mal herauszufiltern: Nun, wie hoch ist denn dieser Anteil von diesen Antibiotikagruppen in der Tiermedizin, sprich: in der Schweine-, Geflügel- und Rinderhaltung?"
Er ist ziemlich hoch, wie sich bei den Untersuchungen zeigte.
In der Hühnermast betrug der Anteil von Makroliden und Fluorchinolonen zusammen 45 Prozent; verabreicht wurden sie vor allem gegen allgemeine bakterielle Infektionen. In der Schweinemast machten die kritischen Antibiotika rund 30 Prozent der eingesetzten Mittel aus; hier bekamen die Tiere die Stoffe am häufigsten bei Magen-Darm-Erkrankungen. Fehlt noch das Rind. In diesem Fall nahmen die Forscher einheimische Milchviehbetriebe unter die Lupe:
"Beim Rind haben wir an und für sich einen sehr niedrigen Antibiotikaeinsatz, berechnet auf die Kilogramm-Lebendmasse. Wir haben aber bedingt durch die Erkrankungen des Eutergewebes das Problem, dass hier der Anteil von den vorhin beschriebenen Cephalosporinen nicht unbeträchtlich gering ist, sondern über 20 Prozent etwa beträgt."
Die Geflügeldaten sind laut Köfer repräsentativ für ganz Österreich. Bei Schweinen und Rindern sei dagegen nur eine begrenzte Zahl von Betrieben erfasst worden. Doch es ist unverkennbar: Mäster und Milchbauern geben ihrem Vieh routinemäßig die als "kritisch" angesehenen Antibiotika. Nicht nur im Krankheitsfall, wie zu vermuten ist, sondern auch vorsorglich. Dem Wiener Hochschullehrer ist das ein Dorn im Auge:
"Wir müssen also von dem Aspekt, dass Antibiotika Betriebsmittel sind, die die Produktivität erhöhen, wegkommen. Und nur gerade so viele Arzneimittel in die Nutztierproduktion hineinbringen, als absolut notwendig ist. Und zwar zur Bekämpfung von Krankheiten und zu sonst gar nichts."
Untersuchungen wie jetzt in Österreich sind noch immer die große Ausnahme, was Josef Köfer bedauert:
"Ich wäre ja mal grundsätzlich froh, wenn wir in der Europäischen Union 'mal so weit kommen, dass wir vergleichbare Daten haben, wo wir uns austauschen können und wo wir wirkliche Reduktionsstrategien beginnen können."
In Deutschland sind solche Daten inzwischen erhoben worden, im Rahmen eines Forschungsprojektes der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Universität Leipzig. Lothar Kreienbrock, Professor für Biometrie in Hannover, bittet aber noch um Geduld:
"Wir haben in Deutschland zwischen 500 und 600 antibiotisch wirksame Arzneimittel, die für Tiere zugelassen sind. Und Sie können sich vorstellen, dass das nicht mal eben per Knopfdruck analysiert wird, das heißt, wir werten diese Daten zurzeit gerade tierartenspezifisch aus, sodass wir hoffen, in einigen Wochen hierüber dann genauere Aussagen machen zu können."
Bekannt ist bisher nur, wie viel Antibiotika überhaupt an Nutztierhalter abgegeben werden. Demnach benötigen deutsche Landwirte viermal so viel Arzneistoffe wie ihre Kollegen in Österreich, um dieselbe Menge Fleisch oder Milch zu erzeugen.